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Kwasnioks Idee vom FußballDie Kunst der kontrollierten Jagd

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Trainer Lukas Kwasniok hat in diesem Sommer den 1. FC Köln übernommen.

Trainer Lukas Kwasniok hat in diesem Sommer den 1. FC Köln übernommen. 

Lukas Kwasniok steht für einen aktiven Stil, will aber wieder einen größeren Akzent auf das Spiel mit dem Ball legen

Ein neuer Trainer bringt stets auch sein eigenes Vokabular mit, die Fußballsprache kennt viele Facetten und Dialekte. Zur Eingewöhnung gehört auch, die Sprache des neuen Chefs zu verstehen – selbst wenn alle Deutsch sprechen. „Jeder hat ein anderes Wording. Die Spieler müssen mir folgen können“, beschreibt Lukas Kwasniok, der in diesen Tagen die Vorbereitung mit dem 1. FC Köln auf die anstehende Saison in der Bundesliga aufgenommen hat. „Zwei, drei Schlagwörter habe ich schon rausgehauen“, sagt der 44-Jährige mit einem Lächeln. In den folgenden Wochen werden noch einige dazukommen, zum Start der Pflichtspielsaison mit dem Pokalspiel in Regensburg am 17. August sollten dann alle Sprachbarrieren eingerissen sein.

Man wird sich nun häufiger sehen am Geißbockheim, Kwasniok gilt als wahnsinnig fleißiger Trainer, der selbst nur eine Einheit verpassen würde, sollte ein Notfall ungeahnten Ausmaßes über ihn hereinbrechen. Es gibt viel zu tun. „Training, Training, Training. Arbeit, Arbeit, Arbeit. Video, Video, Video“ – so lautet Kwasnioks Zusammenfassung dessen, was seine Spieler vorerst vom Profileben zu erwarten haben.

Am Dienstagvormittag erschien auch Rückkehrer Ron-Robert Zieler auf dem Platz, der Torhüter war am Montagabend verpflichtet worden. Weitere Zugänge erwartet Kwasniok vorerst nicht, man könne sich ein paar Tage freinehmen, hatte er am Montag den Reportern fröhlich zugerufen. Spätestens nach den jüngsten Verpflichtungen ist der Trainer gelassen, er mag seinen Kader bereits jetzt. „Wenn wir jetzt spielen müssten, bekämen wir eine richtig gute Mannschaft hin. Wir versuchen aber trotzdem, sie zu optimieren“, beschrieb er.

Ein erster Schwerpunkt dieser Tage: die Kunst der Täuschung. „Wir wollen den Gegner manipulieren und in bestimmte Räume locken, um dann in den Rücken der Abwehr zu kommen“, erklärt Kwasniok. Der fußballerische Ansatz des Trainers ist vielschichtig, das zeigen schon die ersten Gespräche mit dem ehemaligen Paderborner. Kwasniok kann gut über Fußball sprechen, und wenn Worte nicht reichen, greift er zu Salzstreuern, Colaflaschen und allem, was sonst greifbar ist – und veranschaulicht seine Ideen.

Wichtig sei ihm, dass diese Vorstellungen Teil des fußballerischen Allgemeinguts sind – kein exklusives Geheimwissen. Von so etwas wie „Kwasniok-Fußball“ mag er jedenfalls nichts hören. „Das ist alles Grütze“, sagt er. Besonders die Neigung, die Planung darauf zu beschränken, dem Gegner den Ball abzujagen, ist ihm in jüngster Zeit negativ aufgefallen. Zwar sei es ein wichtiger Teil des Spiels, eine Strategie zu entwickeln für den wahrscheinlichen Fall, dass der Gegner mal am Ball ist. „Das gehört dazu, das ist nun mal die Basis des Fußballs. Das darf man nicht verteufeln“, sagte er unlängst im Podcast „From Coach to Coach“. Doch scheint er es nicht als erstrebenswert anzusehen, als bester Balljäger aller Zeiten in die Fußballgeschichte einzugehen. „Mir fallen nicht so viele ein, die sagen: Wenn der Gegner den Ball hat, das ist das Allergeilste“, sagt Kwasniok.

Man sollte mit Ball so fleißig sein wie ohne. Bleib mutig, denn den Mutigen gehört die Welt!
FC-Trainer Lukas Kwasniok

Daher liegt ihm am Herzen, dass jedem Plan ein nächster folgt. Wenn der Ball gewonnen ist, soll seine Mannschaft nicht in Ratlosigkeit verfallen. „Dann solltest du eine Idee haben“, sagt er – und adressiert ein Problem, das die Kölner Mannschaft in der vergangenen Saison immer wieder und in wachsendem Ausmaß offenbarte, bis Trainer Gerhard Struber nach der hilflosen Leistung im Heimspiel gegen Regensburg (1:1) gehen musste.

Dem Plan muss ein Plan folgen

Damals zeigte sich, dass der Trainer es trotz anderslautender Versprechen nie geschafft hatte, seinen Leuten über den Moment des Ballgewinns hinaus einen Plan zu vermitteln. Kwasniok scheint diese Gefahr erkannt zu haben, daher gilt für ihn nach erfolgreicher Balljagd ein zentraler Grundsatz: „Man sollte mit Ball so fleißig sein wie ohne“, sagt er – und fordert auch eine gewisse Risikolust: „Bleib mutig, denn den Mutigen gehört die Welt!“

Kwasniok steht zwar für einen aktiven Spielstil und eine mindestens lebendige Art des Coachings und könnte damit an Steffen Baumgart erinnern, der in Paderborn sein direkter Vorgänger war und der auch in Köln seine Spuren hinterlassen hat. Doch Kwasniok lässt seine Mannschaften ihre Gegner kontrollierter attackieren. Das Kölner Publikum dürfte es ihm verzeihen. Gerade die späte Phase unter Baumgart und die Zeit Gerhard Strubers hat die Sehnsucht nach mehr Spielkultur genährt.

Lukas Kwasniok im Kreise seiner neuen Spieler

Lukas Kwasniok im Kreise seiner neuen Spieler

Der Trend geht insgesamt dahin, wieder abwartender zu spielen, was auch daran liegt, dass die Profis am Ball immer besser werden und daher viel weniger leicht aus der Fassung zu bringen sind. „Früher gab es die sogenannte Holzkuh – wurde der angespielt, hat man ihn angelaufen und er hat den Ball nach vorn geknüppelt“, berichtet Kwasniok: „Solche Spieler gibt es zwar noch. Die werden aber sogar in der Zweiten Liga immer weniger“, sagt der Coach.

Sogar Torhüter sind mittlerweile beidfüßig, außerdem werden die Plätze immer besser. Es gibt kaum noch Fehler durch äußere Einflüsse. Die guten Mannschaften haben mittlerweile Lösungen für den Pressingfußball gefunden, der vor mehr als zehn Jahren aufkam und beim 1. FC Köln zuletzt etwas spät und etwas zu sehr als Ziel allen Wünschens ausgemacht worden war. Aus Kwasnioks Sicht sind mittlerweile viele Spieler und Teams „nicht mehr pressbar: Gegen Manchester City Mann gegen Mann anzulaufen – das funktioniert vielleicht einmal oder auch zweimal. Aber beim dritten Mal nehmen sie dich auseinander.“