Bayer-04-BilanzRolfes verlangt von Seoane und der Mannschaft den nächsten Schritt

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Sportdirektor Simon Rolfes und Gerardo Seoane

Leverkusen – Von Frank Nägele Simon Rolfes hat keine Probleme, die Vorrunde nach dem missglückten Abschluss in einem Satz unterzubringen: „Mit der Platzierung sind wir zufrieden. Aber wir sind nicht mit allem glücklich.“

Das Fazit des Sportdirektors ist leicht nachzuvollziehen. Ein Gedankenspiel verdeutlicht den Zwiespalt. Wenn die Glaskugel den Leverkusenern im August prophezeit hätte, dass sie nach dem letzten Spiel des Jahres mit deutlichem Vorsprung auf die vermeintlichen Hauptkonkurrenten Leipzig, Mönchengladbach und Wolfsburg in der Champions-League-Zone der Bundesliga-Tabelle stehen würden, hätte das wohl einen Jubelschrei zur Folge gehabt. Er wäre allerdings verstummt, wenn Teil zwei der Prophezeiung gelautet hätte: Ihr landet hinter dem SC Freiburg, drei Punkte vor dem 1. FC Köln und euer Abstand zum Tabellenführer wird drei Punkte größer sein als der zum ersten direkten Abstiegsplatz.

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Mit diesen Fakten ist die seltsame Hinrunde dieser Liga und die Rolle von Bayer 04 schon fast hinreichend beschrieben. „Es gibt Entwicklungen, mit denen wir zufrieden sind. Zum Beispiel mit der Flexibilität des Offensivspiels“, sagt Rolfes. „Und es gibt Entwicklungen, mit denen wir noch nicht zufrieden sind. Wir machen in der Defensive vor allem individuell zu viele Fehler.“ Diese große Schwäche des Bayer-Teams, die in den letzten drei Spielen gegen Frankfurt (2:5), Hoffenheim (2:2) und am Sonntag in Freiburg (1:2) drei bis vier Punkte kostete, mit denen die Welt jetzt anders aussähe, war beim letzten Auftritt des Jahres wieder exemplarisch zu betrachten.

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Sechs Minuten vor dem Ende eines Spiels, das auf ein logisches und für alle akzeptables 1:1 zusteuerte, unterliefen der zuvor schon wackligen Defensive zwei schwere Aussetzer. Jonathan Tah, der eigentlich in die Abwehrmitte gehört hätte, hinderte den Freiburger Ermedin Demirovic auf der linken Seite nicht an einer Flanke, Dailey Sinkgraven, dessen Job das Verhindern der Flanke auf der Außenposition gewesen wäre, kam in der Mitte zu spät. Und Torhüter Lukas Hradecky zögerte beim Schritt auf den Schützen Kevin Schade zu. So fiel der Freiburger Siegtreffer. Und Bayer 04 hatte die Geschichte einer Mannschaft fortgeschrieben, die an guten Tagen alle Zauberstücke des Spiels beherrscht und an schlechten nicht seine Basiselemente.

Auffallend war die Selbstanklage der Spieler, in die sie das gesamte Team mit einbezogen. Robert Andrich holte zu einem Rundumschlag aus, dem der Trainer später öffentlich so nicht folgen wollte: „Wir bekommen zu viele Gegentore. Das hat damit zu tun, das Tor verteidigen zu wollen - mit allem, was man hat. Das machen wir einfach gar nicht“, wetterte der defensive Mittelfeldspieler, „wir denken, wir machen das schon mit unseren Offensivleuten vorne. So wird es einfach nichts. Wir müssen uns schnell klar werden, dass erst mal die Defensive entscheidend ist.“ Der Mann wurde im Sommer als Mentalitätsspieler von Union Berlin geholt. Wie ernst er diese Rolle nimmt, war im Anschluss an das 1:2 zu beobachten, als er den überforderten Kollegen Sinkgraven für dessen Fehler deutlich sichtbar verbal zusammenfaltete.

Solche emotionalen Ausbrüche gehören nicht zum Repertoire des Trainers Gerardo Seoane, dem Selbstkontrolle offenbar wichtiger ist als seiner Mannschaft die Spielkontrolle. „Es gibt viele Dinge aufzuarbeiten, aber das mache ich nicht in der Öffentlichkeit“, erklärte der Schweizer nach dem Spiel. Sein Vorgesetzter, der Sportdirektor, wird ein wenig deutlicher. „Die Vorrunde war ein Auf und Ab, mit guten Phasen und Phasen, in denen wir es nicht gut gemacht haben“, sagt Simon Rolfes im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, „unsere Ansprüche und Ziele sind hoch. Wir haben die Maßgabe, uns permanent weiterzuentwickeln.“

Oder anders: Der Trainer mit seinem Team muss der Mannschaft ihre immer wiederkehrenden Defizite schnell austreiben. Wer glaubt, dass die Rückrunde einfacher wird und Phänomene wie Freiburg und Union Berlin aus der Spitzengruppe der Liga von selbst verschwinden, könnte sich irren. „Die Tabelle zeigt schon ein realistisches Bild. Union ist sehr stabil und hat schon letzte Saison oben mitgespielt. Freiburg hat einfach eine gute Mannschaft. Ich rechne nicht damit, dass sie einbrechen“, sagt Simon Rolfes, der im Januar die Abwehrspieler Odilon Kossounou (Elfenbeinküste) und Edmond Tapsoba (Burkina Faso) für den Afrika Cup an ihre Landesverbände abgeben muss, falls der Wettbewerb in Kamerun nicht abgesagt wird. „Da müssen wir durch“, sagt der Sportdirektor, der Neuverpflichtung weitgehend ausschließt. „Ich rechne nicht mit Transfers“, sagt Rolfes, „wir haben einen guten Kader.“

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