1. FC KölnMarkus Gisdol muss den Vorwärtsgang finden

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Markus Gisdol am Freitagabend in Bremen

Köln – Die Bundesliga geht in die zweite Länderspielpause dieser Saison, knapp 14 Tage hat FC-Trainer Markus Gisdol nun Zeit, zumindest mit einem Teil seines Kaders daran zu arbeiten, im nächsten Pflichtspiel gegen Union Berlin wieder einmal einen Sieg einzufahren. 

Der 1. FC Köln hat seit 17 Spielen nicht mehr gewonnen, das ist eine halbe Saison. Was bedeutet diese Zahl?

Darüber gehen die Meinungen auseinander. Horst Heldt vertrat zuletzt die Ansicht, die Spielleistung der vergangenen Saison stünden in keinem Bezug zu den aktuellen Befunden. Tatsächlich waren die Kölner im vergangenen Jahr Aufsteiger, trennten sich  nach einem schaurigen Start von Sportchef und Trainer, um dann mit Horst Heldt und Markus Gisdol die Wende zu vollziehen. Nach der langen Pause in der Corona-Pandemie verloren sie erneut den Faden und schafften keine zweite Wende mehr. Diese Saison steht unter vollständig anderen Vorzeichen, auch personell. Doch die Debatte darüber, ob der Beginn der Serie ohne Siege bereits in der vergangenen Saison lag oder erst in dieser, erübrigt sich mittlerweile fast: Denn allein die sieben Spiele ohne Erfolg in dieser Saison genügen, um dem 1. FC Köln die Krise zu erklären.

Ist es denn weniger, als zu erwarten gewesen wäre?

Mit den Erwartungen ist das so eine Sache in Köln, denn eine Organisation im Leistungssport formuliert üblicherweise Ziele, auf die man sich gemeinsam einigt – und die sollten grundsätzlich zwar hoch gesteckt, aber gleichzeitig realistisch sein. Vor der vergangenen Saison zeigte sich Sportchef Armin Veh in einer Weise selbstbewusst, die in keinem Verhältnis stand zu seinen Leistungen auf dem Feld der Kaderplanung. Man stellte einem Trainer, der noch nie bei einem Großklub gearbeitet hatte, und eine Mannschaft voller Bundesliga-Neulinge auf den Platz. Doch statt sich bescheiden zu geben, sprach Armin Veh schon vor dem ersten Pflichtspiel davon, als besonderer Aufsteiger auch auf die Schönheit der Darbietungen achten zu wollen.

Was hat man sich in diesem Sommer vorgenommen?

Es wurde viel geklagt darüber, dass die Kadersituation so schwierig war. Teure Spieler sollten abgegeben werden, was vor allem in Köln zur Folge hat, dass Spieler verschenkt werden und man den annehmenden Vereinen noch Geld geben muss, damit die überhaupt mitmachen. Weil der riesige Kader aber verkleinert werden musste, bevor neues Personal angesprochen werden konnte, verzögerte sich die Planung. Dann gingen Transfers im letzten Moment schief. Mark Uth konnte nicht gehalten werden. Und obgleich Jhon Córdoba den Verantwortlichen früh mitgeteilt hatte, dass er sich verabschieden werde, dauerte es bis nach dem ersten Pflichtspiel, ehe der Kolumbianer auch wirklich von der Gehaltsliste war. Dass Dimitrios Limnios wegen einer Corona-Infektion dann noch einmal verspätet die Arbeit am Geißbockheim aufnahm, war Schicksal – das Kölner Personaldilemma dieses Sommers  aber grundsätzlich hausgemacht. Nachdem man wochenlang darüber gejammert hatte, startete man folgerichtig mit drei Niederlagen. 

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Liegt es am Trainer?

Die Mannschaft ist fit, fleißig und wirkt auf dem Trainingsplatz in guter Stimmung. Am Torverhältnis ist zu erkennen, dass so etwas wie Stabilität herrscht – wenn auch auf spielerisch niedrigem Niveau. Am Freitag beim 1:1 in Bremen war den Kölnern anzusehen, dass sie jede Eitelkeit hinter sich gelassen haben. Ein Sieg sollte her; man überließ dem Gegner den Ball in der Gewissheit, dass auch Bremen nichts damit anzufangen wusste. Köln lauerte und hätte beinahe durch ein Eigentor der Gastgeber gewonnen, womit der Plan immerhin funktioniert hätte. Denn das ist das Problem an einem Plan wie dem der Kölner am Freitag: Wenn er dann doch nicht funktioniert; der Zweck die Mittel also nicht heiligt, sieht vor allem der Trainer schlecht aus. 

Wie beurteilt Horst Heldt den Trainer?

Zunächst einmal ist er nicht bereit, Gisdols Leistungen anhand eines Spiels oder eines Tabellenstands nach dem siebten Spieltag zu bewerten. „Wir sind über den Status der kurzfristigen Betrachtung hinaus. Wir wissen heute schon, dass wir in Zukunft mehr denn je auf unsere Jugendspieler bauen müssen. Dafür brauchen wir einen Trainer, der bereit ist, mit jungen Spielern zu arbeiten“, sagte Heldt am Sonntag in der Fernsehsendung „Doppelpass“. Damit hat er einen Punkt, andererseits schuldet Gisdol dem 1. FC Köln aber kurzfristig ein Spielsystem, das mehr beinhaltet als den Gegner zu überfordern, indem man ihm einfach den Ball überlässt. 

Fehlt eine Philosophie?

Eine Philosophie zu fordern, gehört ja zu den gängigen Parolen im Fußball. Den Kölnern fehlt es zunächst an Handwerk, an Abläufen – und an torgefährlichem Personal. Keiner ihrer drei besten Scorer der nun auch nicht übertrieben erfolgreichen vergangenen Saison steht derzeit zur Verfügung: Córdoba und Uth sind weg, Florian Kainz ist nach starker Vorbereitung langfristig verletzt. Auch Kapitän Jonas Hector fehlt an allen Ecken und Enden – und Anthony Modeste hat große Verletzungsprobleme. Mit fehlender Philosophie hat das zunächst wenig zu tun, und überhaupt: Das einzige stabile Zeitalter der vergangenen 30 Jahre in Köln prägte Peter Stöger mit einem Fußball, der wenig philosophisch war. 

Was sagen die Spieler?

Die präsentieren sich kritisch. Rafael Czichos merkte am Freitagabend in Bremen an, die Kölner Mannschaft habe nicht die richtige Haltung entwickelt, um die Führung ins Ziel zu bringen, das sei aber etwas, das es auf dem Trainingsplatz zu erschließen gelte. „Wir müssen extrem am Spiel nach vorne arbeiten, weil wir zu hektisch und ungenau sind“, sagte der Abwehrchef. Es wird nun die Aufgabe des Trainers sein, seine Mannschaft mit einer Offensivtaktik auszustatten. Bis zum Spiel gegen Union Berlin bleiben nun zwei Wochen Zeit. Bis dahin müssen die Kölner deutlich weitergekommen sein.

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