Bayer 04Der Iraner Sardar Azmoun ist nach über einem Jahr angekommen

Lesezeit 4 Minuten
Sardar Azmoun bejubelt sein erstes Saisontor.

Sardar Azmoun bejubelt sein erstes Saisontor.

Der iranische Volksheld widmete das 1:1 in Freiburg den unter dem Regime leidenden Landleuten,

Dass etwas anders war als sonst, fiel schon auf, als Sardar Azmoun in Freiburg auf den Platz lief. Erstens: Er stand in der Startaufstellung. Zweitens: Sein Haar war getrimmt. Die schwarze Scheitel-Matte, das Markenzeichen des iranischen Volkshelden, war verschwunden. Und dann geschah noch etwas anders: Sardar Azmoun erzielte ein Tor für Bayer 04 Leverkusen.

Dieses 1:1 nach gut einer Stunde hat dem Tabellenelften der Bundesliga im Breisgau zwar nur einen Punkt eingebracht und seine Ausgangsposition im Kampf um Platz sieben, das derzeit realistische Saisonziel in der Liga, mit jetzt fünf Punkten Rückstand eher verschlechtert als verbessert. Aber darum ging es nicht. Bayer 04 Leverkusen hat mitten in der Saison einen Spieler dazu gewonnen, der schon verloren geglaubt war.

Das darf behauptet werden nach drei Spielen, in denen der Iraner Signifikantes beigetragen hatte zum Spiel seiner Mannschaft. Bei der 2:3-Niederlage gegen Mainz 05 war ihm der erste Assist der Saison gelungen. Im Elfmeterschießen von Monte Carlo hatte er mit seinem frech verwandelten Auftakt den Ton für eine perfekte Darbietung und den Sieg im ultimativen Shootout gesetzt. Und in Freiburg schließlich hat er sein erstes Saisontor erzielt. Für einen Stürmer ist das in der Bundesliga Ende Februar eigentlich eine traurige Nachricht. Denn sie bedeutet, dass zuvor alles schief gelaufen sein muss.

Alles zum Thema Fußball-Bundesliga

Im Fall von Azmoun währte dieser Zeitraum schon mehr als ein Jahr, denn seit seiner Ankunft im Januar 2022 hat man nie den Spieler gesehen, dessen exzellente Torquote aus der russischen Liga und der iranischen Nationalmannschaft bereits wie Erzählungen aus dem Reich der Fabel anmuteten. Es hätte offenbarnicht viel gefehlt und Azmoun wäre im Winter zu Olympique Marseille gewechselt. „Alles schien fast perfekt, dann wurde der Transfer abgesagt“, hat der Mittelstürmer iranischen Medien erzählt.

Interesse aus Marseille, aber kein attraktives Angebot

Allerdings hat man in Leverkusen wohl immer eine Ahnung vom Wert dieses Profis gehabt, denn Patrik Schick ist nach seiner langwierigen Adduktorengeschichte noch nicht der Klassestürmer, den man kennt. Und in Spielen ohne echte Neun wirkte das Spiel der Werkself bedenklich konterlastig. „Es gab Interesse aus Marseille, aber kein Angebot, dass bei uns im Ansatz Interesse geweckt hätte“, erklärt Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ und lobt: „Sardar gibt Gas und zeigt sich viel besser. Im Training und im Spiel.“

In Freiburg hat Azmoun auch eine Qualität bewiesen, die von ihm bislang gänzlich unbekannt war: Effektivität. Der erste Schuss aufs Tor, quasi die erste aktive Ballaktion im Spiel, führte sofort zum 1:1. Und es war ein echtes Stürmer-Instinkttor, zwischen zwei Innenverteidigern auf engstem Raum mit einem Direktschuss erschlichen. Nach dem Spiel widmete es der mutigste aller iranischen Fußball-Stars, der sogar bei der WM Zeichen gegen das Mullah-Regime gesendet hatte, seinem Volk: „Die Menschen sind immer an meiner Seite, ich denke immer an sie, ich bin an ihrer Seite“, erklärte er.

Trainer Xabi Alonso lobt die Fortschritte des Mittelstürmers

Vielleicht hat zwischen Bayer 04 und diesem außergewöhnlichen Spieler inzwischen ein Prozess des Verstehens stattgefunden. Im Werksklub war man sich lange Zeit offenbar nicht bewusst, einen Pferdezüchter, Galopp-Fanatiker und Besitzer des talentiertesten Frauen-Volleyball-Teams seines Landes verpflichtet zu haben. Und einen Kämpfer für die Frauen-Rechte dazu, der den Widerstand gegen die Diktatur der Mullahs unterstützt und der von der Unterdrückung seines Volkes nicht unberührt bleibt.

Es ist nicht möglich, Sardar Azmoun, den Unternehmer, Volkshelden und Torjäger,wie einen ganz normalen Profi zu behandeln, der seine Leistung zu erbringen und sich zu fügen hat. Wichtig war deshalb das Zeichen, das der Werksklub gesetzt hat, als der Streit zwischen kritischen Nationalspielern und dem Regime bei Testspielen in Österreich vor der WM zu eskalieren begann. Man stellte sich mit einer offenen Erklärung an die Seite des Spielers und unterstützte ausdrücklich dessen Einsatz für Frauen- und Menschenrechte in seiner Heimat.

Ich bin so glücklich hier
Sardar Azmoun

Seitdem Sardar Azmoun zu richtiger Fitness gefunden hat, kommt Xabi Alonso nur schwer an ihm als Alternative vorbei. „Man kann sehen, dass er sich besser fühlt, leichter und schneller. Jeden Tag im Training zeigt er das“, sagte der Bayer-Trainer über den 28-Jährigen. „Wir wussten um seine Qualität. Aber Stürmer brauchen immer auch Tore.“ Was Tore bewirken, zeigt sich jetzt. Für einen Stürmer vor allem Lebensqualität. Sardar Azmoun, der lange Zeit betrübt Wirkende, formulierte es nach dem Spiel so: „Ich bin so glücklich hier.“

KStA abonnieren