FC-Geschäftsführer Wehrle„Wir müssen weg von der reinen Inzidenz-Betrachtung"

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FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle

Köln – Herr Wehrle, haben Sie die neuen Corona-Beschlüsse der Politik am Dienstag irgendwie überrascht?

Nein. Für uns hat sich ja nicht viel verändert. Unsere Sicht bleibt die: 2G, also Geimpfte und Genesene, sowie eine signifikante Impfquote sind der entscheidende Faktor zurück zu einer veränderten Normalität. Konkret heißt das für uns: Wir wünschen uns und fordern von der Politik, dass spätestens im Zuge der nächsten Corona-Schutzverordnung jeder Veranstalter sein Hausrecht ausüben kann und bei 2G und unter Einhaltung der Hygiene-Regeln unter freiem Himmel auch 100 Prozent Zuschauer-Kapazität möglich ist. Aus unserer Sicht muss 2G in Kombination mit einer neuen Referenzgröße aus der Hospitalisierungsrate, der Impfquote und der Inzidenz betrachtet werden. Über allem steht natürlich die Belastungsgrenze unseres Gesundheitssystems. Aber wenn die Hospitalisierungsraten und die Impfquote auf einem guten Weg sind, dann muss demnächst ein volles Stadion möglich sein.

Ist die Politik da aus Ihrer Sicht viel zu vorsichtig?

Alles zum Thema Ellyes Skhiri

Ich bin kein Politiker und Virologe, aber Bürger dieses Landes: Ich glaube, wir müssen schnell von dieser reinen Inzidenzzahl-Betrachtung weg. Wir brauchen eine neue Referenzgröße. Andere Länder schlagen da einen anderen, nicht so vorsichtigen Weg ein, den wir beobachten müssen. Es muss grundsätzlich die Möglichkeit geben, mit 2G, einem Hygienekonzept, mit der Nachvollziehbarkeit der Infektionsketten und Masken Veranstaltungen ohne Beschränkungen durchzuführen.

Sie haben für Ihr Vorpreschen in Sachen „2G“ Lob erhalten, auch die Karnevalisten in Köln und Düsseldorf sind dem Vorhaben gefolgt. Es gab aber nicht nur Lob, sondern auch negative Reaktionen von Fans, vereinzelt Kündigungen. Und so viele Vereine, wie erhofft, schlossen sich  Ihrem Vorhaben noch nicht an.

Es ist ein absolut positives Zeichen, dass die Karnevalisten in Köln und in Düsseldorf das am 11.11. auch so praktizieren. Bei uns war das Echo überwiegend positiv. Wir wollen ein Signal setzen, weil wir auch die Verantwortung gegenüber den vielen geimpften FC-Fans haben, die darauf bauen, dass wir Maßnahmen treffen, um bald wieder 50000 Fans im Stadion begrüßen zu können. Zudem unterstützen wir die Impfkampagne mit unseren Impfstationen am Stadion.

Wurden Sie persönlich angefeindet?

Ja, ich habe die eine oder andere Zuschrift bekommen, dass ich doch endlich nach Stuttgart abhauen solle (lacht).

Mit welcher Stadionauslastung planen Sie denn in der kommenden Zeit?

Wir haben die neun Heimspiele der Hinrunde realistisch mit einer Teilauslastung geplant, aber hoffen natürlich auf eine Steigerung der Kapazität. Klar ist: Jedes Spiel, zu dem wir nur 16500 Zuschauer zulassen dürfen, kostet uns eine Million Euro. Wir hoffen auf ein Umdenken der Politik. Und zwar für den gesamten Sport. Sollten wir eine weitere Saison mit größeren Beschränkungen erleben, wird es nicht nur für uns, sondern für den Profi-Sport insgesamt sehr schwer.

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben den 1. FC Köln bereits rund 66 Millionen Euro Umsatzverlust gekostet. Wird es bei weiteren Beschränkungen ganz eng für den Klub?

Eine Beschränkung der Zuschauerzahl haben wir ja in unserer Basisplanung einkalkuliert. Aber wenn es erneut zu einem Lockdown, von dem ich allerdings nicht ausgehe, und Geisterspielen käme, dann hätten wir in der Tat riesige finanzielle Herausforderungen, die man nur mit neuen Krediten bewältigen könnte.

Finanzspritzen unterschiedlichster Art hat der FC bereits zur Genüge angenommen. Ist da mit dem Blick auf die Lasten in der Zukunft nicht fast alles ausgereizt – zumal  auch im Sponsoring keine nennenswerten Steigerungen mehr möglich erscheinen?

Im „Worst Case“ hätten wir immer noch Möglichkeiten, zusätzliches Fremdkapital zu generieren. Sicher gilt es in den nächsten zwei Jahren, noch mehr auf die Kostendisziplin zu achten. Wir müssen wieder dahin kommen, dass wir aus dem Operativen heraus positives Eigenkapital aufbauen. Im Sponsoring stehen wir in der Tat gut da, auch da gibt es noch Wachstumspotenziale – vor allem im digitalen Sponsoring-Bereich.

Ihr Ziel war es, zum Abschluss des Geschäftsjahres 2020/21 am 30. Juni weiterhin ein positives Eigenkapital vorzuweisen. Erreichen Sie das Ziel?

Die Wirtschaftsprüfer sind gerade bei uns im Haus. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich aber noch keine konkreten Zahlen nennen. Dennoch sind wir sehr zuversichtlich, dass wir zum Ende des Geschäftsjahres weiterhin über ein positives Eigenkapital verfügen.

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Der FC hat bisher vier Neuzugänge geholt, alle kamen ablösefrei. Klubs wie Union Berlin und Bielefeld stechen Köln mittlerweile auf dem Transfermarkt aus – so scheint es jedenfalls. Ist der FC nicht mehr konkurrenzfähig?

Selbstverständlich sind wir handlungs- und konkurrenzfähig. Und wir haben in Abstimmung mit der sportlichen Leitung auch noch weitere Plan-Positionen, also Spielerverpflichtungen, eingestellt. Klar ist, neue Spieler verpflichten wir nur, wenn sie uns direkt weiterhelfen.

Der FC muss Transfereinnahmen generieren und hat Sebastiaan Bornauw und Ismail Jakobs für insgesamt über 20 Millionen Euro verkauft. Ist auch der Transfer von Ellyes Skhiri alternativlos?

Das ist völlig offen. Wenn Ellyes mit einem Wechselwunsch zu uns kommen sollte und wir eine marktgerechte Ablöse erhielten, dann würden wir uns damit auseinandersetzen. Aber wir müssen den Spieler nicht zwingend verkaufen. Wir können auf dem Transfermarkt agieren, auch wenn Ellyes bei uns bleiben sollte. Mal abgesehen davon: Ich bin überzeugt, dass wir bereits eine wettbewerbsfähige Mannschaft haben. Dennoch behalten wir die Augen auf dem Transfermarkt offen.

Corona kam auch für den FC praktisch über Nacht. Aber wie sehr ächzt der FC unter den hohen Gehältern von einst?

In der Rückbetrachtung ist es immer einfach zu sagen, wir hätten das Gehaltsniveau anders gestalten können. Stand jetzt haben wir ein wettbewerbsfähiges Gehaltsgefüge. Wir müssen in der Gesamtbetrachtung des deutschen Fußballs schauen, dass wir uns in einem vernünftigen Verhältnis zwischen Umsatz und Gehaltsniveau einpendeln. Es wird Aufgabe sein, das in den nächsten Jahren auch umzusetzen.

Beim 1. FC Köln kann also längst nicht mehr das verdient werden, was vor einigen Jahren noch möglich war?

Das wird definitiv so sein, insbesondere in den kommenden zwei Jahren, in denen sich die Corona-Pandemie weiter auswirken wird. Der deutsche Fußball hat die Aufgabe, auch im europäischen Fußball Diskussionen anzustoßen und das entsprechende Lizensierungsverfahren zu verändern. Das Financial-Fairplay in Europa muss noch gerechter gestaltet werden, leider gibt es in anderen europäischen Ländern andere Bestrebungen.

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