„Spezielle Leistung, die nicht viele Spieler abrufen können“Xabi Alonso schwärmt von Florian Wirtz

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Spielentscheider am Donnerstag: Alejandro Grimaldo und Florian Wirtz (r.)

Spielentscheider am Donnerstag: Alejandro Grimaldo und Florian Wirtz (r.)

Bayers Spielmacher scheint seine schwere Knieverletzung endgültig verarbeitet zu haben.

Das Urteil am späten Donnerstagabend war einstimmig: Das war wieder der alte Florian Wirtz. Dabei wirkt es fast schon wie Unfug, einem gerade mal 20-jährigen Fußballprofi zu attestieren, er sei wieder „der Alte“. Und dennoch steckt in dieser Beobachtung viel Wahrheit. Schließlich hatte Wirtz schon sehr früh, im Alter von gerade mal 17 Jahren, die Messlatte seiner Leistungsfähigkeit sehr hoch gelegt. Bis zu diesem elenden 13. März 2022, als im Heimspiel gegen den 1. FC Köln das vordere Kreuzband im linken Knie riss.

Zwar kehrte der gebürtige Pulheimer bereits im Januar 2023 wieder zurück auf den Rasen, doch die Leistungen schwankten fortan – was nach so einer schwerwiegenden Verletzung naturgemäß ein völlig normaler Vorgang ist. Beim 5:1 seiner Leverkusener gegen Karabach Agdam am Donnerstagabend wirkte es aber nun so, als hätte Wirtz endgültig den langen Schatten dieses Kreuzbandrisses hinter sich gelassen.

Leichtfüßig tänzelte er durch die Reihen der Aserbaidschaner, die sich nur durch Fouls zu helfen wussten, kamen sie denn überhaupt mal in die Nähe, um eines zu begehen. Sein Trainer Xabi Alonso berichtete später mit großen Augen: „Die erste Halbzeit von Flo war außergewöhnlich. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, ihm zuzuschauen.“ Wirtz habe „alles richtig gemacht, er war sehr effektiv, sehr intelligent. Wir müssen versuchen, ihn immer auf dieses Niveau zu pushen.“ Ein Tor und zwei Vorlagen in den ersten 45 Minuten, eine weitere Vorlage im zweiten Durchgang – das war der Arbeitsnachweis des Jungstars.

Bereits in den vergangenen Monaten hatte Wirtz immer mal wieder Glanzlichter gesetzt, in Phasen sein ganzes Können aufblitzen lassen. Doch die Länderspielpause im Oktober scheint eine Zäsur nach der Leidenszeit gewesen zu sein. Neu-Bundestrainer Julian Nagelsmann hatte ihm bei der USA-Reise mit zwei Startelfeinsätzen gegen die Gastgeber und gegen Mexiko signalisiert: Ich baue auf dich im Hinblick auf die Heim-EM 2024. Somit hat der 1,77-Meter-Mann nun neben Alonso den nächsten großen Förderer an seiner Seite.

Großes Lob von Xabi Alonso

Alonso schwärmte auch noch am Tag nach der Gala gegen Karabach von seiner Nummer Zehn. „Vielleicht war es sein bestes Spiel nach der Verletzung. Wir sehen einen Flo, der erwachsen geworden ist. Es war klar, dass er nach der Verletzung etwas Zeit brauchen wird. Aber in dieser Saison sehen wir einen Spieler, der den Unterschied macht.“ Für den Spanier, der den schönen, kontrollierten Fußball liebt, war es eine „spezielle Leistung, die nicht viele Spieler abrufen können“. Alonso führte aus: „Er hat diese Kontrolle zwischen den Linien, kann auf kleinem Raum Außergewöhnliches machen. Es ist etwas, das man einfach hat, das man keinem beibringen kann.“

Wirtz wollte seinen Auftritt gegen einen schwachen Gegner nicht zu hoch hängen, freute sich aber darüber, dass ihm erstmals in seiner Karriere vier Scorerpunkte in einem Spiel gelungen sind. „Es ist immer schön, Rekorde zu brechen. Das macht einfach Spaß und Laune“, sagte er in gewohnt unbekümmerter Manier. Was dem Mann, der bei Bayer 04 noch bis 2027 unter Vertrag steht, in dieser Spielzeit enorm hilft: Er hat formstarke Mitspieler mit überdurchschnittlicher Qualität an seiner Seite – und das, egal wo er hinsieht.

Schaut er nach hinten, ist dort Granit Xhaka zu finden, der Anführer im Maschinenraum, der die Bälle im richtigen Moment kurz oder in die Schnittstellen spielt. Sieht er zur Seite, stehen dort meist Alejandro Grimaldo, Jeremie Frimpong oder Jonas Hofmann, die derzeit wohl alle eine ihrer besten Karrrierephasen durchleben. Und schaut er nach vorne, sieht er Victor Boniface, den immer kämpfenden Nigerianer, der selbst an schlechten Tagen noch ein 20-Meter-Traumtor im Fuß hat wie gegen Karabach.

Patrik Schick feiert Comeback

Und sollte Boniface mal nicht zur Verfügung stehen, bekommt Wirtz nun noch einen weiteren Abnehmer für seine Zuspiele: Patrik Schick. Der Tscheche feierte am Donnerstag sein lautstark umjubeltes Comeback nach 231 Tagen Pause, die eine hartnäckige Adduktorenverletzung samt letztlich unumgänglicher OP gefordert hatte. „Es war sehr emotional. Es hat sich angefühlt wie ein Tor. Ich habe so lange dafür gearbeitet“, sagte der 27-jährige Tscheche zu seiner Einwechslung in der zweiten Hälfte. Es sei zwar „nicht der schönste Tag“ seines Lebens gewesen, „aber ein sehr besonderer“.

Wirtz und seine kongenialen Partner haben mit dem 5:1 jedenfalls das Tor zum Gruppensieg in der Europa League weit aufgestoßen und könnten womöglich schon in der übernächsten Woche beim Rückspiel gegen Karabach in Baku durchgehen. Zuvor stehen aber noch drei wichtige Aufgaben an: Am Sonntag (17.30 Uhr) und kommenden Samstag in der Liga gegen Freiburg und in Hoffenheim. Und zwischendurch im Pokal am Mittwoch (18.30 Uhr) bei Drittligist SV Sandhausen. Das Ziel ist klar: Mit einem top aufgelegten Florian Wirtz auch die Pflichtspiele 13 bis 15 ungeschlagen bleiben.

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