ZDF-Reporter Oliver Schmidt„Ich bin nicht Weltmeister und war nie Papst“

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ZDF-Journalist Oliver Schmidt

Köln – Herr Schmidt, Sie werden am 17. Juni das Spiel Deutschland gegen Mexiko im ZDF kommentieren. Sind Sie nur Kommentator oder  auch Fan der deutschen Mannschaft?

Ich bin Kommentator. Grundsätzlich bin ich da kein Patriot. Ich mag meine Heimat, den Ort, an dem ich lebe. Und ich bin Fußballfan, aber kein Deutschland-Fan. Es wird  erwartet, dass auch Emotionen da sind. Am Ende ist aber die Objektivität das, was unseren Beruf auszeichnen sollte.

Sie treten nicht in lautstarke Konkurrenz mit Kollegen aus Südamerika?

Um Gottes Willen, nein. Wenn ein Spiel mich mitreißt, dann merkt man mir das an, das darf und muss auch so sein. Aber wenn im Stadion nichts oder wenig los ist, dann muss ich nicht die ganze Zeit quasseln oder bei jedem Schuss schreien, der daneben geht. Das finde ich nicht angebracht, und es würde nicht meinem Naturell entsprechen. Ein Reporter muss sich selbst treu bleiben, ich bin eher sachlich-analytisch. Die deutschen Spiele haben sich natürlich emotionalisiert – durch die Erfindung des Rudelguckens 2006. Das wird auch bei uns diskutiert. Es gibt Kollegen, nicht unbedingt beim ZDF, die emotionaler kommentieren und mehr das „Wir“ betonen. Wobei ich sage: Es gibt kein „Wir“, das überschreitet für mich eine Grenze. Wenn es mir herausrutschen würde, hätte ich danach ein sehr schlechtes Gefühl. Ich stehe nicht auf dem Platz, ich bin auch nicht Weltmeister und war nicht Papst. Es ist eine Diskussion, die noch läuft. Bei uns werden die Kommentatoren aber so respektiert, wie sie sind.

Zur Person

Oliver Schmidt, geboren 1972, ist seit 1998 Fußball-Reporter beim ZDF. Seit 2010  gehört er zum Kommentatoren-Team des Senders bei WM- und EM-Endrunden. (cm)

Ihnen ist es am Wichtigsten, ein schönes Fußballspiel zu sehen?

Es muss gar nicht schön sein, emotional, leidenschaftlich  und ereignisreich reicht aus. Wenn man einer Mannschaft ansieht, dass sie Spaß hat und mit Leidenschaft spielt, dann kann mich das überzeugen.  Als Kind der 1970er und 80er Jahre kommt man  vom handfesten Fußball.  Wenn Feuer in einem Spiel ist, dann überträgt sich das in einem Stadion auf die Zuschauer. Und auch auf mich, denn ich mag das. Ich mag natürlich auch schöne Spiele, wie Deutschland gegen Spanien im März, das war ein wunderbares Freundschaftsspiel. Aber das gibt es natürlich nicht alle Tage.

Kommentatoren werden oft  heftig kritisiert, manchmal sogar in Shitstorms. Wie gehen Sie damit um, wenn es Sie trifft?

Wenn  Kritik sachlich ist, ist es in Ordnung. Ärgerlich finde ich es, wenn es sehr populistisch oder beleidigend wird. Aber es verändert mein Leben Gott sei Dank nicht. Ich weiß so etwas einzuordnen.

ARD und ZDF sparen

Die öffentlich-rechtlichen Sender werden bei der WM in Russland alle Spiele live zeigen und Kommentatoren sowie Reporter in die Stadien schicken. Die Experten und Moderatoren reisen jedoch nicht nach Russland. ARD und ZDF produzieren ihre Sendungen in WM-Studios im Funkhaus Baden-Baden.  Dadurch sparen die Anstalten Reise- und Personalkosten – pro Sender in Höhe einer siebenstelligen Summe. (cm)

Wie bereiten Sie sich auf die Spiele vor, bei denen Sie am Mikrofon sitzen?

Vor dem Abflug nach Russland muss das Gerüst stehen, so dass ich jederzeit anfangen könnte. Das bedeutet: Man muss die Kader kennen, historische Dinge, Statistiken, die Trainer, die Stadien und Städte – also die Basics. Dazu gehört auch, dass man sich ganze Spiele der Mannschaften anschaut, die man nicht so gut kennt. Man prägt sich viele Spieler visuell ein, man weiß, wie sie laufen und wo sie laufen.

Eine wissenschaftliche Herangehensweise?

Es ist ein fußballinteressierte Herangehensweise: alles sehen, alles aufsaugen. Ich mache mir Notizen, schreibe mir auch in Lautschrift auf, wie Namen ausgesprochen werden. Am Ende nehme ich zwei DIN-A4-Seiten voller Notizen mit ins Stadion, für meine Sicherheit. Denn es zeigt sich  immer wieder, dass ich davon 90 Prozent nicht brauche. Ich begleite ja das Spiel, das ich live sehe.

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