Hitzlsperger-NachfolgerNeue Diskussionen um Wehrle und Stuttgart – Ein Pro und Contra

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Alex_Wehrle

Alexander Wehrle ist seit Januar 2013 Geschäftsführer des 1. FC Köln.

Köln/Stuttgart – Thomas Hitzlsperger wird den VfB Stuttgart verlassen. Der frühere Nationalspieler hat angekündigt, seinen Posten als Vorstandsvorsitzender des Bundesligisten spätestens im Oktober 2022 zu räumen. Das Verhältnis zum Vereinspräsidenten und Aufsichtsratschef Claus Vogt ist offenbar nicht mehr zu retten. Für die Suche nach einem Nachfolger werde sich der Verein nun „die gebotene Zeit nehmen“, meinte Vogt.

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Thomas Hitzelsperger hat sein Aus beim VfB Stuttgart bekannt gegeben.

Dass dabei Alexander Wehrle eine Rolle spielen könnte, der langjährige Geschäftsführer des 1. FC Köln, würde niemanden überraschen. Mehrmals gab es Gerüchte um Wehrles Rückkehr zum VfB, die er allerdings nicht selbst befeuerte. Äußern will sich Wehrle derzeit nicht. Doch was spräche für oder gegen die Rückkehr des 46-Jährigen in seine Heimat?

Pro

Wehrles Verbundenheit zum VfB, bei dem er den Einstieg in den Profifußball schaffte. Von Juli 2003 bis Januar 2013 arbeitete er als Referent des Vorstands beim VfB, bevor er auf Empfehlung des ehemaligen Vereins-Bosses Erwin Staudt nach Köln wechselte. Neben dem FC kann man den VfB als Wehrles zweiten Herzensklub bezeichnen.

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Durch seine fast neunjährige Tätigkeit beim 1. FC Köln hat sich Wehrle nicht nur in der Branche einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet. Er ist die Konstante beim oft so turbulenten FC und war und ist in der Lage, ein personelles Vakuum in der Spitze des FC auszufüllen – auch jetzt wieder nach der Demission von Sport-Geschäftsführer Horst Heldt. Nicht umsonst gehört der Schwabe seit 2019 auch dem Präsidium der Deutschen Fußball-Liga (DFL) an. Der Markt an guten Bundesliga-Führungskräften ist sehr überschaubar, das weiß auch der VfB.

Seine Familie im Süden

Zahlreiche Familienmitglieder des in Bietigheim-Bissingen geborenen Wehrle leben immer noch rund um Stuttgart und den Bodensee. Seit Jahren pendelt Wehrle – wenn es die Zeit denn zulässt. Es wäre ihm nicht zu verdenken, wenn er das bald ändern wollte.

Vorstandsvorsitzender ist der Job beim VfB, der Wehrle reizen könnte, bei dem er Einfluss hätte und bei dem er vieles bewegen könnte. Als zuletzt der Posten des Finanzvorstands beim VfB vakant war, fiel ebenfalls sein Name. Doch Vorstandsboss ist noch einmal eine ganz andere Hausnummer.

Langjähriger Vertrauter

Mit Tobias Kaufmann arbeitet seit dem Frühjahr ein langjähriger Vertrauter von Wehrle als Kommunikationschef beim VfB. Kaufmann leitete die Medienabteilung des 1. FC Köln von 2013 bis Sommer 2020, bis sich der Verein auf Betreiben des Vorstands und gegen Wehrles Willen von Kaufmann trennte.

Wehrle ist seit fast neun Jahren am Geißbockheim tätig. Da ist es logisch, dass er auch mal eine Veränderung ins Auge fassen könnte. Zumal maßgeblich von ihm vorangeschobene Großprojekte (Erweiterung des Geißbockheims, möglicher Ausbau des Rhein-Energie-Stadions) ins Stocken geraten sind und sich wegen politischen und gesellschaftlichen Gegenwinds nur schwer umsetzen lassen.

Auch Kritiker beim FC

Der Geschäftsführer weiß allerdings auch Kritiker im Verein, vor allem im Umfeld des FC-Mitgliederrats um den zurückgetretenen Gremiums-Chef Stefan Müller-Römer, dem weiter zukünftige Ambitionen auf das Präsidenten-Amt nachgesagt werden.

Der Mitgliederversammlung am 6. November kommt deshalb auch für Wehrle entscheidende Bedeutung zu. Denn dort wird der neue Mitgliederrat gewählt, der zudem das Vorstands-Vorschlagsrecht hat. Wehrle wird genau darauf achten, in welcher Zusammensetzung sich das Gremium konstituiert. Was ist, wenn seine Kritiker die Oberhand gewinnen?

Contra: Wehrles Verbundenheit zum 1. FC Köln ist nicht gespielt, sondern absolut echt.

Er schätzt den Klub, sein Umfeld, die Fans und insbesondere viele langjährige Mitarbeiter am Geißbockheim.

Der Schwabe fühlt sich auch in der Stadt wohl, lebt seit Jahren in ihrem Herzen und gehört zur Kölner Stadt-Gesellschaft. Er engagiert sich für Diversität oder ist seit Jahren als Mitglied in der Bürgergarde Blau-Gold im Karneval dabei.

Konstante des Klubs

Wehrle ist die Konstante des Klubs in der letzten Dekade. Wehrle repräsentiert den FC und bewegt sich gut auf diesem Parkett. Daraus ergibt sich auch eine Stellung im Verein, die man nicht ohne weiteres aufgibt. Und auch der Vorstand um Präsident Werner Wolf und andere im Klub wissen, was sie an Wehrle haben. Der hat zudem viele Sponsoren-Deals eingefädelt. Nicht umsonst schob Werner Wolf Abwerbungsversuchen anderer Klubs bisher einen Riegel vor.

Wehrle hat einen Vertrag beim FC bis zum 30. Juni 2023. Er erklärte bereits Ende Mai nach aufkommenden Gerüchten: „Ich habe hier vor achteinhalb Jahren begonnen und meinen Vertrag bis 2023 verlängert. Im Bewusstsein, Verantwortung zu übernehmen. In der wirtschaftlich vielleicht herausforderndsten Situation der FC-Geschichte könnte ich nicht den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in die Augen schauen und sagen, dass ich keine Verantwortung mehr trage.“

Auch Wolf erklärte, dass er davon ausgehe, dass der Geschäftsführer seinen Vertrag erfülle. „Ich erlebe ihn enorm verantwortungsvoll in der Krise. Er ist niemand, der in so einer Situation einfach von Bord geht.“

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Eine Rückkehr zum VfB Stuttgart stand bereits mehrfach im Raum, doch immer wieder bewahrheiteten sich die Gerüchte nicht oder Wehrle sagte dem Klub selbst ab. Möglich, dass es eine Absage zu viel war.

Der VfB Stuttgart ist ein Klub, der in den vergangenen Jahren ebenfalls kaum zur Ruhe kam und in dem es zahlreiche Intrigen gab. Präsident Vogt wird zudem eine Nähe zur aktiven Fanszene nachgesagt, mit denen Wehrle schon beim FC seine Themen hat. Sein Wechsel könnte vom Regen in die Traufe führen.

Nicht zwangsläufig mehr Gehalt beim VfB

Wirtschaftlich unterscheiden sich beide Vereine derzeit nicht groß. Beide Klubs verloren durch die Corona-Krise jeweils rund 60 Millionen Euro. Ob Wehrle beim VfB deutlich mehr verdienen würde als in Köln, muss nicht zwangsläufig der Fall sein.

Der VfB hat zwar ein wirtschaftlich starkes Umfeld rund um den Hauptsponsor Mercedes Benz, stand aber zuletzt, was Umsatz und Gewinn angeht, nicht wirklich besser da als der FC, zumal der Verein bereits 11,75 Prozent seiner Anteile an die Daimler AG abgegeben hat. Der 1. FC Köln ist weiterhin vollständig im Besitz seiner Mitglieder.

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