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WM-Kolumne „Wir schauen hin“Das tolle Eigentor der Fifa

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Lesezeit 3 Minuten
Beim Spiel Portugal gegen Uruguay hat ein Flitzer eine Regenbogenfahne vor den Füßen des Schiedsrichters fallen lassen. Der hebt sie auf und bringt sie an den Spielfeldrand.

Der iranische Schiedsrichter Alireza Faghani mit der Regenbogen-Fahne.

Ein mit politischen Symbolen wie einer Regenbogenfahne ausstaffierter Flitzer hat in der Partie Portugal gegen Uruguay weltweit für Furore gesorgt, obwohl er nicht im Livebild zu sehen war.

Natürlich gibt es die selbstverliebten Darsteller, die den riesigen Rahmen nutzen, den zum Beispiel ein Fußballspiel besitzt, das weltweit oder national von der Bundesliga übertragen wird. Um im besten Fall vor einem Milliardenpublikum sich selbst zu zeigen oder, auch oft genug im Programm, offenzulegen, wie sie aussehen, wenn sie gar keine Kleidung tragen.

Weil es ja durchaus Sinn ergibt, Nachahmern zu demonstrieren, dass es nichts nutzt, den Hauptteil der Stadionaufführung auf diese Weise zu stören, zeigt die Regie in solchen Momenten die Torpfosten, irgendeinen Spieler, der auf den Boden schaut oder den Schiedsrichter, der seine Karte sortiert. Wie gesagt: Das ist richtig so.

Flitzer trug auch Symbole für die Ukraine und den Iran

Wenn aber in einer ohnehin schon politisch aufgeladenen Atmosphäre das wahrscheinlich ja größte Sportereignis der Welt, also die Fußball-Weltmeisterschaft, wie am Montag im Spiel Portugal gegen Uruguay dafür genutzt wird, um ein wenig Werbung für die Verbesserung der Zustände menschlichen Zusammenlebens auf diesem Globus zu machen, sollte genau das nicht passieren: Zwangsverordnetes Wegsehen müssen. Deshalb lohnt es sich, an dieser Stelle noch mal genau hinzuschauen.

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Punkt eins: der Mut. Neben der Regenbogenfahne hatte sich der in ein Superman-Weltretter-T-Shirt gekleidete junge Mann, ein erfolgreicher italienischer Serienflitzer namens Mario Ferri (35), auch noch Botschaften auf sein Oberteil gedruckt. Vorne: „Save Ukraine“. Hinten: „Respect for Iranian Woman“.

Die Fifa als Veranstalter und als Chefin über die Bildregie der Spiele, die sie in ihrem Namen diesmal in Katar ausrichtet, weiß natürlich, dass es sich um höchst sensible, in katarischen und Weltverbands-Geheimdiensten viel diskutierte Inhalte und Symbole handelt.

Damit der Gast der Party (Fifa) den mit mittelalterlichen, kranken, absurden und definitiv falschen Werten ausstaffierten Gastgeber (Katar) nicht brüskiert, wurden die Bilder des Signore Ferri schlicht ignoriert.

Ein Eigentor für die Fifa

Punkt zwei: ein Eigentor. Dieser Fall ist ein besonderer, das weiß natürlich auch die Fifa und entschied sich erneut zu einem Kotau vor den die Fete bezahlenden Katarern. Und gerade deshalb ist die von ihr gewählte Nicht-Sendung des Vorfalls ein Eigentor. Weil er sich dennoch in der ganzen Welt verbreiten würde. Zwar nicht mit Live-Bildern, sondern mit Fotos.

Die Fifa aber nahm es in Kauf, dass über sie erneut mit fassungsloser Erregung geredet wird, weltweit, dabei hätte sie die Chance gehabt, auch mal positiv aufzufallen – indem sie den Superman gezeigt hätte.

Punkt drei: der Volltreffer. Der politische Flitzer Ferri hat aus seiner Sicht überragend geliefert. Denn er hat die Regenbogenfahne vor den Füßen des passenderweise auch noch iranischen Schiedsrichters abgelegt. Und so zeigte die Fifa-Weltregie tatsächlich in einem Akt von Selbstvergessenheit einfach mal den Unparteiischen, um Überbrückungsbilder zu senden.

Doch der hob punktgenau die verbotene Fahne plötzlich auf. Und wurde dabei gefilmt, wie er kurz darauf gemeinsam mit dem Regenbogenemblem spazierte, weil er es am Spielfeldrand ablegen wollte.

Es war also wunderbar zu vernehmen, auf der ganzen Welt, wie schön die Fifa sich auf diese Weise doch noch selbst hereingelegt hat. Nochmals Chapeau also für Marco Ferri, der sogar einen kurzfristigen Arrest in Kauf nahm, ehe er wieder in die Freiheit entlassen wurde, wie das italienische Außenministerium am Dienstag mitteilte. Weitere Konsequenzen muss er offenbar nicht befürchten.

Auch ohne im Fernsehbild gewesen zu sein, hat er mit großem Mut seine Botschaft im wahrsten Sinne an den Mann gebracht. Und an die Frau selbstredend gleich mit, logisch. Hurra.

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