André Pawlak, Matthias Scherz, Alexander Vogt und Patrick Helmes sind alle einst mit dem FC aufgestiegen. Jetzt geben sie ihre Prognose für das Saisonfinale ab.
Prognosen fürs SaisonfinaleFC-Aufstiegshelden ordnen Lemperle-Eklat ein – und bauen auf Funkel

Vor dem Saisonfinale gegen Kaiserslautern dreht sich beim 1. FC Köln fast alles Tim Lemperle und Trainer Friedhelm Funkel.
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Das Saisonfinale in der 2. Bundesliga mit dem FC-Spiel am Sonntag gegen Kaiserslautern verspricht ohnehin Hochspannung. Doch mitten in die Vorbereitung platzte der Skandal um Tim Lemperle. Hat er Auswirkungen auf das Team und Spiel? Und wie geht der FC das „Endspiel“ an? Frühere Aufstiegshelden geben ihre Prognose ab.
„Herr Pawlak, als Interimstrainer haben Sie 2019 den FC zum Aufstieg geführt und 2021 mit Friedhelm Funkel in der Relegation zum Klassenerhalt. Wie wichtig ist jetzt der Faktor Funkel für die Mannschaft?“
Friedhelm ist der richtige Mann am richtigen Ort. Er wird die Mannschaft taktisch, aber vor allem mental optimal auf das entscheidende Spiel vorbereiten. Wie Sie schon sagten, weiß ich aus eigener Erfahrung, was Friedhelm mit seiner Erfahrung, Klasse und Ruhe auf eine Mannschaft und den Trainerstab ausstrahlen kann. Ich bin absolut überzeugt davon, dass der FC den Aufstieg am Sonntag schaffen wird. Die Mannschaft hat alles selbst in der Hand und darf sich auch von dem Säbelrassen aus Kaiserslautern, das jetzt zu vernehmen ist, nicht aus der Ruhe bringen lassen. Der FC hat neben dem Hamburger SV die bestbesetzte Mannschaft der Liga. In der Truppe sind zudem einige Spieler, die über genügend Erfahrung für solch ein Spiel verfügen. Und ich bin überzeugt, dass die FC-Fans die Mannschaft wieder einmal sensationell unterstützen werden. Es sollte schon mit dem Teufel zugehen, sollte der FC den Aufstieg noch verspielen.

Andre Pawlak stieg im Jahr 2019 als Interimstrainer mit dem 1. FC Köln in die Bundesliga auf.
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Folglich wird die Mannschaft dem Druck standhalten?
Die Saison ist sicherlich nicht so verlaufen, wie sich viele das in Köln vorgestellt haben. Es haben oft Lockerheit und Leichtigkeit gefehlt. Aufgrund ihrer Qualität hätte die Mannschaft im Aufstiegsrennen bereits durch sein müssen. Die Situation hätte man also vermeiden können. Natürlich hat der FC am Sonntag deshalb großen Druck, alleine die 45.000 FC-Fans im Stadion werden voller Erwartungen sein und wollen im Anschluss den Aufstieg feiern. Dennoch sollte man den Druck vielmehr als positiven denn negativen wahrnehmen. Die Spieler sollten sich im Klaren sein, dass sie was erreichen können. Florian Kainz war 2019 beim Aufstieg dabei, er wird ihnen berichten können, was in Köln danach los war.
Sie haben Tim Lemperle selbst trainiert. Welche Auswirkungen hat der Vorfall auf die Mannschaft und die Partie?
Sportlich täte sein Ausfall dem FC schon weh, denn Tim hat in dieser Saison einen großen Schritt nach vorne gemacht und war vor allem vor seiner Verletzung ein für den FC entscheidender Spieler. Die Qualität des Kaders gibt es allerdings her, dass auch sein Ausfall zu kompensieren wäre. Wie Sie schon sagen, habe ich Tim vor kurzem selbst trainiert und kenne Friedhelm und Thomas Kessler lange und gut. Deshalb werden Sie verstehen, dass ich mich da von außen nicht einmischen werde, wie man jetzt mit ihm umgehen soll. Aber: Ich kenne ja noch viele Jungs in der Truppe sehr gut. Ich schätze die Spieler so ein, dass nach dem Vorfall eine Jetzt-erst-recht-Stimmung aufkommen wird. Die Jungs werden Vollgas geben und auch für Tim mitrennen, sollte er nicht spielen können.
Matthias Scherz: „Bei Anpfiff kein Thema in Kabine mehr“
Herr Scherz, Sie sind Aufstiegsexperte und kehrten gleich vier Mal mit dem FC (2000, 2003, 2005, 2008) in die Bundesliga zurück. Wie blicken Sie auf das Aufstiegsfinale am Sonntag?
Die Mannschaft muss die Sache positiv angehen. Sie hat ihr Schicksal in der eigenen Hand. Nicht nur der Aufstieg, sondern die Zweitliga-Meisterschaft sollte das Ziel sein. Der FC sollte deshalb ganz klar auf Sieg spielen. Es ist schon ein unterschiedlicher Druck, ob es gegen den Abstieg oder um den Aufstieg geht. Nach der Saison kann und muss man dann sicher alles analysieren. Aber man möchte den Jungs zuwerfen: Ihr könnt mit einem Sieg und dem Aufstieg etwas erreichen! Und ich meine, dass es ein schöner Druck ist, vor 50.000 Fans im Stadion um etwas Positives zu spielen und um dann hoffentlich im Anschuss mit den Fans zu feiern. Und ganz ehrlich: Wer mit diesem Druck nicht zurechtkommt, der soll sich einen anderen Beruf suchen.

Im Jahr 2003 stiegen Friedhelm Funkel (l) und Matthias Scherz mit dem 1. FC Köln gemeinsam in die Bundesliga auf.
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Sie kennen Friedhelm Funkel seit vielen Jahren. 2002/2003 waren Sie mit 18 Toren einer seiner Schlüsselspieler. Wie nehmen Sie ihn jetzt wahr?
Friedhelm konnte wegen seiner Art schon immer sehr gut mit Spielern jeden Alters umgehen und hat einen riesigen Erfahrungsschatz. Bereits beim Sieg in Nürnberg hat man gesehen, dass er etwas in der Mannschaft bewirkt und sie befreiter aufgespielt hat. Meiner Meinung nach hätte man den Trainerwechsel früher vornehmen sollen. Aber Sportchef Christian Keller hat bis zuletzt an Gerhard Struber festgehalten. Das war seine Meinung, das ist konsequent – auch wenn es Folgen für Keller hatte.
Welche Folgen hat der Lemperle-Vorfall für das Team und das Spiel?
Natürlich ist es nicht gut, dass man vor so einem wichtigen Spiel zusätzliche Unruhe hat. Dazu kommt, dass Tim Lemperle der gefährlichste FC-Stürmer in dieser Saison war und auch in Nürnberg entscheidend zum Sieg beigetragen hat. Ich glaube aber nicht, dass der Vorfall zwei, drei Tage vor dem Spiel noch ein großes Thema in der Kabine ist. Irgendwann geht man zur Tagesordnung über. Natürlich würde Lemperle der Mannschaft fehlen, aber der FC hat beispielsweise auch einen Damion Downs, der ebenfalls weiß, wo das Tor steht.
Wie sollen die Verantwortlichen mit Lemperle umgehen?
Wenn der Vorfall mitten in der Saison passiert wäre, hätte ich den Spieler suspendiert. Um zwar, um ein Zeichen in Richtung Mannschaft und des Spielers zu setzen, dass solch ein Verhalten nicht geht. Nach der Saison dürfte es vom Verein sicher noch eine Sanktion in Form einer Geldstrafe geben. Aber jetzt, am letzten Spieltag, geht es für den FC einzig um das große Ziel. Sollte Friedhelm den Jungen in den Kader nehmen, hoffe ich und wünsche mir, dass er von den Fans neutral empfangen wird. Tim hat sich nicht wie ein Profi verhalten und einen Fehler gemacht. Und sollte er im Kader sein, dann muss er sich der schwierigen Situation stellen. Aber wir sprechen immer noch über einen jungen Menschen. Junge Menschen machen Fehler, und ich denke, dass sowieso keiner frei von Fehlern ist.
Alexander Vogt: „ Friedhelm ist einfach ein Menschenfänger“
Herr Voigt, Sie sind gleich drei Mal mit dem 1. FC Köln in die Bundesliga aufgestiegen: 2000 unter Trainer Ewald Lienen, 2003 unter Friedhelm Funkel und 2005 dann noch einmal unter Huub Stevens. Lässt sich die aktuelle Situation des FC irgendwie mit denen von damals vergleichen?
Druck hatten wir damals auch – und der war nicht zu knapp (lacht). Doch 2000 und 2003 war unser Aufstieg jeweils am 30. Spieltag perfekt, 2005 dann am 31. Spieltag. Wir haben es also auf ein Herzschlagfinale nicht mehr ankommen lassen. Mit dem Druck am letzten Spieltag muss die Mannschaft am Sonntag erst einmal klarkommen. Schon die Grundstimmung rund um den FC war in dieser Saison eher negativ, obwohl die Mannschaft seit dem Winter eigentlich immer ganz oben in der Tabelle dabei war. Aber das hat auch mit der Spielweise der Mannschaft zu tun, die nur selten überzeugende Spiele abgeliefert hat. Der FC hat im Gegensatz zu den Kontrahenten Paderborn oder Elversberg zudem den Druck, den Aufstieg schaffen zu müssen.
Sehen Sie den Aufstieg also in Gefahr?
Das ist er ja offensichtlich, der FC darf eben nicht verlieren, wenn er nicht von den Ergebnissen der Konkurrenz abhängig sein will. Und zudem will es der FC ganz bestimmt verhindern, dass er in die Relegation auf einen Gegner wie Heidenheim oder Hoffenheim trifft. Das Team wäre deshalb gut beraten, nicht auf einen Punkt zu spielen, denn das geht am Ende meistens nicht gut aus. Die Mannschaft muss und wird sicherlich auch auf Sieg spielen. Aber ich traue ihr auch zu, dass ihr das gelingt – weil Friedhelm Funkel mittlerweile ihr Trainer ist. Friedhelm ist einfach ein Menschenfänger. Er weiß genau, wo er ansetzen muss, wie er die Mannschaft einstellt und was in dieser Druck-Situation wichtig ist. Er hat da so viel Erfahrung. In der Kabine wird er nur positive Dinge ansprechen, er will die Mannschaft so stärken. Ich setze also alles auf die Karte Friedhelm Funkel.
Welchen Einfluss hat der Lemperle-Vorfall auf die Mannschaft?
Das Thema ist natürlich in aller Munde, auch in der Mannschaft, keiner kann sich dem entziehen. Es ist ein Thema zur Unzeit, das keiner vor dem so wichtigen Spiel gebraucht hat. Wir waren damals wahrlich auch keine Kinder von Traurigkeit, aber eine Woche vor dem ganz großen Spiel hätte sich Tim zusammenreißen müssen. Ist der Aufstieg dann geschafft, hat man immer noch allen Grund und alle Zeit, ihn ausgiebig zu feiern. Doch hat der Vorfall auch Einfluss auf das Spiel am Sonntag? Ich glaube nicht. Die Jungs wissen genau, was auf dem Spiel steht. Sie müssten in der Lage sein, sich rein auf das Spiel zu fokussieren, der Vorfall darf keine Ausrede sein. Da sehe ich jetzt neben Friedhelm vor allem die erfahrenen Spieler in der Verantwortung, die der FC in der Mannschaft ja auch hat.
Sollte Tim Lemperle, wenn er denn einsatzfähig sein sollte, überhaupt eine Option für Sonntag sein?
Wenn ich als Trainer beim FC in der Verantwortung wäre, würde ich Tim nicht in den Kader nehmen. Damit täte man auch dem Jungen keinen Gefallen. Er stünde bereits beim Gang ins Stadion absolut auf dem Präsentierteller und im blick sämtlicher Fotografen und Kameras. Ich denke, Tim sollte am Sonntag ganz auf den Gang ins Stadion verzichten.
Patrick Helmes: „Der Druck rückt in den Hintergrund“
Herr Helmes, Sie sind mit dem FC 2008 und 2014 in die Bundesliga aufgestiegen. Worauf kommt es für Köln am Sonntag an?
2014 war ich froh, dass wir den Aufstieg unter Trainer Peter Stöger relativ entspannt durchgespielt haben. Wir waren in der Saison einfach in einem Flow und die beste Mannschaft. 2008 unter Christoph Daum war das anders, wir hatten uns trotz guter Einzelspieler sehr schwergetan, da wir keine echte Einheit waren und den Einzelfähigkeiten der Spieler vertraut haben. Der Druck war aufgrund unserer eigentlichen Qualität und der damit verbundenen Erwartungshaltung enorm. Diesen Druck hat der FC am letzten Spieltag nun wieder – zumal die Mannschaft auf einen guten, ekligen Gegner trifft, der eventuell auch noch eine Aufstiegsmöglichkeit hat. Aber die Kölner haben immer noch eine sehr gute Ausgangsposition und brauchen nur einen Punkt. Der FC wird von dem Trainerwechsel profitieren. Friedhelm Funkel hat einfach alles erlebt und wird seine Erfahrung und Ruhe auf seine Spieler übertragen. Auch wenn es fußballerisch wahrlich keine gute Saison war, wird sich der FC über die Ziellinie retten und mindestens noch den einen Punkt holen und das große übergeordnete Ziel erreichen.

Patrick Helmes feierte mit dem 1. FC Köln im Jahr 2014 den Aufstieg in die Bundesliga.
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Welche Auswirkungen hat der Vorfall um Tim Lemperle auf die Mannschaft und das Spiel?
Der Vorfall ist überall Thema – selbst über die Grenzen Kölns hinaus. Und er kam natürlich zur Unzeit. Aber ich sehe sogar einen kleinen Vorteil für Sonntag – wenn man überhaupt von etwas Positiven reden kann: Die Schlagzeilen überlagern alles, dadurch rückt der Druck auf der Mannschaft, den es zweifelsohne gibt, bis kurz vor dem Spieltag in den Hintergrund. Ich denke, die Mannschaft hat den eigentlichen Vorfall relativ schnell aufgearbeitet. Klar, die Sache war auch in der Kabine Thema. Dass so etwas nicht passieren darf, das versteht sich von selbst. Und auch Tim Lemperle wird hoffentlich wissen, dass sein Party-Marathon ein großer Fehler war. Aber es gibt bei dem Vorfall eben auch zwei Seiten der Betrachtung, die Wahrheit wird irgendwo in der Mitte liegen. Sollte Tim nicht spielen, ist das für das Team sportlich schon eine Schwächung. Aber es sollte in der Lage sein, sich für das Finale zusammen zu reißen. Der FC ist auch ohne Lemperle qualitativ noch so gut besetzt, um gegen Kaiserslautern zu bestehen, Damion Downs kann da vorne hoffentlich in die Bresche springen – auch wenn er gerade etwas durch hängt. Anders wird es natürlich, sollte es am Sonntag schiefgehen. Dann werden noch ganz andere Themen beim FC auf die Agenda kommen.
Wie sollte die sportliche Führung jetzt mit Lemperle umgehen?
Sie sollte eine Entscheidung im Sinne des Vereins treffen, für den am Sonntag so viel auf dem Spiel steht. Ich halte nichts davon, Tim jetzt zu suspendieren. Nach dem Spiel muss man alles intern abarbeiten und könnte immer noch eine Sanktion in Form einer Geldstrafe aussprechen. Tim muss aus dem Vorfall lernen. Bereits mit seinem anstehenden Wechsel nach Hoffenheim hatte er bewusst eine Entscheidung getroffen, mit deren Echo man hätte rechnen müssen. Das war bei mir damals auch so, als ich den FC in Richtung Leverkusen verlassen hatte und über viele Jahre dafür angefeindet wurde. Aber damit muss man als Profi leben können – auch wenn manches über die eigentliche Toleranzgrenze hinaus geht.