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„Rasen bekommt Ehrenplatz“Platzsturm mit großen Emotionen – Partystimmung auf Kölner Ringen

Lesezeit 6 Minuten
Fans jubeln: Autocorso auf den Ringen nach dem Aufstieg in die erste Bundesliga des 1. FC Köln

Fans jubeln: Autocorso auf den Ringen nach dem Aufstieg in die erste Bundesliga des 1. FC Köln

Erst der Jubel im Stadion, dann die Party auf den Ringen. Unsere Reportage zum Aufstiegs-Sonntag.

Der Rasen drinnen dürfte ziemlich gelitten haben, nicht nur unter dem intensiven Spiel der Fußballer, sondern auch unter der Lust der Fans, ein besonderes Souvenir zu ergattern von diesem denkwürdigen Sonntag im Rhein-Energie-Stadion. Um 17.23 Uhr tönt die FC-Hymne zum zweiten Mal aus dem Stadionrund. Der 1. FC Köln hat den direkten Wiederaufstieg in die erste Fußball-Bundesliga geschafft und sich zudem die Zweitligameisterschaft geholt.

Fans strömen nach draußen, während drinnen noch gesungen wird. Die Sonne scheint, die Stimmung ist gelöst. Die Polizeimannschaften rund ums Stadion haben nicht viel zu tun, der Rasenklau interessiert sie nicht. Viele Fans tragen das Grün ehrfürchtig auf der flachen Hand heraus. Lazar und sein Vater zum Beispiel.

Sie sind noch geflasht vom Erlebnis im Stadion, von den Emotionen, dem 4:0-Sieg gegen Kaiserslautern, dem Platzsturm der Fans. „Da waren schon klaffende Löcher im Rasen, da konnte man sich einfach was nehmen“, sagt Lazar. Ein strahlender Junge, Malte, hat auch zwei Stücke Rasen ergattert. Sogar mit weißer Linienfarbe darauf. Was er damit machen will? „Ich pflanze den in einen Blumentopf und gieße ihn regelmäßig. Der bekommt einen Ehrenplatz in meinem Zimmer.“

Köln-Fan mit Stück Rasen in der Hand

Köln-Fan mit Stück Rasen in der Hand

FC-Fans auf dem Weg ins Stadion mit der Linie 1

So geht für ihn und viele andere ein aufregender Tag glücklich zu Ende. Auf der anderen Seite Kölns, kurz hinter der Stadtgrenze an der Bahnhaltestelle der Linie 1 in Refrath Lustheide, herrscht um 13.30 Uhr eine Mischung aus Anspannung und Vorfreude. Es geht los. Wer hier auf die Bahn in Richtung Weiden wartet, trägt Trikot oder Schal in den FC-Farben. Michael ist bereits in Feierlaune, er hat gerade noch das Finale der A-Junioren-Bundesliga im Fernsehen verfolgt. Der FC-Nachwuchs hat sich in einem dramatischen Spiel mit 5:4 gegen Leverkusen durchgesetzt.

Treffen der aktiven Fanszene ab 11 Uhr an der Jahnwiese hinter der Südkurve des Rhein-Energie-Stadions unter dem Motto

Treffen der aktiven Fanszene ab 11 Uhr an der Jahnwiese hinter der Südkurve des Rhein-Energie-Stadions unter dem Motto

Wenn das kein gutes Omen ist. Knapp zwei Stunden später wird der Titel des Nachwuchses kurz vor dem Anpfiff auch im Stadion gefeiert. Draußen vor den Toren der Arena dringt den gemütlich auf der Wiese campierenden Grüppchen der Jubel schon jetzt durch Mark und Bein. Über der Arena steigt der rote Rauch der Bengalos in einen wolkigen Himmel. Um 14.30 hatte die Bahn, inzwischen pickepacke voll mit Menschen und Gerüchen, Michael und einen Schwung weiterer Fans am Stadion ausgespuckt. Darunter einige Anhänger des 1. FC Kaiserslautern, die fröhlich vom Aufstieg sangen.

Da wussten sie ja noch nicht, dass ihre Hoffnung nach dem Anpfiff nur noch 14 Minuten währen durfte, dann fällt das erste Tor für Köln. Auf dem Weg zwischen Bahnhaltestelle und Stadion steht Julien, er trägt seine sechsjährigen Zwillinge Emil und Till auf den Schultern und ermahnt sie beständig, das Pappschild auch ja hochzuhalten. Darauf steht: „Suche Ticket.“ Und wenn es nicht klappt: „Dann gehen wir auf den Spielplatz oder gucken das Spiel im Fernsehen“, sagt Emil. Um 15.24 Uhr schallt die FC-Hymne zum ersten Mal aus dem Stadion heraus. Draußen sitzen Nadien und Renate auf einer Bank. Nadien wartet auf ihren 13-jährigen Sohn, der als Jugend-Schiedsrichter ein Ticket ergattert hat.

18.05.2025
Köln: 
Fußball, 2. Bundesliga, 1. FC Köln: Das Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern entscheidet über den Aufstieg in die 1. Fußball-Bundesliga.
Knobelbecher mit Stammtisch Knobel-Böcke-Rut-Wiess
Herbert, Sandy und Jörg
(Sandy war 1994 Cheerleader beim FC)
3:0
Foto: Martina Goyert

Fans im Knobelbecher im Belgischen Viertel: Hier der Stammtisch Knobel-Böcke-Rut-Wiess mit Herbert, Sandy und Jörg. Sandy war 1994 Cheerleader beim FC. Beim 3:0 bricht Jubel aus.

Fans vor dem Stadion: „In Köln ist die Stimmung schon immer am schönsten“

Renate hat Sohn und Enkel im Stadion sitzen und will „nicht alles verpassen“. Auch wenn sie das Spiel und die vier Treffer des FC nur akustisch verfolgen können, mangelt es ihnen draußen nicht an Unterhaltung. Auf der Bank gegenüber sitzen ein paar Fans, die schon etwas zu viel Kölsch zu sich genommen haben. Einem fällt bei jedem zweiten Husten das Gebiss aus dem Mund. Nach dem 2:0, als die beständige Geräuschkulisse aus dem Stadion wieder mal in lauten Jubel übergeht, sagt Nadien: „Ich bekomme schon wieder Gänsehaut.“ Renate befindet: „In Köln ist die Stimmung schon immer am schönsten.“ 

18.05.2025, Köln: Aufstiegsfeier mit Autocorso auf den Kölner Hohenzollernring.Foto:Dirk Borm

Menschenmengen und Bengalos auf den Ringen.

In der Innenstadt gibt es nach Abpfiff traditionell nur ein Ziel für die Fans: Das so genannte Betonauto auf dem Hohenzollernring. Doch zum „Ruhenden Verkehr“, wie das Kunstwerk von Wolf Vostell heißt, kommt es erst mal nicht. Als die Polizei einer auf dem Kunstwerk tanzender Fangruppe eine große Fahne wegnehmen will, kommt es zu heftigen Diskussionen. „Habt doch ein bisschen Fingerspitzengefühl. Wir haben uns so sehr auf diesen Moment gefreut“, appelliert ein Mann an die Beamten. Doch denen ist an der Sicherheit der Feierenden gelegen. Schließlich einigt man sich: Die Fahne bleibt, und die Fans rennen nicht mehr zwischen den Autos hin und her. Zunächst einmal.

Fans: „Jetzt feiern wir einfach. Und nächste Saison greifen wir die Champions League an“

Während sich die Jubelszenen auf den Ringen mit denen von vorangegangenen Aufstiegen ähneln, weist die abgelaufene Saison mit früheren Zweitliga-Erfolgen kaum Gemeinsamkeiten auf. Gab es in den Spielzeiten unter Trainern wie Ewald Lienen oder Huub Steevens oder Peter Stöger größtenteils ansehnliche und überlegene Siege, so stand der aktuellen Mannschaft oftmals Glücksgöttin Fortuna zur Seite: Viele Spiele wurden mit 1:0 knapp gewonnen, Torchancen reihenweise versemmelt. Wäre die 2. Liga fußballerisch nicht so unerwartet schwach wie in dieser Saison gewesen, sind sich viele Experten einig, hätte der FC mit dem Aufstieg nichts zu tun gehabt.

All das ist den Fans an diesem Nachmittag egal. „Jetzt feiern wir einfach. Und nächste Saison greifen wir die Champions League an“, meint Amer (34) augenzwinkernd. Arno (63) hat einen halbes Fußball-Leder als Kopfbedeckung gewählt, natürlich in rut-wieß: „Man weiß ja schon gar nicht mehr, wie oft man auf und abgestiegen ist. Hoffentlich hört das jetzt mal auf mit dem Auf und Ab. Was aus den Kommentaren der FC-Fans unisono hervorgeht: Der erste Fußball-Klub Köln gleicht nach wie vor einer großen Liebe, die in den vergangenen Jahren jedoch – angefangen durch die Entlassung von Trainer Steffen Baumgart und der gerichtlich auferlegten Transfer-Sperre von zwei Spielzeiten – auf die bislang wohl härteste Probe gestellt worden ist.

Fans auf der Jahnwiese

Fans auf der Jahnwiese

Pessimisten hatten dem Verein gar den Abstieg in die dritte Liga prophezeit, in dem sie an den Niedergang des ehemaligen Champions-League-Teilnehmer Schalke 04 erinnerten, der auch in dieser Saison mit Ach und Krach den Klassenerhalt geschafft hat – in Liga zwei.

Kneipen waren überfüllt: Die Tränen flossen im Knobelbecher

Doch der FC ist und bleibt spürbar anders: Wohl jede Kneipe, die das Spiel zeigte, war voll bis überfüllt. Am Klettenberger Hof wurde kurzerhand ein Public Viewing veranstaltet, mehr als 100 Gäste kämpften bei Sonnenschein, auf dem Fernseher irgendetwas erkennen zu können. Was allerdings schnell ersichtlich wurde: An diesem Tag würde es nicht mit dem Teufel zugehen, der FC ließ sich auch durch Waldschmidts nicht verwandelten Elfmeter aus der Erfolgsspur bringen.  Als der Schlusspfiff ertönte, flossen im Knobelbecher Tränen. Wirtin Uschi war völlig aufgelöst und glücklich. „Tja, jetzt ist dein Tattoo fällig“, rief ihr ein Gast zu.

An der Zülpicher Straße explodieren gegen 17.30 Uhr vereinzelt Böller. Vor der Kneipe „Kwartier“ jubeln die Fans und stimmen „Wenn et Leech usjing em Roxy“ an – eine Erinnerung an den Aufreger der Woche, als Stürmer Tim Lempele im „Rhein Roxy“ volltrunken in eine Schlögerei geraten war. Aus dem Joe Champs am Rudolfplatz grüßen aus den Lautsprecherboxen die Bläck Fööss mit einem stimmgewaltigen Chor: „Mer sin die Weltmeister vom Rhing.“

Auf den Ringen nimmt gegen 18.30 Uhr das Autokorso an Fahrt auf, das die Polizei am Rudolfplatz über die Aachener Straße ableitet. Der Hohenzollernring ist jetzt in Richtung Friesenplatz gesperrt. Auf dem Betonauto wird weiter getanzt, gesungen und gefeiert. Auch Fans in Trikots von Galatasaray Istanbul sind dabei. Die Frage nach dem Warum stellt sich erst gar nicht. „Dat es Kölle! Geil!“, ruft ein Mann im Geißbock-Trikot und stimmt mit einem Istanbul-Fan in die wohl am häufigsten gesungene Floskel des Abends ein: „Nie wieder, zweite Liga…“