Bayer-Macher Simon Rolfes„15 Jahre Profi-Erfahrung kann man nicht erlernen“

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Simon Rolfes (36) ist seit 1. Dezember 2018 Sportdirektor bei Bayer 04, zuvor war er Leiter der Nachwuchsabteilung. Als Profi absolvierte Rolfes 288 Pflichtspiele für die Werkself. 

  • Der Sportdirektor von Bayer Leverkusen spricht über Strategie, Pläne und seinen Weg ins Management
  • Die Qualität der Spieler geht dem ehemaligen Bayer-Kapitän bei Neuverpflichtungen über alles
  • Der Job als Sportdirektor bei Bayer 04 ist für den früheren Nationalspieler eine Herzensangelegenheit

Herr Rolfes, in Ihrer ersten Sommerpause als Sportdirektor von Bayer 04 Leverkusen hat sich viel bewegt. Sie haben Moussa Diaby von Paris St.-Germain,  Daley Sinkgraven von Ajax Amsterdam und noch während der Saison Kerem Demirbay aus Hoffenheim verpflichtet. Besonders der Transfer des hoch talentierten Franzosen Diaby für den als günstig bewerteten Preis von 15 Millionen Euro galt als Coup. Was können Sie solchen umworbenen Spielern bieten außer Geld, das andere aber auch haben?

Es geht darum, die Spieler von dem gesamten Paket zu überzeugen, das wir ihnen als Klub bieten. Wichtig ist, zu zeigen: Wofür steht Leverkusen? Welchen Fußball spielen wir? Welche Ziele hat der Verein? Was will der Trainer? Welche Perspektive bieten wir dem Spieler für seine persönliche Entwicklung? Unser Ziel ist es, Spieler mit hoher Qualität zu verpflichten, denn in den englischen Wochen der Champions League werden wir nächste Saison auf Gegner mit hoher Qualität treffen. Mit Moussa Diaby standen wir schon länger in Kontakt, und wir sind glücklich, dass er sich für uns entschieden hat. Natürlich hat uns dabei die Geschichte junger Talente geholfen, die bei Bayer 04 den Durchbruch geschafft haben wie einst Toni Kroos.

"Die Vorstellung, die der Trainer von Fußball hat, entspricht genau der Vorstellung, die Bayer 04 von Fußball hat"

Es wirkt nicht so, als seien die Planungen für die kommende Saison bereits abgeschlossen.

Es kann schon sein, dass sich noch etwas tut. Das hängt auch von möglichen Abgängen ab. Der Markt ist noch relativ ruhig. Aber das Transferfenster ist noch bis in den August geöffnet.

Trainer Peter Bosz hat in der Rückrunde der abgelaufenen Saison nachweislich den offensivsten Fußball der Bundesliga spielen lassen. Er scheint nicht bereit, von diesem Plan auch nur einen Millimeter abzuweichen. Alle Planungen sind für diese Art Fußball ausgerichtet.

Die Vorstellung, die der Trainer von Fußball hat, entspricht genau der Vorstellung, die Bayer 04 von Fußball hat. Es geschieht alles in ganz enger Abstimmung. Wir telefonieren nahezu täglich miteinander. So kann man als Verein langfristig arbeiten. Peter Bosz hat sich mit seinem Team sehr schnell und sehr gut in unser System integriert.

Sie haben Tim Steidten, den ehemaligen Chefscout von Werder Bremen, als Kaderplaner mit ins Team geholt. Sie beide kennen sich seit der Jugendzeit. Welche Rolle soll er in Ihrem Klub spielen, der seit Jahrzehnten dafür bekannt ist, Talente zu fördern und zu entwickeln?

Er soll eine wichtige Rolle spielen. Wir verfügen über ein hervorragendes Scouting, aber der Markt ist härter umkämpft denn je und wir müssen uns weiter entwickeln. Es geht jetzt vor allem darum, einen neuen Input von außen zu bekommen, unsere Strukturen weiter zu entwickeln. Es soll keinen Stillstand geben, dabei soll uns Tim Steidten helfen. 

Sie haben sich sehr früh und sehr klar darauf festgelegt, dass der von halb Europa umworbene Kai Havertz Bayer 04 diesen Sommer nicht verlassen wird. Was hat sie dazu bewogen, erst einmal alle Angebote zu ignorieren?

Kai ist ein Spieler mit hohem Identifikationspotenzial bei den Fans. Er ist ein Eigengewächs, das lange hier in der Jugend gespielt hat. Er identifiziert sich sehr mit Bayer 04.  Und er ist natürlich ein exzellenter, wunderbarer Spieler, der uns nächste Saison dabei helfen kann, unsere Ziele zu erreichen.

Derzeit sind einige Bayer-Profis rund um den Globus bei Turnieren im Einsatz. Jonathan Tah spielt die U-21-Europameisterschaft, nachdem er bei der A-Nationalmannschaft war. Charles Aranguiz ist mit Chile bei der Copa America unterwegs. Leon Bailey kämpft mit Jamaika beim Gold Cup. Sie alle werden den Trainingsauftakt am 1. Juli verpassen. Bangen sie nicht bei jedem Spiel um die Gesundheit dieser wichtigen Spieler?

Ich finde es positiv, dass diese Spieler jetzt mit ihren Nationalmannschaften spielen. Das zeigt ihre Qualität. Solche Spieler wollen wir haben. Und die Integration wird dann professionell von statten gehen. Die Profis ohne internationale Verpflichtungen kommen am 1. Juli, die Nationalspieler am 8. Juli und die Spieler, die jetzt noch im Einsatz sind, dann frühestens zu Beginn des Trainingslagers eine Woche später. Je nachdem, wie weit ihre Mannschaften kommen. Ihr Training muss individuell gesteuert werden. Dafür sind wir top aufgestellt.  Darin sehe ich kein Problem. 

Sie wurden hier als Sportdirektor am 1. Dezember ins kalte Wasser geworfen und haben turbulente Monate erlebt. Wie haben sie das als Berufsneuling wahrgenommen?

Es war eine intensive Zeit. Wir waren Zwölfter in der Bundesliga, als ich anfing, dann gab es vor Weihnachten noch eine Stabilisierung, dann kam der Trainerwechsel und dann die Aufholjagd. Der Trainerwechsel hat hier natürlich viel verändert, die Statik im Kader, weil plötzlich andere Spieler wichtig wurden und ein anderer Fußball gespielt wurde. Und jetzt ist die Herausforderung, zu sehen, wie wir es nächste Saison angehen wollen.

Was hat sie an ihrem neuen Job am meisten überrascht?

Mich hat vielleicht überrascht, wie viele WhatsApp-Nachrichten man bekommt und dass einem derselbe Spieler von sieben verschiedenen Beratern angeboten wird. Nicht auf dem deutschen Markt, aber so etwas kommt vor. Da musste ich schon mal schmunzeln. Ansonsten hat mich nicht wirklich viel überrascht, ich habe das Geschäft ja als Profi von der Kabine aus erlebt. 15 Jahre Profierfahrung kann man nicht erlernen. Da entwickelt man ein Gespür für die Mannschaft und die Situationen. Wichtig war auch das Master-for-International-Players-Studium bei der Uefa und die Monate im Nachwuchsbereich von Bayer 04. Das alles hilft einem, wenn man hier plötzlich als Sportdirektor anfängt. Außerdem kann ich mich immer mit Rudi Völler abstimmen und absprechen, der ja im Fußball schon alles erlebt hat. Aber das Wichtigste ist für mich: Mein Herz hängt an dem Verein, das sage ich so, obwohl ich diese Herzblut-Vergleiche nicht überstrapazieren mag. Aber das ist für mich kein normaler Job, den man mal ein paar Jahre macht.  

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