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Große Chance vertanNach spätem Nackenschlag herrscht Frust beim 1. FC Köln

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1. FC Köln vs. FC St.Pauli, 13. Spieltag, 06.12.2025, 15.30 Uhr, von links: Eric Martel, Isak Johannesson, Marvin Schwäbe, Linton Maina (1. FC Köln) nach dem Gegentor zum 1:1 Ausgleich, Bild: Herbert Bucco

Konsternierte Kölner nach dem späten Gegentor zum :1 (v.l.): Eric Martel, Isak Johannesson, Marvin Schwäbe, Linton Maina

Der FC gibt einen sicher geglaubten Sieg gegen St. Pauli aus der Hand. Nach dem 1:1 ist der Vorsprung nach unten geschmolzen. Gefeiert wird nur einer: Said El Mala

Als Lukas Kwasniok nach dem Abpfiff von den TV-Kameras eingefangen wurde, war ein schwer geknickter Trainer des 1. FC Köln auf der Bank zu sehen. Seine Wangen waren feucht, dann wischte sich der Coach über die Augen. Waren das etwa Tränen nach dem ganz späten Ausgleichstreffer des FC St. Pauli zum 1:1-Endstand und ob des verpassten Sieges? Nein, das stellte Kwasniok bereits nach dem Spiel klar, da werde „einfach zu viel hineininterpretiert“.

Und ein paar Stunden später klärte der Trainer dann als Gast im „ZDF-Sportstudio“ auf: „Ich schwitze sehr viel und sehr schnell. Das waren eher Schweißperlen, die da runtergetropft sind“, sagte Kwasniok. Und Tränen wären ohnehin nach einem Remis am 13. Spieltag etwas zu viel der Sentimentalität gewesen.

Dennoch hatte dem 44-Jährigen der späte Nackenschlag glaubhaft arg zugesetzt. Und Kwasniok rang mit sich und seinen Gefühlen: „Mir geht es jetzt nicht ganz so toll. So ist Fußball, da gewinnt nicht immer die bessere Mannschaft. Das muss man akzeptieren. Das war heute aber zermürbend, weil nichts darauf hingedeutet hat. Heute haben wir 1:1 verloren. So schlimm wie heute war es in der Vergangenheit noch nicht.“

1. FC Köln: Nach tollem Start holte der Aufsteiger im Schnitt 0,9 Punkte pro Spiel

Im Kampf um den Klassenerhalt, der für den Bundesliga-Aufsteiger immer noch die höchste Priorität besitzt, hatte der FC leichtfertig eine große Chance vertan, sein Punktekonto von 15 auf 18 zu schrauben. Es waren die unnötigsten, vermeidbarsten und bittersten Punktverluste in der letzten Zeit. Vor den letzten Spielen in diesem Jahr am Samstag (18.30 Uhr) bei Bayer 04 Leverkusen und gegen Union Berlin (20. Dezember, 15.30 Uhr) ist das einst stattliche Polster auf den Relegationsrang durch zwei überraschende Siege von Heidenheim in Folge etwas geschmolzen, fünf Zähler sind es jetzt.

Zwar steht der FC erst recht für einen Aufsteiger mit 16 Punkten immer noch gut da, doch nach dem starken Saisonstart mit sieben Zählern aus den ersten drei Spielen kamen in den folgenden zehn Partien neun weitere dazu. Keine katastrophale Ausbeute, aber eben ein mäßiger Schnitt von 0,9 Punkten pro Spiel. Und so rangieren die Kölner im Niemandsland der Tabelle, der Rückstand auf den Sechsten Stuttgart beträgt sechs Zähler. Wolfsburg (gegen Union) , Augsburg (gegen Leverkusen) und der Hamburger SV (3:2 am Sonntag im Nordderby gegen Bremen) konnten ihre Spiele gewinnen, das Feld ist in der unteren Tabellenhälfte etwas zusammengerückt. Doch auf den Vorletzten St. Pauli hat der FC weiter acht Punkte Vorsprung..

Ich hab' das schon gespürt, aber ich wollte mich da nicht fallen lassen, weil ich wusste, dass ich schneller bin. Dann bin ich losgelaufen. Vielleicht hatte ich da einen Turbo drin.
Kölns Said El Mala über sein Solo und sein Duell mit Paulis Lage vor dem 1:0

Elf hätten es indes sein können, wenn der FC nicht noch mit der letzten relevanten Aktion der Begegnung den Ausgleich durch die Kiezkicker kassiert hätte. In einem über weiten Strecken unspektakulären, bisweilen sogar niveauarmen Spiel hatte Kölns Ausnahmetalent Said El Mala sein Team in der 51. Minute mit einem unwiderstehlichen Solo über 70 Meter mit 1:0 in Führung gebracht. „Ich brauche meistens nicht viele Momente und dann klingelt's“, sagte der Angreifer nach dem Spiel dem „ZDF“ selbstbewusst. El Mala hatte sich auch von den Halteversuchen von Mathias Pereira Lage nicht aus dem Konzept bringen. „Ich hab' das schon gespürt, aber ich wollte mich da nicht fallen lassen, weil ich wusste, dass ich schneller bin. Dann bin ich losgelaufen. Vielleicht hatte ich da einen Turbo drin.“

Kwasniok lobte den Jungstar, der bereits sein sechstes Saisontor erzielt hatte: „Er verliert auch mit Ball am Fuß kein Tempo, sondern hat sogar die Gabe, noch mal zu beschleunigen. Das macht ihn zu einem sehr interessanten jungen Mann auf dem Fußballmarkt.“

Die Führung war verdient, da die Hamburger zwar defensiv solide standen, aber nach vorne komplett harmlos waren und der FC auch nichts zuließ. Die Kölner überzeugten in der Offensive zwar beileibe nicht, waren aber dennoch das tonangebende Team, verpassten es allerdings, die Führung auszubauen – was möglich gewesen wäre. Insbesondere in der zweiten Minute der Nachspielzeit vergab der FC das 2:0 und die Vorentscheidung kläglich. Erst hatte sich der eingewechselte Ragnar Ache durchgetankt, zog aus 13 Metern ab, doch Pauli-Keeper Nikola Vasilj parierte stark. Der nachsetzende Florian Kainz ließ dann aber das 2:0 liegen. Der Österreicher hatte zwei Möglichkeiten, keine nutzte er: Er hätte das Tor selbst erzielen können, wenn nicht müssen, doch er scheiterte an Vasilj. Und: Kainz hätte noch besser den in der Mitte freistehenden Isak Johannesson anspielen können, der den Ball nur noch hätte einschieben müssen.

Als fast keiner mehr damit gerechnet hatte, kam St. Pauli rund 90 Sekunden später tatsächlich zum Ausgleich. Kainz hatte zuvor Danel Sinani im Halbfeld flanken lassen. Der ebenfalls eingewechselte Ricky-Jade Jones schraubte sich hoch, entschied das Kopfballduell gegen Sebastian Sebulonsen für sich. FC-Keeper Marvin Schwäbe auf der Torlinie noch ein wenig aus – und der Kopfball landete in der vierten Minute der Nachspielzeit zum 1:1 im rechten Toreck.

Torhüter Marvin Schwäbe hadert auch über Rasen in Müngersdorf

Und der Kölner Ärger war groß. „Das war der bisher absolut nervigste Punktverlust“, befand Kwasniok. Torhüter Schwäbe haderte auch über die schwierigen Platzverhältnisse in Müngersdorf: „Es ist wie im falschen Film. Du kriegst 90 Minuten keinen Schuss aufs Tor, du hast die längsten Stollen auf dem Schuh, die es eigentlich gibt, und am Ende rutsche ich ausgerechnet in diesem Scheißmoment weg. Ich hätte den relativ entspannt gehalten. Das tut extrem weh.“ Kölns Sportdirektor Thomas Kessler wollte mit der Mannschaft nicht hart ins Gericht gehen: „Das war sicherlich kein Leckerbissen, aber dennoch haben wir es über die gesamte Spielzeit seriös gemacht. Wir hatten die Chance zum 2:0 in der Nachspielzeit, daher ist es bitter, mit der einzigen echten Chance den Ausgleich zu kassieren.“

Und auch Kwasniok hatte wenig später auf dem Mainzer Lerchenberg wieder etwas bessere Laune. Doch viel Fortune hatte er an diesem Tag einfach nicht: weder mit einigen taktischen und personellen Entscheidungen während des Spiels noch an der Torwand. Dort ging der Trainer des 1. FC Köln sogar gänzlich leer aus.