Kölner Rekord-TrainerStöger findet den FC super – und hat seine Meinung zu Wirtz

Lesezeit 5 Minuten
imago1005233725h

Peter Stöger in den Farben von Ferencvaros

Köln – Man kann nicht behaupten, dass der Wiener Peter Stöger an seinem neuen Arbeitsplatz Budapest in einen neuen Kulturkreis geraten ist. Die Donau-Metropolen verbindet nicht nur eine gemeinsame Geschichte als Hauptstädte Österreich-Ungarns in der Zeit zwischen 1867 und 1918. „Die Architektur der Städte ist sehr ähnlich, auch die Lebensart, beide sind sehr schön, sehr lebenswert“, sagt der Fußball-Trainer, der am Donnerstag mit seinem Klub Ferencvaros (deutsch: Franzstadt, nach Kaiser Franz I.) in der Europa League bei Bayer 04 Leverkusen antritt (18.45 Uhr).

Die Reise ins Rheinland geht für Stöger über den reinen Anlass emotional hinaus. Hier hat er als Fußball-Lehrer seine bewegendste Zeit erlebt. Viereinhalb ununterbrochene Jahre auf dem Trainerstuhl des 1. FC Köln (2013 - 2017) inklusive Aufstieg und Qualifikation für den Europapokal muss ihm erst mal einer nachmachen. Vor ihm hat das jedenfalls niemand geschafft. Deshalb wird er vor dem Spiel des ungarischen Rekordmeisters in der Bay-Arena mindestens so viel zum FC gefragt wie zu Bayer 04.

Das könnte Sie auch interessieren:

Stöger ist, wie meistens, ziemlich entspannt in seinen Antworten. Seine Freundschaften aus der Kölner Zeit pflegt er nach eigenem Bekunden weiterhin, ebenso die Anteilnahme am Schicksal des Ex-Klubs. „Der FC und die Art und Weise seines Fußballs ist momentan super“, sagt Stöger im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Das gilt als direktes Lob dem Kollegen und Nach-Nachfolger. „Steffen Baumgart bringt die Offensive hervorragend auf den Platz, das ist total erfrischend. Und es freut mich, dass er auch direkt mit Siegen und Punkten gestartet ist und nicht nur mit guten Spielen.“.

Alles zum Thema Peter Stöger

Im Frühjahr sah es für Momente so aus, als sei auch er ein Kandidat gewesen für die Zeit nach Markus Gisdol. Da fand zwischen den Geschäftsführern Alexander Wehrle, Horst Heldt (damals noch im Amt) und ihm ein Dreier-Meeting zu diesem Thema statt. „Irgendwie war es klar, dass es durch meine Geschichte beim FC dieses Gespräch zumindest einmal geben würde“, sagt Stöger, „aber in dem Gespräch war dann auch sehr schnell klar, dass, bei aller Wertschätzung der Personen füreinander, der Zeitpunkt in der Sache nicht der richtige war.“ Und so war die Geschichte einer möglichen Rückkehr Stögers als Trainer zum FC beendet, bevor sie begonnen hatte.

imago0031248518h

Peter Stöger 2017 in den Farben des 1. FC Köln

Dass er im Juli Trainer von Ferencvaros Budapest sein würde, ahnte damals noch kein Mensch, außer ihm selbst. „Sportdirektor Tamas Hajnal hatte im Frühjahr Kontakt zu mir aufgenommen“, erzählt Stöger, der damals noch Trainer und Sportdirektor bei Austria Wien in Personalunion war. „Deshalb kam es am Ende für mich weniger überraschend als für Außenstehende. Ferencvaros ist ein richtig großer Klub mit einer hervorragenden Infrastruktur. Aber entscheidend waren die handelnden Personen, hier habe ich eine große Wertschätzung vorgefunden.“ Sein erstes Ziel, die Champions-League-Qualifikation, hat Stöger im entscheidenden Playoff gegen Young Boys Bern, dem Ex-Klub des Bayer-Trainers Gerardo Seoane, in zwei engen Spielen knapp verpasst. „Da ist uns etwas das Glück ausgegangen, das wir vielleicht in der ersten Qualifikationsrunde gegen Slavia Prag hatten“, erklärt er, „aber unsere Europa-League-Gruppe hat absolutes Champions-League-Flair. Das ist eine mörderische Auslosung, aber uns freut es. Wir werden drei tolle Heimspiele haben.“

Peter Stöger sieht sich gegen alle drei Gegner – Bayer 04, Betis Sevilla und Celtic Glasgow – in der Außenseiterrolle. Besonderen Respekt aber nötigt ihm der Werksklub ab, den er aus seiner Kölner Zeit sehr gut kennt. „Die letzten zehn Jahre dachte ich immer, wenn ich den Kader sah: Heuer werden sie aber ganz oben andocken“, erklärt der Wiener. Beim diesjährigen Spieler-Aufgebot hat er weniger Zweifel denn je: „Wenn ich jetzt auf Leverkusen schaue, dann sehe ich da alles, was eine gute Fußball-Mannschaft braucht.“

Das Bayer-Fußballspektakel gegen Dortmund – Endergebnis 3:4 – hat ihn überhaupt nicht überrascht. Sein Scout Alexander Bade, die Kölner Ersatztorwartlegende, wurde folgendermaßen auf die Reise geschickt: „Wir haben ihn verabschiedet mit den Worten: Gutes Spiel und viele Tore, denn anders konnte es nicht kommen“, sagt Stöger, der es gern machen würde wie die Dortmunder mit ihrem Supermann Haaland, „aber so geht das für uns leider nicht, denn dazu brauchst du auch das Personal.“ Allerdings mag er aber doch nicht die weiße Flagge hissen. „Wir haben gesehen, wo Bayer 04 vielleicht ein wenig verwundbar ist, und da wollen wir ansetzen.“ Der Werksklub wird auf einen kompakten Gegner treffen, der versuchen wird, die so genannten Nadelstiche zu setzen. Das war schon in seinen FC-Zeiten Stögers Lieblingsstrategie gegen Leverkusen und alle vermeintlich übermächtigen Mannschaften.

Den steilen Aufstieg des 18-Jährigen Florian Wirtz, der schon zu Stögers Zeit in der Kölner Jugend ausgebildet wurde, hat der FC-Rekordtrainer natürlich auch verfolgt. Am Donnerstag muss er eine Strategie gegen ihn finden. Dass der Neu-Nationalspieler Anfang 2020 gegen eine geringe Gebühr die Rheinseite gewechselt hat und seinen Wert seitdem in kaum abschätzbare Regionen jenseits der 50 Millionen Euro gesteigert hat, wäre nach Ansicht des Trainers und ehemaligen Sportdirektors vermeidbar gewesen. Zu dieser Interpretation genügt der einzige Satz, den Peter Stöger zu der Causa offiziell sagen will: „Manchmal ist es gar nicht so kompliziert. Du musst halt schauen, dass deine besten jungen Spieler im Verein bleiben.“

KStA abonnieren