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Analyse der Kölner DerbypleiteDer FC hadert mit dem VAR und mit sich selbst

8 min
Die enttäuschten FC-Profis bedankten sich nach dem 1:3 in Mönchengladbach bei ihren mitgereisten Fans.

Die enttäuschten FC-Profis bedankten sich nach dem 1:3 in Mönchengladbach bei ihren mitgereisten Fans. 

Der 1. FC Köln hat in Mönchengladbach zwar viel Ballbesitz, kann damit aber zu wenig anfangen und verliert das Spiel wegen mehrerer höchst unglücklicher Situationen 1:3. 

Das Wichtigste zuerst

Es war ein Abend, den sich alle im Kölner  Lager ganz anders vorgestellt hätten. Denn die Niederlage beim Erzrivalen war nicht unbedingt notwendig. Doch die Borussia erwies sich über weite Strecke nicht als die bessere, aber in den entscheidenden Situationen effizientere Mannschaft als der FC, der zudem mit den Elfmeter-Entscheidungen von Schiedsrichter Deniz Aytekin nach Eingriff des Videoschiedsrichters haderte (siehe Tore). Insgesamt gab es im Derby sogar drei Elfmeter, zwei davon verursachte Kölns Kristoffer Lund.

In die Länderspielpause wird der Aufsteiger aller Voraussicht nach als Tabellenneunter gehen, es sei denn, Eintracht Frankfurt verliert am Sonntag deutlich daheim gegen Mainz. 14 Punkte nach zehn Spielen sind eine sehr ordentliche Ausbeute für den Bundesliga-Aufsteiger. Aber man wird das Gefühl nicht ganz los, dass sogar noch mehr drin gewesen wäre. Das galt auch und speziell für den Samstagabend am Niederrhein.

Die Tore

Gladbach ging in der zweiten Minute der Nachspielzeit des ersten Durchgangs 1:0 in Führung. Vorausgegangen war allerdings ein Elfmeter für die Borussia, der fragwürdig war, und ohne den die Borussia nicht den fatalen Eckstoß erhalten hätte. Im Strafraum hatte Kristoffer Lund Gladbachs Franck Honorat zwar umgerannt, doch zuvor war der Kölner von Borussias Verteidiger Joe Scally geschoben worden, so dass er gar nicht ausweichen konnte. Der Videoschiedsrichter schaltete sich dennoch ein. Schiedsrichter Deniz Aytekin bekam einen Hinweis und schaute sich die Szene auf dem Bildschirm in der Review-Arena an. Der Unparteiische entschied auf Elfmeter.

Den Versuch von Haris Tabakovic parierte FC-Torhüter Marvin Schwäbe stark. Doch nach der dann folgenden Ecke ging die Fohlenelf doch noch in Führung. Die Kölner bekamen in der Luft den Ball gleich mehrfach nicht geklärt. Tabakovic legte etwas glücklich für Philipp Sander ab, der im linken Halbraum an den Ball kam, mit links abzog. Abgefälscht landete der Ball im langen Toreck.

In der 62. Minute erhöhten die Gladbacher auf 2:0 – wieder nach einem umstrittenen Elfmeter. Kristoffer Lund war nach einem weiten Einwurf der Hausherren der Ball an die linke Hand gesprungen. Erneut lief das Spiel erst einmal weiter. Doch der Videoschiedsrichter schaltete sich zum zweiten Mal ein, und wieder entschied Schiedsrichter Aytekin auf Elfmeter. Diesen verwandelte Kevin Diks in die rechte Ecke zum 2:0, erneut hatte Schwäbe die Seite geahnt, doch dieses Mal streckte er sich vergeblich.

Nur zwei Minute später gelang Borussia mit dem 3:0 die Vorentscheidung. Nach einem Ballverlust von Cenk Özkacar sprintete Franck Honorat dem Kölner auf der rechten Seite davon. Dann zog der Franzose in die Mitte, sah den mitgelaufenen Haris Tabakovic, der den Ball nur noch ins leere Tor schieben musste, da Schwäbe zwecks Rettungsversuches bereits aus dem Kasten war.

In der zweiten Minute der Nachspielzeit bekam der FC dann selbst einen Elfmeter zugesprochen. Gladbachs Lukas Ullrich schubste Kölns Stürmer Ragnar Ache im Strafraum – es war ebenfalls eine fragwürdige Elfmeter-Entscheidung. Luca Waldschmidt nahm sich der Sache an und verwandelte halbhoch mit einem strammen Schuss und verkürzte so auf 1:3.

Das war gut

Auch nach dem 0:3 hisste der FC nicht die weiße Fahne. Jakub Kaminski hatte mit einem Lattenschuss Pech (65.). Kurz vor dem Ende erzielte dann noch der eingewechselte Luca Waldschmidt mit einem traumhaften Schuss das vermeintliche 3:0, doch wieder sollte es nicht sein. Denn Ragnar Ache, der per Kopf abgelegt hatte, stand zuvor im Abseits. Danach verkürzte Waldschmidt doch noch vom Punkt.

Das war schlecht

Aus Kölner Sicht der Gladbacher Doppelschlag in der 62./64. Minute. Denn nach personellen Umstellungen und zwei Wechseln kam der FC eigentlich ganz gut und endlich mit mehr Druck aus der Pause, doch dann entschieden die Borussen die Partie. Während man die Aktion von Lund, die zum Elfmeter geführt hatte, noch als unglücklich bezeichnen konnte, sind Fehler wie der schlimme Ballverlust vor dem 0:3 in der Bundesliga einfach tödlich und dürfen so nicht passieren.

Moment des Spiels

Die kurze Phase unmittelbar vor der Pause. Bis dato plätscherte das Derby so dahin, auch die Gastgeber hatten keine Ideen und Durchschlagskraft. Doch dann veränderten der Elfmeter und das folgende Gegentor die Statik des Spiels.

Spieler des Spiels

Gladbachs Philipp Sander. Der Rechtsverteidiger erzielte nicht nur die wichtige Führung, sondern gewann die entscheidenden Zweikämpfe und überzeugte mit einer Passgenauigkeit von fast 90 Prozent.

Das sagen die Trainer

Eugen Polanski (Borussia Mönchengladbach):

„Es war eine sehr ausgeglichene erste Hälfte, in der wir mit zunehmender Spieldauer wirklich das Gefühl hatten, das Spiel gewinnen zu können. Wir waren kompakter, besser im Ballgewinn, besser in den Umschaltmomenten. Dann bekommen wir einen Elfmeter durch den VAR, schießen den aber nicht rein. Ich glaube, das zeichnet die Mannschaft gerade aus: dass sie trotzdem positiv bleibt. Nicht nur, weil wir dann das Tor machen, sondern weil wir insgesamt stabil bleiben. Genau solche Wendepunkte gibt es in der Bundesliga immer wieder, wo es menschlich wäre, negative Gedanken zu haben. Aber meine Mannschaft hat momentan die unbedingte Gier, Spiele gewinnen zu wollen, Tore zu erzielen und das eigene Tor zu verteidigen. In der zweiten Halbzeit wussten wir, dass Köln natürlich kommen würde.

Dann kriegen wir wieder einen Elfmeter durch den VAR zugesprochen, machen den diesmal rein und schießen direkt das 3:0. Ich glaube, da waren wir auf einer Welle, die extrem gut war. Wir hatten relativ viel im Griff und unter Kontrolle. Auch die Einwechselspieler, die dann reinkamen, haben mehr Ruhe ins Spiel gebracht – was logisch ist, denn ein Derby kann sehr wild werden. Wir haben leidenschaftlich verteidigt, sehr kompakt, immer wieder Füße dazwischen gehabt. Ich bin tatsächlich gar kein Freund vom VAR – das wird auch nicht besser bei mir. Das war schon vorher nicht gut ist es jetzt auch nicht. Auch wenn wir heute davon profitieren, ich sehe den Sinn dahinter nicht. Dann kriegen wir ein 3:1 gegen uns gepfiffen – ein Elfmeter, der auf gar keinen Fall einer ist. Die Dramatik, die am Ende nochmal reinkommt, bringt der Schiedsrichter selbst rein.

Lukas Kwasniok (1. FC Köln):

„Ich glaube, das Wichtigste ist, Siege mit Stolz zu feiern, Niederlagen mit Anstand zu akzeptieren und dem Gegner zu gratulieren. Ich glaube, dass die Dramaturgie des Spiels am heutigen Abend nicht auf unserer Seite gewesen ist. Deshalb gehen wir hier sicherlich als Verlierer vom Platz. Wir hatten Spielkontrolle, haben von Beginn an eigentlich wenig zugelassen. Nach etwa 30 Minuten hatte ich das Gefühl, dass wir uns ein Stück weit darauf fokussiert haben, die eigene Hälfte zu kontrollieren. Da kam dann so der Gedanke: Jetzt müssen wir etwas Besonderes machen, jetzt müssen wir unbedingt ein Tor erzielen – es wäre schon ganz gut, wenn wir mit einer Führung in die Halbzeit gingen. Wir haben dann zwei-, dreimal in diesen kompakten Block hineingespielt und dadurch Kontersituationen zugelassen – ohne dass es mega gefährlich wurde. Aber ich glaube, Gladbach hat da das Gefühl bekommen, dass sie auch über Umschaltmomente zum Erfolg kommen können. Dann passiert der Elfmeter. Schwebe hält ihn sensationell. Und der gefährlichste Eckball in einem Spiel ist immer der nach einem gehaltenen Elfmeter. Wir verteidigen ein-, zweimal leidenschaftlich, aber beim dritten Ball eben dann nicht mehr. Da musst du dich kurz schütteln – das haben wir in der Halbzeitpause getan. Wir haben dann zweimal gewechselt, strukturell etwas angepasst. Ja, und dann fangen wir uns nochmal einen VAR-Elfmeter, diesmal wegen Handspiel.

So ist es nun mal – und dann wird es schwer. Trotzdem hatte ich das Gefühl, wenn wir im Spiel bleiben, wäre vielleicht nochmal was möglich gewesen, mit zwei großen Zielspielern vorne. Aber das 3:0 hat uns dann sicherlich gekillt – durch einen technischen Fehler. Das 3:1 fiel dann ein bisschen zu spät. Ich glaube, am Ende musst du es akzeptieren. Ich mag die VAR-Entscheidungen nicht nur nicht, sondern ich hasse sie. Alle drei Elfmeter waren heute nicht berechtigt. Wir werden es leider nicht hinbekommen, dass wir den VAR eliminiert bekommen.“

08.11.2025, Nordrhein-Westfalen, Mönchengladbach: Fußball: Bundesliga, Borussia Mönchengladbach - 1. FC Köln, 10. Spieltag, Stadion im Borussia-Park. Joe Scally (l-r, Bor. Mönchengladbach), Nico Elvedi (Bor. Mönchengladbach) und Saïd El Mala (1. FC Köln) kämpfen um den Ball. Foto: David Inderlied/dpa - WICHTIGER HINWEIS: Gemäß den Vorgaben der DFL Deutsche Fußball Liga bzw. des DFB Deutscher Fußball-Bund ist es untersagt, in dem Stadion und/oder vom Spiel angefertigte Fotoaufnahmen in Form von Sequenzbildern und/oder videoähnlichen Fotostrecken zu verwerten bzw. verwerten zu lassen. +++ dpa-Bildfunk +++

Es war nicht sein Abend: FC-Ausnahmetalent Said El Mala wurde im Spiel bei seinem Ex-Klub Gladbach von Trainer Lukas Kwasniok bereits nach der ersten Halbzeit ausgewechselt.

Das sagen wir

Durch die bisher überzeugenden Auftritte des Aufsteigers sind auch automatisch die Ansprüche gestiegen. Das werden Trainer Kwasniok und die Mannschaft wohl bestreiten, aber dies ist halt der Fluch der guten Tat. Am Samstagabend wäre für den FC mehr drin gewesen. Trotz der zwei Siege zuletzt spielte die Borussia alles andere als überzeugend auf, hatte kaum Ideen und Durchschlagskraft und überließ den Gästen überwiegend den Ball. Doch die Kölner, die das Spiel kontrollierten, wussten mit diesen Möglichkeiten und ihren Freiräumen viel zu wenig anzufangen. Sie zeigten nicht die Aggressivität, Leidenschaft und den Drang nach vorne wie in vielen Spielen zuvor. Das lag auch daran, dass ausgerechnet im Derby einige Kölner, darunter Ausnahmetalent Said El Mala, der nach dem Duell bei seinem Ex-Klub Gladbach jetzt zur Nationalmannschaft reist, nicht ihren besten Tag hatten.

Die Defizite nach Standard-Situationen sind zudem bekannt, am Samstag kassierte der FC die Gegentore neun und zehn nach einem ruhenden Ball (darunter allerdings ein Elfmeter). Zudem hatten die Kölner an diesem Abend einfach auch kein Glück: nicht mit den Schiedsrichter-Entscheidungen, auch nicht im Abschluss (Lattenschuss Kaminski, hauchdünnes Abseits von Ache vor Waldschmidts Traumtor).

In der Länderspielpause können sich die Kölner nun einmal schütteln. Die Mannschaft vermittelt allerdings bisher den Eindruck, dass sie auch die ärgerliche Niederlage im Derby nicht umwerfen wird. Dafür wirkt sie bis dato zu stabil.