Neuer Bayer-TrainerWeltstar Xabi Alonso beginnt seinen Job mit großer Demut

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Xabi lonso

Xabi Alonso 

Leverkusen – Xabi Alonso (40) formulierte seine ersten Worte als Trainer von Bayer 04 Leverkusen am Donnerstagvormittag in deutscher Sprache: „Für mich ist es sehr wichtig, hier zu sein. Es ist eine große Ehre. Nach fünf Jahren habe ich ein bisschen Deutsch vergessen. Aber ich werde es probieren.“

Ein Weltstar des Fußballs hatte keine Angst davor, sich bei der Vorstellung von einer schwächeren Seite zu zeigen. Als Weltmeister, zweifachem Europameister, Champions-League-Sieger, spanischem und deutschem Meister sowie Gewinner des englischen, spanischen und deutschen Pokals hätte es ihm niemand übel genommen, wenn er die Landessprache seines neuen Arbeitgebers einfach übergangen hätte. Xabi Alonso hat das nicht getan. Erst, wenn die Dinge präziser erklärt werden mussten, wechselte er ins handlichere Englisch. Das hatte viel Demütiges.

Xabi Alonso hat als Spieler so viel erlebt, dass ihm nicht einmal die aktuelle Situation sich überschlagender Ereignisse neu vorkommen musste. Kaum 40 Stunden zuvor hatte Bayer 04 in der Champions League beim FC Porto unter Gerardo Seoane die 0:2-Niederlage erlitten, die das Kapitel dieses Fußball-Lehrers beim Werksklub beendete. Rund 21 Stunden zuvor war das Flugzeug von Bayer 04 mit Seoane an Bord auf dem Flughafen Köln/Bonn gelandet. Der Schweizer wusste da schon, dass er ohne seinen Job wieder im Rheinland angekommen war. Und Xabi war bereits im Begriff, einen Vertrag bis 2024 zu unterschreiben.

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Im August 2014 war sein Wechsel von Real Madrid zum FC Bayern München erst kurz vor dem Bundesliga-Start perfekt gemacht worden. Er lief buchstäblich aus dem Flugzeug zu seinem neuen Team aufs Spielfeld und war unter Landsmann Pep Guardiola bei einem 1:1 gegen den FC Schalke 04 der auffälligste Mann auf dem Platz.

Damals musste er nur tun, was er immer tat als Spieler: Eine Mannschaft mit perfektem Pass- und Positionsspiel dirigieren. Der Gegner heißt auch diesmal Schalke 04 (Samstag, 15.30 Uhr). Aber die Aufgabe, eine defekte und ihm unbekannte Mannschaft bis dahin zu reparieren, ist komplizierter. Xabi Alonso beschreibt sie so: „Zeit ist ein Luxus im Fußball. Wir haben viel zu tun, ich muss die Spieler kennenlernen und eine Verbindung herstellen, herausfinden, wie die Stimmung ist.“

Wer bei ehemaligen Trainern, Kollegen und Wegbegleitern nachfragt, dem ist es kaum möglich, eine schlechte Meinung über den Basken zu finden, der 114 Mal für die spanische Nationalmannschaft gespielt hat. Bayer 04 darf sich ziemlich sicher sein, eine große Persönlichkeit und ein Vorbild verpflichtet zu haben, zudem den erfolgreichsten Ex-Fußballer, der jemals in der Fußball-Bundesliga gearbeitet hat. Die große Frage bleibt allerdings: Ist Xabi Alonso ein Trainer? Und wenn ja: Was für eine Art Trainer? Wird er als Trainer jemals auch nur annähernd die Größe erreichen wie als Spieler? Kann er Bayer 04 Leverkusen, dem aktuellen Tabellensiebzehnten der Bundesliga, sofort helfen?

Leverkusens Geschäftsführer Simon Rolfes fand auf diese Fragen eine relativ einfache Antwort. „Alles im Leben birgt Chancen und Risiken. Wer immer nur die Risiken sieht, der wird nicht weit kommen. Wir sehen in der Verpflichtung von Xabi Alonso vor allem die Chancen. Xabi Alonso war immer unser Top-Kandidat für den Fall eines Wechsels.“ Man habe den Weg des Weltmeisters schon im Auge gehabt, als er noch die C-Junioren von Real Madrid trainierte, als er mit der zweiten Mannschaft von San Sebastian sensationell den Aufstieg in die zweite spanische Liga geschafft hat. Und auch der Abstieg im Jahr darauf habe nichts an der Einschätzung geändert, dass hier ein Trainer den dominanten, offensiven Fußball lehrt, den alle bei Bayer 04 gerne sehen würden.

"Wenn mich etwas reizt, dann geht es mir nicht mehr aus dem Kopf"

Xabi Alonso wurde von einem zugeschalteten Journalisten aus seiner Heimat gefragt, warum er nach drei Jahren in der iberischen Unterklassigkeit nicht in Spanien den Schritt ins Rampenlicht getan habe. Es gab doch Angebote. Warum Bayer Leverkusen? Warum jetzt? Xabi Alonsos Antwort darauf lautete: „Ich gehe im Leben immer einen Schritt nach dem anderen und sehe alles als Prozess. Mein Prozess in San Sebastian war noch nicht abgeschlossen. Ich habe auf den richtigen Zeitpunkt gewartet und das richtige Angebot. Das kam genau jetzt. Entscheidend für mich ist, was mich an einer Aufgabe reizt. Das ist wichtiger als alles andere. Wenn mich wirklich etwas interessiert, dann merke ich es daran, dass es mir nicht mehr aus dem Kopf geht. Und das war jetzt bei Bayer Leverkusen der Fall.“

Ein wenig mag bei der Entscheidungsfindung geholfen haben, dass Bayer 04 mit seinem Klubchef Fernando Carro und den wichtigen Co-Trainern Alberto Encinas und Ismael Camenforte Lopez auch nach dem Abgang des Hispano-Helvetiers Gerardo Seoane noch ein starkes spanisches Element besitzt. „Das hat vielleicht eine kleine Rolle gespielt, aber es war bestimmt nicht der Hauptgrund für meinen Wechsel nach Leverkusen, sagte der Trainer, dessen Ehefrau Nagore Aranburu im Auditorium der Pressekonferenz saß.

Xabi Alonso ließ keinen Zweifel daran, dass er als Trainer für den Fußball stehen will, für den er auch als Profi stand: dominanten, aktiven, modernen Angriffsfußball. „Die Mannschaft ist gut. So wollen wir spielen.“ Von seinen prominenten Lehrmeistern Vicente del Bosque, Rafael Benitez, José Mourinho und Pep Guardiola hat er für den Trainer-Job vor allem eines gelernt: „Das Wichtigste ist, dass die Spieler dir folgen.“ Am Samstag wird man sehen, ob sie damit beginnen.

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