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Interview

Schulpsychologin mit Tipps
Wie Eltern ihre Kinder zum Schulstart unterstützen können

5 min
14.08.2025 Köln. Interview mit Christiane Federlin-Dahmen vom Schulpsychologischen Dienst vor dem Beginn des neuen Schuljahres. Foto: Alexander Schwaiger

Christiane Federlin-Dahmen vom Schulpsychologischen Dienst der Stadt Köln gibt Tipps für den Schulanfang.

Christiane Federlin-Dahmen berät beim städtischen Schulpsychologischen Dienst Kölner Eltern, Lehrer und Schüler – manchmal helfen sogar schon Kniffel und Kuscheltiere.

Frau Federlin-Dahmen, in wenigen Tagen geht die Schule wieder los. Wie können Eltern Ihre Schulkinder beim Schulstart unterstützen?

Christiane Federlin-Dahmen: Eltern sollten vor allem gelassen an den Übergang in die neue Schule herangehen. In der Grundschule müssen Kinder sich an die neuen Leistungsanforderungen und auch Regeln gewöhnen. In der weiterführenden Schule kommen noch neue Fächer und viele Raumwechsel dazu. Wenn die Noten dann erstmal nicht so gut wie in der Grundschule sind, sollte das ohne Aufregung betrachtet werden. Eltern können ihre Kinder begleiten und die Kinder auch gerne mal loben, besonders in solchen Phasen des Übergangs.

Und wenn Probleme auftauchen und dann doch bleiben – womit melden sich Lehrer, Eltern oder Jugendliche beim Schulpsychologischen Dienst?

Mit allem, was in Schulen so auftauchen kann. In der Grundschule sind es häufig Themen rund um Lernen und Leistung. Also, dass Eltern und Lehrkraft merken, ein Kind hat zum Beispiel Schwierigkeiten im Lesen, im Schreiben, im Rechnen oder sich zu konzentrieren. Vor allem in der weiterführenden Schule kommen dann immer mehr sozial-emotionale Themen hinzu, etwa Mobbing.

Ab wann sollte man sich an Sie wenden?

Eigentlich gerne, sobald Eltern ein Bauchgefühl haben wie: Das lief doch früher alles ruhiger, und jetzt haben wir hier regelmäßig einen Konflikt oder müssen regelmäßig richtig Überzeugungsarbeit leisten. Auch wenn man merkt, dass sich das eigene Kind plötzlich immer mehr zurückzieht oder verändert, kann ein Gespräch mit uns sinnvoll sein. Wenn Sie das Gefühl haben, es ist hilfreich, dass noch jemand von außen draufguckt, dann einfach mal anrufen. Manchmal reichen schon wenige Gespräche. Und wenn sich am Telefon herausstellt, dass alles halb so schlimm ist, dann ist das umso besser.

Was macht man, wenn das Schulkind beispielsweise Trennungsangst hat? Wie macht sich das bemerkbar?

Es gibt Kinder, die machen diese Angst sehr klar deutlich. Sie weigern sich zum Beispiel, in die Klasse zu gehen oder reagieren mit Wut oder Tränen. Grundsätzlich ist das aber sehr individuell. Genauso der Umgang der Kinder damit. Wenn sich diese Situationen über mehrere Tage wiederholen und auch die Unterstützung der Lehrkraft nicht mehr hilft, dann ist das ein guter Zeitpunkt, sich an den Schulpsychologischen Dienst zu wenden.

Und wie kann der Schulpsychologische Dienst dann unterstützen?

Wir sortieren erstmal. Wir schauen uns zum Beispiel an, wo genau die Angst herkommen könnte. Haben vielleicht auch die Eltern Sorge, das Kind in der Schule zu lassen? Das könnte dann auch das Kind merken, denn die Stimmung der Fürsorgeperson spielt eine große Rolle. Ansonsten kann man versuchen, an Strukturen zu arbeiten und herauszufinden, was das Kind bräuchte, um ein bisschen mutiger zu sein. Das kann ein Kuscheltier sein, oder Papas Schal. Manchmal hilft es auch, dass Klassenkameraden das Kind unterstützen oder ein Elternteil noch etwas länger im Gebäude bleibt. Schritt für Schritt kann man dann reduzieren. Da natürlich nicht alle Eltern dasselbe leisten können, besprechen wir gemeinsam, was funktionieren kann.

Was sollte ein Kind bei der Einschulung schon können und wie können Eltern ihre Kinder zur Selbstständigkeit bestärken?

Sinnvoll sind zum Beispiel Dinge wie: sich allein beschäftigen können, mit einer Schere schneiden können, mit Konflikten umgehen oder vielleicht schon ein paar Buchstaben erkennen können. Das sind Dinge, über die sich Lehrkräfte freuen. Eltern sollten im Blick behalten, was ein Kind selbst kann und diese Aufgaben dann auch vom Kind weiterhin übernehmen lassen. Die meisten Kinder haben ein Autonomiebestreben und wenn sie dem nachgehen dürfen, etwas schaffen und es dann wieder machen dürfen, hat das eine verstärkende Wirkung. Danach wollen Kinder meist noch mehr Aufgaben übernehmen. Eltern können hier loben und zum Üben und Weitermachen ermutigen.

Wenn Kinder in die Schule kommen, müssen sie oft auch lernen zu lernen. Wie können Eltern dabei helfen?

Wir sehen Eltern vor allem in einer helfenden, unterstützenden Rolle. Das heißt, sie müssen dafür Sorge tragen, dass eine Tagesstruktur da ist, mit Zeiträumen für Hausaufgaben und Lernen, aber unbedingt auch für Hobbys und Erholung. Dazu gehören auch gesunde Ernährung, körperliche Bewegung, genug Ruhepausen. Auch wenn sich das nicht explizit nach Lernen anfühlt, sind das ganz wichtige Voraussetzungen dafür.

Außerdem lernen Kinder auch spielerisch sehr gut. Gerade bei Grundschulkindern kann man das gut in den Alltag integrieren: abends abwechselnd vorlesen zum Lesen üben, rechnen beim Kniffel üben, mit Kreide das Einmaleins in die Einfahrt schreiben.

Eine Lernsituation, in der man das Kind einfach allein an den Schreibtisch setzt, kann am Anfang schnell überfordern.

Haben sich die Probleme der Schulkinder in den letzten Jahren verändert?

Die Anmeldegründe beim Schulpsychologischen Dienst haben sich auf jeden Fall verändert. Vieles davon wird mit der Pandemie in Verbindung gebracht. Studien zeigen, dass Ängste in dieser Zeit grundsätzlich zugenommen haben. Ich selbst beobachte, dass in manchen Altersgruppen gewisse soziale Fähigkeiten wie zum Beispiel selbständige Konfliktlösung noch nicht ganz so gut ausgeprägt sind.

Es gibt mehr soziale Konflikte und Mobbing. Was wir früher wirklich selten hatten und jetzt immer mehr zunimmt, ist Absentismus, also Kinder, die aus unterschiedlichsten Gründen von der Schule fernbleiben.

Wieso bleiben auch junge Kinder schon von der Schule fern? Was kann in solchen Fällen helfen?

Meistens ist es einer von zwei Gründen. Der erste ist Schulangst. Dabei geht man davon aus, dass irgendetwas in der Schule Angst auslöst. Das kann zum Beispiel eine Mobbing-Situation sein, eine strenge Lehrkraft, vielleicht auch einfach das Gefühl der Überforderung. Und dann traut sich ein Kind nicht mehr zur Schule. Der zweite Grund ist ein Verantwortungsgefühl gegenüber der Familie. Das kann zum Beispiel entstehen, wenn es familiäre Konflikte gibt, oder es einem Familienmitglied nicht so gut geht. Das Kind hat dann Angst davor, zu lange von zuhause weg zu sein. In beiden Fällen muss man genau schauen, was das Kind braucht und hierbei kann eine ausführliche Diagnostik helfen. Wichtig ist es, auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes und vielleicht auch der ganzen Familie einzugehen. Und da können wir helfen. Tendenziell kann man sagen: Je früher wir hinzugezogen werden, desto mehr Handlungsmöglichkeiten haben wir in der Beratung.

Aktuell freuen sich die Schülerinnen und Schüler über sechs Wochen Sommerferien, also sechs Wochen ohne Schule – kann das eigentlich auch negative Auswirkungen haben?

Das ist sehr individuell. Wenn ein Kind wirklich sechs Wochen nichts macht, vielleicht auch viele Medien konsumiert, dann könnten bestimmte Fertigkeiten wahrscheinlich kurzzeitig abnehmen. Für die meisten Kinder würde ich trotzdem behaupten, dass kein langfristiger negativer Effekt bemerkbar ist und alles wieder aufgeholt werden kann. In den Ferien mal zum Beispiel Tagebuch oder Postkarten zu schreiben, kann aber hilfreich sein. Und Kniffel natürlich!