Kölner RekordAls der FC die Spurs 8:0 besiegte

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FC_Tottenham

Der damalige FC-Neuzugang Christian Dollberg aus Argentinien gegen Tottenhams Steven Glade

  • Das 7:2 des FC Bayern ist bei weitem nicht die größte Niederlage der Spurs-Geschichte.
  • Ein Kölner Neuzugang überragte damals und ließ die Hoffnungen auf ein gutes Jahr wachsen.
  • Die Engländer traten allerdings mit einer Mannschaft ohne Stammspieler an.

Köln – Nach der monumentalen 2:7-Niederlage von Tottenham Hotspur gegen den FC Bayern richtete sich der Blick der Fußballwelt am Mittwochmorgen vor allem nach Köln. Die historische Heimklatsche im vor einem halben Jahr eröffneten Prachtstadion in Londons Norden hatte hektisches Suchen ausgelöst, doch hätte ein Anruf in Köln gereicht, um die Frage zu beantworten, ob die Spurs auf internationaler Ebene jemals höher verloren hatten. Denn selbstverständlich hatten sie, was ist schon ein 2:7 gegen den FC Bayern? Wirklich rekordverdächtig war der 1. Oktober 2019 jedenfalls nicht. Dafür haben die Vorgänger von Trainer Mauricio Pochettino gesorgt, in diesem Fall der längst vergessene Trainer Terry Francis, der am 22. Juli 1995 das Kunststück fertigbrachte, im Müngersdorfer Stadion mit den Spurs 0:8 gegen den 1. FC Köln unterzugehen. Damit war eigentlich klar, dass man in der Geschichte der am 5. September 1882 gegründeten Spurs so bald nicht mehr nach einer höheren Niederlage suchen müsste. Ein 2:7 jedenfalls lässt heutzutage keinen Spurs-Archivar auch nur mit der Wimper zucken. Denn über allem thront das so viel historischere 0:8.

Offizielles Wettkampfspiel

Um jedoch die Dinge ein wenig einzuordnen, sei an dieser Stelle allerdings dies und das angemerkt: Die Partie war zwar ein offizielles Wettkampfspiel, das der Europäische Verband Uefa veranstaltete. Allerdings handelte es sich um den UI-Cup, die damalige Möglichkeit, sich als Nachrücker für den Uefa-Pokal zu qualifizieren. Der Cup wurde mit Gruppen- und anschließender K.o.-Phase ausgetragen und fand inmitten der Sommervorbereitung statt. Köln ging an jenem lauen Samstag gerade in die zweite Woche der Sommerferien. In der Vorwoche war eine Hitzewelle über das Land gerollt, Köln war leer, das Müngersdorfer Stadion ebenfalls: 6100 Zuschauer verloren sich in der alten Betonschüssel, um Zeuge zu werden, wie Tottenham mit einer Jugendmannschaft antrat: Kein Spieler des Teams gehörte dem Profikader an; tatsächlich trug die Premier-League-Mannschaft der Spurs an jenem Wochenende einen lukrativen Schaukampf in Dänemark aus.

FC erreichte das Achtelfinale

Für die Kölner bedeutete der Erfolg den zweiten Sieg im vierten und letzten Gruppenspiel, nach einem alles in allem fulminanten 0:0 bei Östers IF in Schweden und dem doch ernüchternden 2:2 daheim gegen Luzern hatte der FC bei Rudar Velenje vor immerhin 600 Zuschauern 1:0 gewonnen und damit die Tür zum UI-Cup-Achtelfinale weit aufgestoßen, wie man damals wohl gesagt hat. Bernd Cullmann hatte nach der Ausbeute der ersten Partien wenig Hoffnung gehabt, immerhin spielte man nun gegen Tottenham und musste damit rechnen, dass der Gegner mit Profis antritt. „Ich hatte schon alles abgeschrieben“, sagte der Manager nach dem 8:0 erleichtert. Die Kölner Torschützen damals waren Bruno Labbadia (19./31./81.) und Toni Polster (37./57.), zwei weitere Treffer erzielte der rumänische Neuzugang Dorinel Munteanu (6./50.), der an insgesamt sechs Toren beteiligt war und damals andeutete, welche Rolle er beim 1. FC Köln zu übernehmen gedachte. Nämlich die eines Spitzenspielers in immer schlimmer werdenden Zeiten. Stefan Kohn (88.) setzte den Schlusspunkt. Cullmann freute sich über die Qualifikation für die nächste Runde, kritisierte jedoch den Gegner. „Wenn die Uefa künftig am UI-Cup festhält, muss sie die Klubs verpflichten, mit ihren besten Spielern teilzunehmen“, schlug er vor.

Gescheitert am FC Tirol

Mit dem Einzug in den Uefa-Pokal wurde es selbstverständlich nichts mehr. Der bis dahin nie abgestiegene 1. FC Köln empfing im Achtelfinale den FC Tirol, und jedem Augenzeugen dürfte noch heute Harald Cernys Auftritt in Erinnerung sein, der drei Tore erzielte und der unter anderem dafür sorgte, dass der nach 35 Minuten eingewechselte Verteidiger Reinhard Stumpf in der 62. Minute wieder ausgewechselt wurde – derart schwindelig gespielt, dass es ein Wunder schien, dass er überhaupt die Kabine fand.

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Die Kölner Saisonziele blieben dennoch ambitioniert: „Natürlich schauen wir auf einen Uefa-Cup-Platz", sagt Torwart Bodo Illgner, der Weltmeister, und verwies auf die „passenden Verstärkungen“. Neben Munteanu waren das der aus Freiburg gekommene Martin Braun und der argentinische Riese Christian Dollberg. Die Saison endete spannend. Erst am letzten Spieltag retteten sich die Kölner vor dem Abstieg. Der 1:0-Sieg bei Hansa Rostock, herausgeschossen von Stürmer Holger Gaißmayer in der 72. Spielminute, bedeutete den Schlusspunkt einer Saison, die in den Sommerferien mit dem Rekordsieg über Tottenham einen Höhepunkt erreicht hatte, der für ein paar falsche Hoffnungen gesorgt hatte. Den man am Morgen nach dem Münchner Allerwelts-7:2 gern wieder hervorgeholt hat.

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