Er stürmte für den FC und Bayer 04, ist mittlerweile anerkannter TV-Experte: Ex-Nationalspieler Patrick Helmes spricht über das Derby und seinen Werdegang.
Patrick Helmes über seine Ex-KlubsDas muss passieren, damit der 1. FC Köln gegen Bayer 04 Leverkusen eine Chance hat
Patrick Helmes hat den Seitenwechsel geschafft. Nach dem Karriereende war der frühere Nationalstürmer erst als Trainer tätig, mittlerweile ist er allerdings gefragter TV-Experte für RTL und Sky. Am Sonntag (15.30 Uhr) treffen mit dem 1. FC Köln und Bayer 04 Leverkusen zwei Rivalen aufeinander, bei denen sich Helmes bestens auskennt. Schließlich lief der gebürtige Kölner von 2005 bis 2008 für den FC auf, bevor er dann zur Werkself wechselte und von bis 2011 für Bayer 04 auflief. Es war seinerzeit ein Wechsel, für den der Angreifer teilweise heftig angefeindet worden war. Doch das ist Schnee von gestern, zumal Helmes 2013 noch einmal ans Geißbockheim zurückkehrte und mit zwölf Treffern und sechs Torvorlagen seinen Anteil am Wiederaufstieg der Kölner 2014 hatte.
Im Interview spricht Helmes, der am Freitag seinen 40. Geburtstag feiert, über das Derby und die Chancen des FC, über die Metamorphose von Bayer 04, seinen TV-Job und Schicksalsschläge.
Herr Helmes, am Sonntag stehen sich Ihre Ex-Klubs 1. FC Köln und Bayer 04 Leverkusen gegenüber. Beide trennen sportliche Welten. Was würde der Trainer Patrick Helmes den FC-Profis mit auf den Weg geben? Und was der TV-Experte Helmes?
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Patrick Helmes: Das unterscheidet sich gar nicht so. Gegen eine derzeit so überragende Mannschaft wie Bayer wird es für den FC darum gehen, im Zusammenspiel mit den Fans eine absolute Energie zu entfachen. Die Spieler müssen die Stimmung aufsaugen, aber auch von vornherein aus eigenem Antrieb Emotionen freisetzen. Die Mainzer haben es zuletzt in Leverkusen sehr gut gemacht und geschafft, mit ihrer aggressiven Herangehensweise das Bayer-Spiel, dieses krasse Uhrwerk, in vielen Phasen zu zerstören. Die Leverkusener haben Emotionen zugelassen und so ihre eigene Linie verloren, wurden ungeduldig und haben ungewöhnlich viele Fehlpässe gespielt. Aufgabe des FC wird sein, Bayer wieder in diesen emotionalen Zweikampf zu verwickeln. Mainz hat mit Dreierabwehrkette gespielt, hoch gepresst, das könnte auch für den FC mit schnellen Spielern wie Thielmann, Maina oder Alidou der Plan sein.
Der FC hat in 23 Spielen aber erst 17 Treffer erzielt. Wie wollen die Kölner denn gefährlich werden?
Der FC hat zehn von nur 17 Toren nach Standards erzielt. Das zeigt, woran es absolut hapert, aus dem Spiel heraus wird es kaum gefährlich. Aber es zeigt auch, wie etwas gegen Leverkusen gehen könnte. Bayer hat acht der erst 16 Gegentore nach Standards kassiert. Die Kölner müssen viele Fouls ziehen und zu Standardsituationen kommen. Dem FC darf nicht passieren, dass Bayer sein sagenhaftes Ballbesitzspiel aufzieht. Denn dann könnte es gegen so schnelle und technisch beschlagene Spieler wie Flo Wirtz, Frimpong, Grimaldo oder Adli schnell böse enden. Alle Kölner wollen Leverkusen unbedingt die erste Saisonniederlage beibringen, aber dafür wird der FC das Momentum und die Fans benötigen.
Wie beurteilen Sie allgemein die Situation in Köln?
Beim FC ist in dieser Saison schon viel Negatives zusammengekommen. Wer hätte denn im Sommer gedacht, dass Steffen Baumgart an Weihnachten nicht mehr FC-Trainer ist? Für mich war das unvorstellbar. Dass es so gekommen ist, ist schade und eine Niederlage für den Klub. Die Aussage ist jetzt nicht gegen Timo Schultz gerichtet, er ist für mich ein guter Trainer, der die Mannschaft auch stabilisiert hat. Doch Steffen hat den FC über zwei Jahre lang geprägt, er war das Gesicht des Klubs. Er hat es geschafft, mit seiner Art alle einzufangen und hat die Spieler über einen langen Zeitraum auch besser gemacht. Ich hätte mir von den Verantwortlichen gewünscht, dass man Steffen stärkt und ihn davon überzeugt, beim FC weiterzumachen und mit ihm notfalls auch in die 2. Liga geht. Stattdessen ist man peu à peu von ihm abgerückt. Diesen fehlenden Rückhalt hat er gespürt und auch deshalb seine Konsequenzen gezogen.
Ihre Prognose: Wo landet der FC am Saisonende?
Wenn der FC die Relegation erreicht, ist das nach der Saison schon ein „Erfolg“. Auf mich macht Mainz aktuell einen besseren Eindruck. Der neue Trainer Bo Henriksen hat Mannschaft und Verein wachgerüttelt, zudem müssen die Kölner noch nach Mainz. Der FC kann den Abstieg noch verhindern, aber es wird eklig. Sollte er erfolgen, wäre das aufgrund der Transfersperre das Worst-Case-Szenario. Dann bräuchte man viel Überredungskunst, um einige Spieler davon zu überzeugen, mit in die 2. Liga zu gehen.
Und wie groß beziffern Sie die Chancen, dass Bayer 04 endlich die ersehnte Meisterschaft holt?
Bayern darfst du nie abschreiben. Das musste der BVB am 34. Spieltag der letzten Saison schmerzlich erfahren – auch wenn Dortmund den Titel in erster Linie selbst verspielt hat. Aber in dieser Saison fehlen mir bei den Bayern die Leichtigkeit und das Selbstverständnis. Die Leverkusener wissen zwar: Jetzt kommt die Crunch Time, in der sie vielleicht auch anfangen werden nachzudenken. Die Chance, Meister zu werden, ist jetzt greifbar; sie haben jetzt etwas zu verlieren. Aber bei Bayer hat sich viel verändert. Leverkusen spielt nicht nur Pep-Guardiola-Fußball, höchst attraktiv und erfolgreich, sondern Trainer Xabi Alonso hat im ganzen Klub eine neue DNA verankert. Bayer hat nicht nur eine riesige Qualität, sondern mit Xabi und Leadern wie Granit Xhaka auch endlich die Mentalität, um die ganz engen Spiele zu gewinnen. Ich sage im Spaß gerne: Das ist für mich jetzt Bayern Leverkusen. Wenn die Leverkusener nicht die Nerven verlieren, dann werden sie auch Meister.
Sie sind mittlerweile anerkannter TV-Experte. Wie kam der Seitenwechsel zustande?
2015 habe ich meine Spielerkarriere nach meinem Knorpelschaden in der Hüfte beenden müssen. Und hatte mir natürlich überlegt, wie ich meine Zukunft gestalten will. Ich habe den Trainer-Weg eingeschlagen und alle Trainerscheine und am Ende auch die Fußballlehrer-Lizenz erworben. Bei meinen Trainerjobs konnte ich viele Erfahrungen sammeln – neben positiven auch welche, auf die ich gerne verzichtet hätte. Ende 2015 war ich mit meinem Kumpel Oliver Pocher eher zufällig zu Gast beim Fantalk von Sport1. Das hatte mir richtigen Spaß gemacht, es wurden Kontakte geknüpft. Danach analysierte ich erstmals Spiele bei Sport1, vereinzelt kamen Gastauftritte bei Sky und Dazn dazu. Ich durfte neben meiner Trainertätigkeit reinschnuppern und merkte, dass ich da, wo ich gerade bin, mich absolut richtig fühle und es mir großen Spaß bereitet.
2022 landeten Sie schließlich bei RTL. Wie kam das zustande?
Der Kontakt kam über Thomas Sossna (langjähriger Leitender Redakteur bei RTL Sport, Anm. d. Red.) zustande. Wir trafen uns, tauschten uns aus, die Chemie stimmte. Der FC war im internationalen Geschäft – ein sehr schöner Zufall für mich. Wir vereinbarten, es mal zu probieren. Meine RTL-Premiere feierte ich dann im Spiel der Kölner in den Playoffs zur Conference League gegen Fehervar. Ich habe den FC dann bei den internationalen Spielen begleitet. Das war der Türöffner. Ich bin Thomas heute noch sehr dankbar. Seit Oktober 2023 bin ich zudem für Sky tätig. Ich bin überzeugt, dass der Weg sich richtig anfühlt.
Wie haben Sie den Wechsel vom Rasen an den Spielfeldrand empfunden?
Ich habe einen Vorteil: Ich kann ein relativ großes Spektrum abdecken. Ich war Profi, dann Trainer: Ich verstehe also die Zusammenhänge und weiß, wie sich Profi-Sportler in gewissen Situationen fühlen. Was ich aber schnell gemerkt habe: Es ist nicht einfach mal so gemacht! Du musst dich auf die Sendungen sehr stark vorbereiten, vor allem, wenn es taktisch richtig in die Tiefe geht und viele Informationen zusammenkommen.
Haben Sie Druck oder Nervosität vor der Kamera verspürt?
Wenn ich mich an die Anfänge meiner Spielerkarriere erinnere, dann waren meine ersten TV-Interviews zum Fremdschämen (lacht). Aber man lernt ja dazu, wird immer erfahrener. Seit einigen Jahren nehme ich die Kameras nicht mehr als etwas wahr, das mich beeinflusst. Ich denke, ich bin ein lockerer Typ, der sich auch artikulieren kann. Ich hatte „Training“ bei Florian König, auch Marcel Reif hat mir so manchen Tipp gegeben. Das hat mit Sicherheit geholfen das es aktuell so gut klappt.
Wer sind für Sie gute Experten?
Da gibt es einige: Sandro Wagner, Chris Kramer, Matthias Sammer, früher Mehmet Scholl. Natürlich Lothar Matthäus, der sich zum herausragenden Experten entwickelt hat.
Sie sprachen Ihre turbulente Zeit als Trainer an. Was hat diese mit Ihnen gemacht?
Ich weiß, wie das Geschäft funktioniert und dass Trainer keine Zauberer sind – auch wenn manche das vielleicht erwarten. Und dass es auch Ereignisse geben kann, mit denen man nie rechnet. Nach meiner Spielerkarriere bekam ich beim FC die Chance und war fast zwei Jahre als Assistent und Chefcoach der zweiten Mannschaft tätig. Im März 2017 wurde mein Vertrag bis Juni 2021 verlängert. Doch dann folgte die Tragödie um meinen damaligen Assistenten. Uwe Fecht erlitt in meinem Trainerbüro einen Herzinfarkt. Wir haben alles versucht, doch Uwe hat es leider nicht geschafft. Ich fühlte mich nicht mehr in der Lage, am Geißbockheim, in unserem Büro, einfach weiterzuarbeiten, als ob nichts passiert sei. Ich legte mein Amt auch mit dem Wissen nieder, dass es mein absoluter Traumjob war.
Nach ein paar Monaten stiegen Sie allerdings wieder ins Trainergeschäft ein.
Ja, um das Geschehene zu verarbeiten, ließ ich mich zu Rot-Weiß Erfurt ausleihen. Es folgten später Engagements im Nachwuchs von Bayer 04 Leverkusen, bei Admira Wacker Mödling in Österreich, bei Alemannia Aachen oder bei meinem Heimatverein Sportfreunde Siegen. Da waren einige Vereine dabei, bei denen die Erwartungshaltung und das Spiegelbild der aktuellen Situation nicht zueinander passten. Mein erster Rausschmiss in Aachen hat mir sehr weh getan, Alemannia ist ein toller Klub. Mein letzter Job in Siegen war eher ein Freundschaftsdienst, den ich im Nachhinein gesehen gar nicht erst hätte antreten dürfen. Die Trainer-Zeit dort war sicherlich mein schwierigster Job.
Als Sie in Österreich tätig waren, erlebten Sie wieder einen Moment, dem man keinem wünscht. Sie waren mit Ihrer Familie mittendrin, als im November 2020 in der Wiener Innenstadt bei einem islamistischen Terroranschlag vier Menschen getötet wurden.
Das war wie im Film. Wir wollten kurz vor dem erneuten Corona-Lockdown mit meinem Staff noch ein Restaurant am Schwedenplatz in Wien besuchen. Wir waren mittendrin, 15 Meter von dem Anschlag entfernt, hörten Schüsse vor dem Lokal. Mit unseren Freunden verbarrikadierten wir uns die ersten Stunden in einem Müllraum des Restaurants, dann ging es für zwei weitere Stunden unter die Küche auf den fettigen Boden und später noch im Restaurant unter die Tische! Wir mussten bis 3 Uhr ausharren, dann durften wir als erstes nach Hause fahren, da wir Kleinkinder dabeihatten. Das war eine absolute Ausnahme- und Stresssituation mit Bildern von Menschen in Todesangst. Das macht was mit einem, natürlich auch mit der Familie. Wir waren einfach zur falschen Zeit am falschen Ort.