„Macht Spaß, den FC zu sehen“Funkel über Kölns Entwicklung und die Europa-Chancen

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Gefragter Experte: Ex-FC-Trainer Friedhelm Funkel (68)

Köln – Herr Funkel, vor genau einem Jahr stand dem 1. FC Köln das Wasser bis zum Hals. Sie schafften als Interimstrainer der Kölner doch noch die Rettung. Denken Sie da heute manchmal noch zurück? Friedhelm Funkel: Ja, das werde ich nicht vergessen. Es waren unglaublich intensive, schöne Wochen mit einem großen Happy End. Und schön ist zudem, dass auch die Menschen in Köln diese Zeit nicht vergessen haben. Wenn ich mit meiner Frau in der Stadt bin, ob zum Einkaufen, zum Restaurant-Besuch oder natürlich im Stadion, dann werde ich darauf fast jedes Mal angesprochen. Viele bedanken sich. Mein Nachfolger Steffen Baumgart macht beim FC natürlich einen überragenden Job, aber es ist unwahrscheinlich schön, dass die Fans nicht vergessen haben, wie wichtig der Klassenerhalt war. Aber das gilt auch für den Verein. Wenn ich Karten möchte, dann bekomme ich schon welche (lacht).

Viele sagen, dass damals ohne den überraschenden 2:1-Sieg über RB Leipzig der Klassenerhalt nicht mehr zu schaffen gewesen wäre. Sehen Sie das auch so?

Ja, er war der Brust- und Stimmungslöser. Und natürlich hatten wir bei dem Spiel auch Glück und einen überragenden Doppel-Torschützen Jonas Hector. Aber nach dem Abpfiff war der Glaube absolut zurück, den Klassenerhalt doch noch schaffen zu können. Das hat man dann auch beim nächsten Spiel in Augsburg gesehen, als wir zur Pause mit 3:0 führten. Leipzig war der Knackpunkt. Es ging fast schon um alles. Auch für den Klub. Ich will nicht sagen, dass es um die komplette Existenz des 1. FC Köln ging, aber es ist ja bekannt, dass der Verein nicht auf Rosen gebettet ist. Ein erneuter Abstieg hätte den FC um Jahre zurückgeworfen, die Mannschaft hätte zudem Schlüsselspieler verloren. Der FC hätte erneut vor einem kompletten Neuaufbau gestanden. Und das mitten in Corona-Zeiten, in denen der Verein ohnehin schon große Verluste wegstecken musste. Und der FC wäre dann in einer 2. Bundesliga gewesen, in der gleich mehrere Traditionsvereine wie Schalke, Bremen, St. Pauli, Nürnberg oder der HSV erbittert und dem Aufstieg kämpfen. Ich denke, der Klassenerhalt im vergangenen Jahr war deshalb der wichtigste in der Vereinsgeschichte. Aber an dem haben am Ende viele Personen ihren Anteil.

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Jetzt reden wir über eine ganz andere Situation. Der FC kann sich nach zwei Fast-Abstiegen doch tatsächlich für den Europapokal qualifizieren…

…und ich bin überzeugt, dass das auch gelingen wird. Ich habe die letzten vier Spieltage mal ein bisschen durchgetippt. Der FC wird auf Platz sechs und damit direkt in der Europa League landen. Der FC wird beide Heimspiele gegen Bielefeld und Wolfsburg mit 50.000 Fans im Rücken gewinnen und kann sich auswärts sogar eine Niederlage leisten. Ich tippe darauf, dass der FC und Union am Ende punktgleich sind und die bessere Tordifferenz den Ausschlag zugunsten der Kölner gibt.

Wenn Sie das so prophezeien, dann kann ja nichts mehr schiefgehen. Aber im Ernst: Hatten Sie nur im Ansatz mit dieser Entwicklung des FC gerechnet?

Die Mannschaft war auch in der vergangenen Saison besser, als sie es über weite Strecken gezeigt hatte. Und vor allem ist sie charakterstark und eine Einheit, das hatte ich bereits erfahren dürfen. Ich war zu Beginn der Saison überzeugt, dass sich der FC diesmal keine Sorgen machen muss. Die Mannschaft wurde gut und sinnvoll mit Spielern wie Dejan Ljubicic, Timo Hübers oder Rückkehrer Mark Uth verstärkt. Dass der FC aber derart performt, das hätte ich auch nicht für möglich gehalten. Ich hätte auch nicht erwartet, dass Anthony Modeste noch mal so zurückkommt und mit seinen vielen Toren zum Unterschiedsspieler wird. Bei Tony ist die Fitness noch einmal wichtiger als bei anderen Spielern. Es ist überragend, wie es das Trainerteam um Steffen geschafft hat, Tony körperlich so in die Spur zu bekommen. Überhaupt muss ich Steffen ein Kompliment machen. Er ist der Schlüssel zum Erfolg. Die Spieler folgen ihm und seinem mutigen Weg. Sie sind selbstsicherer geworden. Das beste Beispiel ist doch Salih Özcan, der sich unglaublich toll entwickelt hat. Man merkt einfach, dass es zwischen Mannschaft und Trainerteam stimmt. Es macht Spaß, den FC so spielen zu sehen. Jetzt reitet er auf einer Welle der Begeisterung und wird von den Fans getragen, die in der vergangenen Saison noch fehlten. Auch diese Unterstützung darf man nicht vergessen.

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Baumgarts auslaufender Vertrag wurde aber weiter nicht verlängert. Ein Problem?

Ich bin überzeugt, dass die Verantwortlichen wissen, was zu tun ist. Steffen fühlt sich in Köln unglaublich wohl, und Köln ist mit Steffen glücklich. Er reißt die Leute mit. Es passt einfach, deshalb gehe ich von einer Einigung aus.

Was für ein Spiel erwarten Sie am Samstag gegen Bielefeld, das am vergangenen Mittwoch  einen Trainerwechsel vorgenommen hat?

Natürlich wird die Partie kein Selbstläufer, davor wird Steffen seine Mannschaft und das Umfeld schon warnen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass der Trainerwechsel in Bielefeld nun der entscheidende Impuls ist. Es steht ja weiterhin ein Trainer in der Verantwortung, der bereits vorher zum Trainerteam gehörte. Ich persönlich habe es in den all den Jahren noch nie erlebt, dass auf einmal der Torwarttrainer zum Cheftrainer befördert wird. Da muss die Not schon groß sein. Zudem strotzt der FC vor Selbstvertrauen, deshalb glaube ich nicht, dass da am Samstag etwas anbrennen wird. Mein Herz schlägt jedenfalls für den FC.

Und was ist mit Ihrem Trainerherzen? Gibt es doch noch einmal eine Rückkehr auf die Trainerbank?

Es bleibt dabei: Ich will nicht ausschließen, noch einmal irgendwo tätig zu sein. Aber sicherlich nicht zu weit weg von meiner Heimat und ganz sicher nicht über eine ganze Saison. Ich war fast ein halbes Jahrhundert im Profifußball tätig und bin mittlerweile in einem Alter, in dem ich mein Leben genießen darf und auch will.

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