Europapokal, TV-Geld, KaderHilft die Euphorie dem 1. FC Köln auch finanziell?

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FC Jubel Derby 160422

Siegesjubel beim Derbysieg: FC-Coach Steffen Baumgart (r.), Marc Uth und Florian Kainz

Köln – Die Euphorie rund um den 1. FC Köln ist derzeit enorm. Sie war auch am Mittwoch deutlich zu spüren, als 500 Fans das Training der Mannschaft von Steffen Baumgart verfolgten. Im Falle einer Qualifikation für den Europapokal würde die Begeisterung gewiss sogar noch weiter ansteigen. Denn vier Spieltage vor Saisonende hat der Tabellensiebte alle Chancen, das neu ausgerufene Ziel zu erreichen. Doch bereits der Erfolg in der Bundesliga sorgt für zusätzliche Einnahmen, die für den Verein nach dem coronabedingten Umsatzverlust von über 85 Millionen Euro von essenzieller Bedeutung sind. Ein Überblick über die finanzielle Situation im Austausch mit FC-Geschäftsführer Philipp Türoff.

TV-Geld-Tabelle

In der aktuellen Saison erhielt der 1. FC Köln 38,95 Millionen Euro. Da vor allem die Ergebnisse der vergangenen fünf Jahre in die Bewertung der TV-Geld-Tabelle (Verteilung der nationalen Fernsehgelder) einfließen, liegt der Klub  nur auf Platz 15. Einzig Bielefeld (16.), Bochum (17.) und Fürth (18.) sind schlechter platziert. Doch die Kölner können realistisch betrachtet noch den FC Augsburg (13.) und VfB Stuttgart (12.) überholen, müssen dafür aber jeweils fünf Plätze vor den Klubs stehen. Schalke und Bremen bleiben auch im Aufstiegsfall definitiv hinter dem FC. Für jeden gut gemachten Platz im TV-Ranking würden die Kölner rund 2,3 Millionen Euro extra kassieren.

Qualifikation für den Europapokal

Für den Einzug in die Gruppenphase der Europa League erhält jeder Klub von der Uefa 3,63 Millionen Euro, dazu kommen noch Prämien aus dem Marktpool, andere Boni und mögliche Erfolgsprämien (630.000 Euro pro Sieg, 210.000 Euro pro Unentschieden). In der neu geschaffenen Conference League beträgt die Startprämie 2,94 Millionen Euro (500.000 pro Sieg, 166.000 pro Remis). In der K.o.-Phase steigern sich die Prämien von Runde zu Runde weiter. Dazu kommen die Zuschauereinnahmen.

Alles zum Thema Steffen Baumgart

Der Europapokal wäre in Köln ein Publikumsmagnet. In der Bundesliga spült jedes mit 50.000 Zuschauer ausverkaufte Heimspiel dem Klub rund 1,8 Millionen Euro in die Kassen. „Die Mannschaft hätte es nach dieser überragenden Saison verdient, in der kommenden Spielzeit international zu spielen. Wir freuen uns sehr über die sportliche Entwicklung – auch wenn uns die tolle Punkteausbeute natürlich auch etwas kostet und Prämien fällig werden“, sagt Philipp Türoff.

Prämien erhalten aber nicht nur die Spieler, auch Trainer Baumgart bekommt im Fall einer Teilnahme am Europapokal rund 100.000 Euro zusätzlich. Der FC-Geschäftsführer erklärt: „Sollten wir uns für Europa qualifizieren, wäre das in erster Linie ein taktischer Vorteil. Wir wollen eine attraktive Bühne für entwicklungsfähige Spieler sein. Wir wollen Spieler für uns gewinnen, die an den FC glauben, die an unsere Story glauben. Und die Freude daran haben, in einem vollen, stimmungsvollen Stadion zu spielen. Da wäre die Europapokal-Teilnahme  ein zusätzliches Argument für uns.“ Türoff stellt klar, dass die Extra-Einnahmen keine seien, um auf dem Transfermarkt in Offensive zu gehen: „Das wäre das völlig falsche Signal.“

Bundesliga-Heimspiele

Dank der Öffnungsschritte seitens der Politik seit März wird der FC doch noch fünf ausverkaufte oder fast ausverkaufte Heimspiele vermelden können und am Ende über der eigenen Zuschauer-Kalkulation landen. Die Hinrunde schloss der FC über Plan ab (rund 285.000 Zuschauer statt 165.000). „Unsere Zuschauer-Kalkulation war vorsichtig, aber seit März können wir wieder optimistischer planen“, sagt Türoff.

Durch die zwischenzeitlichen   Restriktionen fehlt zwar immer noch viel Geld in der Kasse, allerdings kann Türoff erstmals verkünden: „Auf einen Notfall-Plan mit weiteren Maßnahmen zur Gegensteuerung können wir im letzten Quartal des Geschäftsjahres dank der nun wieder höheren Einnahmen bei Heimspielen verzichten. Ich würde sagen: Die Blutung ist gestoppt, wir stehen wieder stabiler da.“

Finanzsituation

„Die Maßnahmen, die getroffen worden sind und auch getroffen werden mussten, sind bekannt“, sagt Türoff. So gab der Klub – vereinfacht gesagt – Genussrechte  und zukünftige Sponsoring-Einnahmen schon aus. „Das letzte Quartal fällt durch die Zuschauer-Einnahmen aber wieder besser aus. Wir wollen das Geschäftsjahr 2021/22 so zum Abschluss bringen, dass wir weiterhin über ein knapp positives Eigenkapital verfügen. Dann wären wir mit einem blauen Auge davongekommen“, erklärt Türoff.

Kaderplanung

Der Etat wird von rund 58 Millionen Euro auf 46 Millionen Euro gekürzt.„Ein gutes Stück Zukunft wurde schon verfrühstückt“, sagte bereits der neue Sport-Geschäftsführer Christian Keller und wurde konkret: „Es wird laut Planung den geringsten Personalaufwand der Profi-Abteilung geben, den der FC in den letzten Jahren hatte – knapp 20 Prozent weniger als in der laufenden Saison.“ Für Keller und den Klub  gilt es, mit Leistungsträgern wie Salih Özcan (24) zu verlängern oder die Zukunft von Top-Torjäger Anthony Modeste (34) und Jonas Hector (31) zu klären.

Alle Verträge laufen 2023 aus. „Wir sind absolut handlungsfähig, können uns aber keine großen Sprünge erlauben. Wenn Spieler hier performen und gute Leistungen abliefern, dann werden sie auch gut bezahlt“, sagt Türoff. Modeste, der bis Saisonende wissen will, ob er einen neuen Kontrakt erhält und medial in die Offensive ging, ist  über alles im Bilde. „Wir haben da eine ganz klare Haltung, die wir mit Tony auch abgestimmt haben. Wir haben keinen Druck, lassen uns auch von keinem unter Druck setzen. Tony steht noch bis 2023 bei uns unter Vertrag. Das Thema stellt sich für uns aktuell nicht“, sagt Türoff.

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Auch der Kontrakt des Trainers endet 2023. Der FC will mit Steffen Baumgart verlängern, der Chefcoach hat angekündigt, bleiben zu wollen. Türoff rechnet mit einer Einigung in Kürze: „Ich habe Steffen Baumgart nur so kennengelernt: Er ist ein Mann, der zu seinem Wort steht. Wenn ein Trainer solch eine Leistung abliefert und so gut zum Verein passt, dann werden wir uns für ihn auch strecken. Wir alle sind zuversichtlich, dass wir uns mit ihm auf eine weitere Zusammenarbeit über 2023 hinaus einigen werden.“

Transfers

Es gibt einen gewissen Spielraum. Erst recht, wenn der FC Ablösen im Fall von Spielerverkäufen generiert und/oder einige Top-Verdiener von der Gehaltsliste bekommt. Ellyes Skhiri bleibt weiter ein Wechsel-Kandidat, es halten sich die Gerüchte, dass Dortmund und Leverkusen an dem Mittelfeldspieler interessiert seien. Auch für den  Verteidiger Timo Hübers gibt es  einen Markt – vor allem in England. Und bleiben Modeste, Timo Horn, Ondrej Duda, Sebastian Andersson?

Türoff sagt: „Wir haben die  Möglichkeiten, die Mannschaft zu verstärken. Aber wir können auch  nicht jeden Irrsinn mitmachen.“ Es gilt, auch mit anderen Faktoren zu punkten: „Der 1. FC Köln ist ein hochattraktiver Verein für viele Spieler, der eine gute Story schreibt – das kann gerade auch jeder sehen.“

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