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Von Tita bis ArthurBayer 04 und Brasilien – eine besondere Beziehung

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1997: Borussia Dortmund gegen Bayer Leverkusen - Paulo Sergio (M), gegen die Dortmunder Stefan Reuter (li) und Matthias Sammer (re).

1997: Leverkusens Paulo Sérgio (M.) gegen die Dortmunder Stefan Reuter (l.) und Matthias Sammer (r.).

Bayer 04 Leverkusen ist ins Trainingslager in Rio de Janeiro gestartet. Die Reise soll die Verbindung des Klubs nach Brasilien weiter stärken.

Als sich der Bayer-Tross mit mehr als 70 Menschen am Dienstagmorgen am Strand von Rio de Janeiro versammelt hat, nimmt Paulo Sérgio das Mikrofon in die Hand und wirkt emotional berührt: „Ich bin sehr stolz, dass ihr alle hier seid. Herzlich willkommen in Brasilien.“ 2024 wurde Sérgio zur offiziellen „Klublegende“ von Bayer 04 ernannt. Der 56-Jährige steht zusammen mit Jorginho und Tita für den Beginn einer tiefen Verbindung zwischen Bayer 04 und Brasilien, die mit dieser neuntägigen Trainingslagerreise weiter ausgebaut werden soll.

Insgesamt 24 Brasilianer trugen bisher das Trikot mit dem Kreuz auf der Brust. In 1754 Pflichtspielen für Bayer 04 erzielten sie 237 Tore. Im aktuellen Kader steht in Arthur ein Spieler aus dem flächenmäßig größten Land Südamerikas. Brasilien ist mit Abstand die größte Legionärs-Nation in der Leverkusener Historie, auf Rang zwei folgen mit weitem Abstand Polen und Kroatien mit jeweils 16 Profis, Rang drei geht an die Türkei mit zwölf Spielern.

Alles fing vor 38 Jahren an, als Günter W. Becker, der als Vorstandsmitglied der Bayer AG damals Sprecher für die Region Lateinamerika und bestens vernetzt war, 1987 den Kontakt zu Tita herstellte. „Er fragte mich, ob ich mir vorstellen könne, in Deutschland zu spielen und nach Leverkusen zu kommen. Ich habe das allerdings erst gar nicht so ernst genommen und ehrlich nicht daran geglaubt, dass das wirklich passieren konnte. Ich kannte den Klub überhaupt nicht“, sagte Tita einmal. Doch ein paar Monate später feierte der damals 29-Jährige sein Debüt für Bayer 04, am 2. September im Spiel beim 1. FC Köln.

Alles begann 1987 mit Tita

Tita wohnte für ein halbes Jahr im Ramada-Hotel in Wiesdorf, besonders Trainer Erich Ribbeck förderte den „kleinen Zauberer“, wie er genannt wurde. Es sollte sich auszahlen. Tita schoss wichtige Tore, vor allem im Finale des Uefa-Cups 1988 gegen Espanyol Barcelona, als sein Treffer zum 1:0 die legendäre Aufholjagd nach 0:3 im Hinspiel einläutete, die im Titelgewinn nach Elfmeterschießen mündete. Doch bereits nach dieser Saison verließ Tita Leverkusen wieder.

1988: Falko Götz (li.) und Tita mit dem Uefa-Pokal.

1988: Falko Götz (l.) und Tita mit dem Uefa-Pokal.

„Ich hatte kein gutes Gefühl beim neuen Trainer Rinus Michels, auch im Vorstand bei Bayer 04 gab es Veränderungen“, sagte er. Aber Tita wollte nicht verhehlen, dass er sich im Vergleich zu anderen in der Mannschaft unterbezahlt fühlte. „Es passte einfach einiges nicht mehr zusammen.“ Er wechselte nach Italien zu Pescara Calcio in die Serie A, aber nach zwei Jahren in Europa ging es bereits wieder zurück in die Heimat zu Vasco da Gama.

Bei Bayer folgten auf Tita 1987 Jorginho und dann 1993 Sérgio als nächste brasilianische Zugänge. Sie wurden zu echten Bayer-04-Legenden – wie später auch Emerson, Lucio oder Zé Roberto. Einige der Klub-Ikonen sollen im Rahmen des Trainingslagers in verschiedene Veranstaltungen eingebunden werden.

2002:  Ze Roberto im Spiel gegen Werder Bremen.

2002: Zé Roberto im Trikot von Bayer 04

„Das ist fest eingeplant. Sicher zugesagt haben ehemalige Spieler wie Paulo Sérgio, Juan, Emerson, Ze Elias oder Jorginho, die vor Ort sein werden. Sie sind Bestandteil einer ganzen Reihe von Programmpunkten und ich freue mich sehr darüber“, sagt Fernando Carro, der Vorsitzende der Geschäftsführung bei Bayer 04, im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Besonders wichtig ist Paulo Sérgio. Er ist seit letztem Jahr erste offizielle Bayer-04-Legende, betreibt mit seinem Sohn Felipe zusammen unsere erst letzte Woche eröffnete Akademie in São Paulo und wird die komplette Zeit mit uns verbringen. Er ist wie eine Art Klassensprecher für seine Kollegen.“

Sérgio war maßgeblich an der Planung und Umsetzung des Trainingslagers der Werkself in seiner Heimat beteiligt. Der Weltmeister von 1994 war ein Jahr zuvor von Corinthians São Paulo nach Leverkusen gewechselt, blieb vier Spielzeiten, machte 150 Spiele und schoss 64 Tore. 

Trotz all der guten Verbindungen des Klubs nach Brasilien war es ein längerer Prozess, bevor sich Bayer 04 endgültig dazu entschied, wirklich eine Sommervorbereitung im südamerikanischen Winter zu absolvieren. Damit betritt der Werksklub Neuland. Nie zuvor fuhr ein Fußball-Bundesligist ins Trainingslager nach Brasilien.

2000: Emerson beim 3:0 gegen den MSV Duisburg.

2000: Emerson beim 3:0-Sieg von Bayer 04 gegen den MSV Duisburg.

„Ich kann nur für uns sprechen. Es war keine leichte Entscheidung. Eine Reise mit diesen logistischen Herausforderungen bedarf einer guten Abwägung, umfangreicher Planung und den Einsatz vieler Ressourcen. Es braucht die absolute Überzeugung aller Verantwortlichen, denn der Start in die Vorbereitung einer neuen Saison kann essenziell für den späteren Erfolg sein. Es muss alles passen“, sagt Carro. „Wir sehen aber auch die Chancen, für die Relevanz der Marke Bayer 04 in Südamerika, sowie für die Bundesliga insgesamt. Diese ist global bislang noch nicht so verankert wie unseren großen Wettbewerber aus England, Spanien und teilweise Italien. Es ist ebenfalls eine Gelegenheit, die internationale Zusammenarbeit mit unserem Mutterkonzern Bayer, der entscheidend an der Umsetzung dieser Reise beteiligt ist, zu vertiefen.“

Die Reise soll auch dabei helfen, dass es nicht bei 24 Profis aus Brasilien im Bayer-Trikot bleibt. Es sollen weitere folgen.