Bayer 04 vor Rückspiel bei West HamXhakas triumphale Rückkehr nach London

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Leverkusens Granit Xhaka bejubelt sein Tor zum 2:0 gegen Werder Bremen.

Leverkusens Granit Xhaka bejubelt sein Tor zum 2:0 gegen Werder Bremen.

Der Schweizer spielte sieben Jahre für den FC Arsenal, doch die Meisterschaft konnte er mit den Gunners nie holen.

Eine Rückkehr an die alte Wirkungsstätte ist es nicht für Granit Xhaka, eher ein kurzer Abstecher in deren Nähe. Etwa acht Kilometer liegen zwischen dem Emirates Stadium des FC Arsenal und dem Londoner Olympiastadion, der einem Ufo ähnlichen 60000-Zuschauer-Schüssel, in der West Ham United seit 2016 seine Heimspiele absolviert. Ex-Gunner Xhaka, im Sommer von Bayer 04 Leverkusen verpflichtet, trifft im Londoner Osten am Donnerstagabend (21 Uhr/RTL) mit der Werkself auf seinen Lieblingsgegner.

Gegen keinen Klub konnte der Schweizer in seiner langen Profikarriere häufiger gewinnen: In 15 Duellen mit West Ham gab es elf Siege, drei Unentschieden und nur eine Niederlage. Im Viertelfinal-Rückspiel der Europa League soll auf Leverkusens Weg zum angestrebten Triple nicht die zweite dazukommen. „Ich hatte sieben schöne Jahre bei Arsenal. Aber das ist Vergangenheit“, stellte Xhaka am Mittwochabend klar, „wir haben ein Ziel: Wir möchten nach diesem Spiel im Halbfinale stehen.“

Antreiber der besten Werkself

Für Xhaka ist es eine triumphale Rückkehr auf die Insel. Jene große Meisterschaft, die ihm in sieben Jahren beim FC Arsenal verwehrt blieb, gewann er bei Bayer 04 auf grandiose Art und Weise in seiner Debüt-Saison. „Wir sind Legenden“, sagte Xhaka am Sonntagabend, biergeduscht und mit einem breiten Grinsen.

Der 31-jährige Schweizer spielt auf Leverkusens Weg zu einem möglichen Triple aus den Titeln in Liga, DFB-Pokal und Europa League nicht irgendeine Nebenrolle auf dem Platz. Xhaka ist Antreiber dieser besten Werkself der Vereinsgeschichte. Florian Wirtz, Alejandro Grimaldo und Jeremie Frimpong sorgen mit ihrer Technik und ihrem Tempo für jene Highlight-Szenen, die weltweit millionenfach angeklickt und angeschaut werden. Doch ermöglicht werden sie von Xhakas harter Arbeit und Spielübersicht im zentralen Mittelfeld.

Der Schweizer Rekordnationalspieler (123 Einsätze) hatte sich unmittelbar nach seinem vergleichsweise günstigen 15-Millionen-Euro-Transfer im Sommer zum unumstrittenen Anführer aufgeschwungen – auf dem Platz und in der Kabine. „Er spielt im Herzstück des Teams, der verbindet die Mannschaftsteile, er ist ein Stratege. Aber auch von der Persönlichkeit her ist Granit ein Top-Profi, der die anderen Jungs mitnimmt. Er ist ein großartiger Leader – aber nicht von oben herab. Sondern auf Augenhöhe mit den anderen Spielern. Deshalb schätzen ihn alle auch sehr“, lobte Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes, der Xhaka in offenbar weiser Voraussicht mit einem rententauglichen Vertrag bis 2028 ausgestattet hatte.

Achse der Unersetzlichen

Gemeinsam mit Abwehrchef Jonathan Tah, Flügelspieler Grimaldo und Regisseur Wirtz gehört Xhaka zur Achse der Unersetzlichen im Team von Xabi Alonso. Die Statistiken des geborenen Baselers sprechen für sich: In den bislang 43 niederlagenfreien Pflichtspielen stand Xhaka 41-mal auf dem Rasen und absolvierte 3445 von 3870 möglichen Einsatzminuten – Höchstwert im Leverkusener Kader. In allen 29 bisherigen Bundesliga-Partien stand Xhaka in der Startelf. Dabei spielt es für den Routinier keine Rolle, wer im zentralen Mittelfeld neben ihm agiert. Sowohl mit Exequiel Palacios als auch mit Robert Andrich harmoniert Xhaka prächtig. Im Zusammenspiel mit dem argentinischen Weltmeister kommt dem 31-Jährigen dabei in der Regel eine etwas defensivere Rolle zu, während er an der Seite von DFB-Stammkraft Andrich etwas mehr offensive Freiheiten genießt. Universell gilt in dieser Saison allerdings: Wenn Xhaka spielt, ist er der unumstrittene Chef auf dem Platz.

Er dirigiert die Mitspieler entweder mit seinen präzisen Pässen oder, sollte er ausnahmsweise nicht am Ball sein, wort- und gestenreich. Xhaka als „verlängerten Arm des Trainers“ zu bezeichnen, greift fast zu kurz. In seiner 14. und besten Saison als Profi ist der Schweizer auf einem fußballerischen Niveau angekommen, das man einst auch von Xabi Alonso im Trikot von Liverpool, Real Madrid oder dem FC Bayern kannte.

Xhaka gestaltet das Spiel so, wie es ihm beliebt – mit schlafwandlerischer Sicherheit. Hinter seinem Teamkollegen Tah (96,62 Prozent) ist der Schweizer mit 92,81 Prozent angekommener Bälle der passsicherste Bundesliga-Spieler. Von allen Profis hatte Xhaka bislang die meisten Ballkontakte (3392) und ist zudem mit großem Vorsprung der laufstärkste Spieler. Fast 340 Kilometer – oder von der Bay-Arena bis zur Nordsee – lief Xhaka in seinen 29 Einsätzen. Platz zwei des Bundesliga-Rankings belegt Teamkollege Grimaldo (328 km).

Balance zwischen Härte und Aggression

Auch hat der Vater zweier Töchter längst eine gesunde Balance zwischen notwendiger Härte und übertriebener Aggression auf dem Rasen gefunden. Bei Borussia Mönchengladbach und dem FC Arsenal hatte Granit Xhaka in 435 Pflichtspielen beachtliche elf Platzverweise gesammelt und seinen Teams durch einige Unbeherrschtheiten immer wieder Probleme bereitet. Von dieser Seite ist in Leverkusen nichts zu sehen. Im Gegenteil. Xhaka war zuletzt eher Opfer harter Tritte, die den Gegner in Unterzahlsituationen brachten.

Er selbst kassierte bisher nicht einmal eine Gelbsperre. Am 19. Spieltag sah der 31-Jährige seine vierte Verwarnung, seitdem tänzelt Xhaka erfolgreich an der fünften vorbei – ohne dabei auf einen Aspekt seines auf Körperlichkeit ausgelegten Spiels zu verzichten. „Granit hat jeden Tag einen großartigen Einfluss auf unsere Mannschaft“, lobte denn auch Bayer-Coach Xabi Alonso. „Er ist ein echter Leader, er macht das Team jeden Tag besser.“

West Ham: Fabianski - Coufal, Aguerd, Zouma, Cresswell - Soucek, Álvarez - Bowen, Ward-Prowse, Kudus - Antonio. – Leverkusen: Kovar - Stanisic, Tah, Tapsoba - Frimpong, Palacios, Xhaka, Grimaldo - Wirtz, Hofmann - Boniface. – Schiedsrichter: Sanchez Santos (Spanien).

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