Leverkusens PokalgegnerAls Alemannia Aachen die Bayern nervte

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Beim Triumph über die Bayern anno  2004 – Erik Meijer 

  • Bayer 04 Leverkusen trifft am Samstag in der 1. Runde des DFB-Pokals auf Alemannia Aachen.
  • Der aktuelle Regionalligist blickt auf eine bewegte Pokal-Historie zurück, unter anderem wurde der übermächtige FC Bayern geärgert.
  • Wir erinnern an die Aachener Highlights.

Köln – Die Rollen sind am Samstag klar verteilt: Bayer 04 Leverkusen, Champions-League-Teilnehmer, trifft in der ersten Runde des DFB-Pokals auf Alemannia Aachen, Regionalligist, mit einer Niederlage und einem Unentschieden in die neue Spielzeit gestartet. Der letzte Sieg der Alemannia gegen Bayer 04 liegt mehr als 40 Jahre zurück, die letzten beiden Partien in der Bundesliga-Saison 2006/07 entschied die Werkself für sich. Wenn kein Wunder geschieht, ziehen die Leverkusener in die zweite Runde ein.

Stimmungsvolle Bruchbude

Vor mehr als 15 Jahren, am 4. Februar 2004, waren die Rollen auch klar verteilt: FC Bayern München war im Pokal-Viertelfinale zu Gast am Aachener Tivoli. Rekordmeister gegen ambitionierten Zweitligisten. Und das auf dem Aachener Tivoli, 20400 Zuschauer, berüchtigte, stimmungsvolle Bruchbude in den letzten Jahren ihrer Existenz.  Bei Alemannia Aachen begannen Zweitliga-Rekordspieler Willi Landgraf, Ivica Grlic, der aktuelle Trainer von Dynamo Dresden, Christian Fiél, und Stürmer Erik Meijer, auf der Bank saß der 2010 verstorbene Jörg Berger .   Für die Bayern unter Ottmar Hitzfeld liefen Bixente Lizarazu, Michael Ballack und Roy Makaay auf, neben Hasan Salihamidzic, Jens Jeremies, Samuel Kuffour – und Oliver Kahn.

Ein Fehler des Welttorhüters begünstigte in der 34. Minute den Führungstreffer der Heimmannschaft. Aachens Stefan Blank zog aus rund 30 Metern von links einfach mal ab. Kahn stand schlecht, der Ball schlug rechts neben ihm ein. Der Tivoli bebte, der Autor dieses Textes mittendrin, im S-Block, Stehplatz, Trommler, Ultras, nicht wie in anderen Stadien üblich hinter dem Tor, sondern auf der Gegengeraden.

In der 45. Minute dann der Ausgleich durch Bayern-Kapitän Ballack. Chancen der Münchner, das Spiel zu drehen, doch Alemannia hielt das 1:1 bis zur 81. Minute. Dann tankte sich Bachirou Salou auf der linken Seite durch, passte auf Frank Paulus, der flankte in den Strafraum, Erik Meijer schraubte sich hoch und köpfte den Ball ins Netz.

Der 2:1-Triumph war der erste von drei Aachener Siegen aus vier Spielen gegen die Bayern in den kommenden Jahren und der gefühlte Anfang einer sehr großen Zeit des Aachener Traditionsvereins, der in den 1960er Jahren einmal Vizemeister geworden war und sonst keine Erfolge vorweisen konnte. Stets trugen die Schwarz-Gelben Schulden vor sich her, zu deren zeitweiser Tilgung auch das Taschengeld des Autors beitrug, der es Anfang des Jahrtausends in eine Spendenbüchse warf, als der Verein mal wieder vor dem Ruin stand.

Im Pokal-Halbfinale 2004 besiegte Aachen Borussia Mönchengladbach 1:0. Mit Videobeweis wäre es wohl in die Verlängerung gegangen, schließlich spielte Aachens George Mbwando den Ball kurz vor Spielende im Strafraum klar mit dem ausgestreckten Arm.

Aachen zog in den Uefa-Cup ein

Beim Pokalfinale in Berlin holte Werder Bremen mit einem 3:2 gegen Aachen erstmals das Double, als Finalist zog die Alemannia dennoch in den Uefa-Cup ein. Nach Spielen gegen FH Harfnarfjördur aus Island, Zenit St. Petersburg, AEK Athen, FC Sevilla und OSC Lille scheiterte der deutsche Zweitligist erst im Sechzehntelfinale an AZ Alkmaar. Seine Heimspiele trug die Alemannia übrigens in Köln aus,  der Tivoli genügte den Ansprüchen der Uefa nicht.

Mit dem Geld aus DFB- und Europapokal sanierte sich Aachen, ein Jahr später stieg der Verein nach 36 Jahren wieder in die Bundesliga auf.

Im Dezember 2006, wieder die Bayern, wieder DFB-Pokal, wieder auf dem Tivoli, diesmal im Achtelfinale, gewann Alemannia 4:2. Zur Halbzeit führte der Bundesliga-Aufsteiger bereits 3:0, die Bayern kamen bis auf ein Tor ran, bis Jan Schlaudraff in der 90. Minute alles klar machte. Er bekam auf Höhe des Mittelkreises den Ball, dribbelte sich durch die gesamte Hintermannschaft des Rekordmeisters und schlenzte den Ball an Michael Rensing vorbei ins Bayern-Tor.

In der Bundesliga lief es gut: Auf Platz neun liegend betrug der Punktestand nach 26 Spieltagen 33 Punkte, es roch nach Klassenerhalt. In acht Partien gelang dann nur noch ein Unentschieden gegen VfL Wolfsburg. Aachen stieg als 17. ab.

Ein Schatten seiner selbst

Heute ist der Verein ein Schatten seiner selbst. Bereits mit der Eröffnung des neuen Tivoli, mehr als 30.000 Plätze, ging es am ersten Spieltag der 2. Bundesliga 2009 denkbar schlecht los: Gegen St. Pauli setzte es eine 0:5-Klatsche. Am Ende der Saison rettete die Stadt Aachen die Alemannia vor dem Lizenzentzug, der Verein war durch den Stadionneubau finanziell wieder einmal in Schieflage geraten. 2012 stieg die Alemannia als Vorletzter in die 3. Liga ab. Das erste Insolvenzverfahren folgte, Aachen fiel weiter: Abstieg als Letzter in die Regionalliga West.

2017 folgte die nächste Insolvenz. Die große Zeit der Alemannia ist lange vorbei, der Verein dümpelt seit Jahren in der Viertklassigkeit, ein Ausweg ist nicht in Sicht. Der 3:1-Sieg im Finale des Mittelrhein-Pokals gegen Fortuna Köln in der vergangenen Saison bedeutete die erstmalige DFB-Pokal-Teilnahme seit sieben Jahren.

Die Rollen am Samstag  gegen Bayer 04 Leverkusen sind klar verteilt – aber vielleicht, ganz vielleicht, gelingt Alemannia Aachen ja doch mal wieder ein kleines Wunder.

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