FC-Profi Christian Clemens„Mein Wille und meine Motivation sind stärker“

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Christian Clemens stieg im Februar wieder ins Mannschaftstraining des 1. FC Köln ein. Die Corona-Krise stoppte vorerst sein Comeback.

  • Vor fast genau einem Jahr verletzte sich der Kölner Außenspieler Christian Clemens schwer am Knie. Seitdem hat er kein Pflichtspiel mehr bestritten.
  • Die Coronakrise stoppte vorerst auch seine Comeback-Pläne.
  • Im Interview erklärt der 28-Jährige, wie ihm nach Rückschlägen ein Mentaltrainer und Yoga halfen und wie sehr er Vaterfreuden entgegensieht.

Köln – Herr Clemens, Sie konnten nach Ihrer schweren Knieverletzung monatelang überhaupt nicht mit der Mannschaft trainieren. Wie empfinden Sie die Einheiten in Corona-Zeiten?

Mir tut das Training auf dem Platz einfach nur gut. Für mich ist die Situation auch noch mal anders als für meine Teamkollegen: Nach der OP durfte ich erstmal überhaupt nichts machen, dann war ich monatelang in der Reha. Als ich gerade den Anschluss geschafft hatte und kurz vor dem Pflichtspiel-Comeback stand, ging es für uns alle ins Homeoffice. Ich hatte da zwar überhaupt keine Motivationsprobleme, da ich auch sonst nicht zwei Tage ohne Sport auf der faulen Haut liegen kann. Dennoch bin ich jetzt sehr froh, zumindest wieder auf dem Rasen zu stehen mit den Jungs – wenn auch unter besonderen Bedingungen und mit Abstand. Das ist dann doch etwas ganz anderes als der eigene Garten.

Vor knapp einem Jahr verletzten Sie sich im Heimspiel gegen Darmstadt schwer und zogen sich einen Kreuz- und Außenbandriss zu. Wie sind Sie mit der langen Zwangspause umgegangen?

Das war schon eine unfassbar lange Zeit. Und manchmal war das auch mental schwierig. Man vermisst einfach das Gefühl, ein Pflichtspiel im Stadion zu bestreiten und mit den Jungs einen Sieg zu feiern. Jetzt bin ich wieder fit, und ich wünsche mir einfach nur, dass die Saison zu Ende gespielt wird. Natürlich fehlt mir Spielpraxis, aber ich denke, dass ich der Mannschaft noch helfen kann.

Ihr Körperhat Ihnen schon oft einen Streich gespielt. Seit Oktober 2017 haben Sie insgesamt 32 Pflichtspiele verpasst.

Das ist bitter, aber man muss da schon unterscheiden. Früher hatte ich ab und an muskuläre Probleme, die ich gut in den Griff bekommen hatte. Erst später folgten der Syndesmosebandriss und im letzten Jahr die schwere Knieverletzung. Beides ist im Spiel durch gegnerische Einwirkung passiert, das ist einfach Berufsrisiko. Es gab Tage, da fiel mir die Reha sehr schwer. Aber ich habe auch festgestellt, dass mein Wille und meine Motivation stärker sind. Mit der Erfahrung lernt man, besser mit solchen Situationen umgehen zu können. Das sind Verletzungen, die im Leistungssport einfach passieren.

Ihr Bruder Michael hat vor ein paar Monaten nach vielen Verletzungen mit nicht einmal 24 Jahren seine Karriere als Profifußballer beendet. Hat Ihnen das auch noch mal die Augen geöffnet, wie schnell eine Sportlerlaufbahn vorbei sein kann?

Natürlich. Es gab Zeiten, da wurde ihm größeres Talent bescheinigt als mir. Er war leider oft verletzt, nach dem zweiten Kreuzbandriss ging es nicht mehr. Wir haben ein sehr enges Verhältnis und fast täglich Kontakt. In schwierigen Phasen haben wir uns gegenseitig gestützt. Jetzt arbeitet er beim MSV Duisburg im Scouting. In dem Job blüht er richtig auf.

Haben Sie mal daran gedacht, einen Mentaltrainer in Anspruch zu nehmen?

Ich habe schon mal mit einem Mentaltrainer gearbeitet. Das hat mir viel gebracht. Vor allem habe ich gelernt, positiver mit bestimmten Situationen umzugehen, nach vorne zu blicken. Durch meine Freundin habe ich auch Yoga für mich entdeckt. Das tut mir ebenfalls gut. Ich denke, ich bin in den letzten Jahren insgesamt sehr gereift.

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Da passt es, dass Sie bald Vater werden.

Ja, der Geburtstermin ist für Anfang Juni ausgerechnet. Wir freuen uns ungemein und sind jeden Tag dabei, alles vorzubereiten und zu besorgen. In Zeiten von Corona ist das mit dem Einrichten und Einkaufen gar nicht so einfach, aber wir durchforsten nahezu jeden Internet-Shop (lacht).

In diesen Tagen wird immer wieder an die Solidarität der Fußballstars appelliert und von vielen ein Gehaltsverzicht der Profis gefordert. Wie stehen Sie dazu?

Wir haben da auf jeden Fall eine Vorbildfunktion. Mit dem Verein sind wir da auf einem guten Weg und werden eine gute Lösung in Sachen Gehaltsverzicht finden. Ich kenne bei uns keinen Spieler, der nicht solidarisch mit den Mitarbeitern im Klub und der Gesellschaft ist. In diesem Zusammenhang finde es nicht richtig, dass öffentlich immer nur an die Profifußballer appelliert wird. Wir leben nicht in einer Blase, wie so oft geschrieben wird. Für uns ist die Zeit genauso beklemmend. Die Menschen halten Abstand, weil sie es müssen. Aber es ist schon spooky, dass einem Menschen auf der Straße regelrecht ausweichen, dass fast alles geschlossen ist und sich fast jeder Tag wie ein Sonntag anfühlt. Jeder sieht, welche Herausforderungen es gerade auf der Welt gibt. Und jeder Mensch wünscht sich, dass diese Zeit endlich vorbeigeht. So wie der Gastronom um die Ecke hofft, dass er bald wieder sein Restaurant öffnen kann, hoffen wir Fußballer, dass wir möglichst bald wieder vor der Südkurve jubeln dürfen – am liebsten mit unseren Fans.

Zur Person

Christian Clemens, geboren am 4. August 1991 in Köln, begann beim SC Köln Weiler-Volkhoven. Bereits 2001 schloss sich der Mittelfeldspieler dem 1. FC Köln an. Sein Bundesliga-Debüt gab Clemens am 12. September 2010 beim 1:0-Sieg  im Heimspiel gegen den FC St. Pauli. In der Sommerpause 2013 wechselte er zum FC Schalke 04, in der Winterpause 2014/15 dann auf Leihbasis zum FSV Mainz 05. Die Rheinhessen nutzten 2016 eine Kaufoption. Am 1. Januar 2017 kehrte der Außenspieler zum 1. FC Köln zurück. Sein Vertrag läuft bis zum 30. Juni 2021. Für den 1. FC Köln absolvierte Clemens bisher 149 Pflichtspiele (19 Tore, 21 Torvorlagen). (LW)

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