Rudi Völler im Interview„Wir investieren nicht die ganze Havertz-Summe“

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Die sportliche Führung: Geschäftsführer Rudi Völler mit Sportdirektor Simon Rolfes

Die sportliche Führung: Geschäftsführer Rudi Völler mit Sportdirektor Simon Rolfes

  • Viel Bewegung bei der Werkself: Am Dienstag wurde mit Patrik Schick der jüngste Transfer bekannt.
  • Im Interview spricht der Geschäftsführer von Bayer 04 Leverkusen über den Mega-Transfer von Kai Havertz und den Neuzugang Patrik Schick.
  • Außerdem äußert sich Völler zu den Personalien Volland und Draxler.

Herr Völler, der 100-Millionen-Transfer von Kai Havertz ist seit dem Wochenende perfekt. Die Verhandlungen haben sich über Monate hingezogen. Warum hat es am Ende so lange gedauert? Völler: Das ist nun einmal so bei Transfers in einer solchen Größenordnung, die kriegst du nicht in ein paar Tagen hin. Wir hatten schon letzten Sommer konkrete Angebote, aber Kai ist geblieben. Es war die richtige Entscheidung. Auch für ihn persönlich, er hat in der Rückrunde überragende Spiele gemacht. Aber Kai wollte jetzt den nächsten Schritt tun. Das haben wir alle verstanden. Es war aber auch klar, dass es bei Bayer Leverkusen vernünftig weitergehen muss. Das haben wir ihm und seinem Berater auch gesagt. Deshalb hat es ein bisschen gestockt und sich letztlich noch etwas gezogen. Am Ende sind jedoch alle Parteien hochzufrieden. Dass es schließlich bis in die Länderspielphase ging, war natürlich nicht optimal. Doch ich habe mit Bundestrainer Joachim Löw und Oliver Bierhoff gesprochen. Und alle hatten Verständnis dafür. Wir sind froh, dass es nun geregelt vorbei ist. 

Hätte der Transfer auf der Zielgeraden auch noch schiefgehen können?

Ja natürlich. Auch wenn Chelsea ihn unbedingt wollte und Kai wollte und wir bereit waren, ihn trotz des Vertrages bis 2022 abzugeben, hätte es sein können, dass der Wechsel nicht zustande gekommen wäre. Dann hätte er noch ein Jahr hier gespielt. Nächstes Jahr ohne Corona hätten wir auch noch eine ordentliche Summe für ihn erzielen können. Chelsea wusste, dass die Chance, ihn in diesem Sommer zu bekommen, groß ist, weil sich andere namhafte interessierte Klubs in der Corona-Krise ein bisschen schwer getan hätten mit dieser Summe. Nächsten Sommer, dann vielleicht ohne Corona, hätten andere Top-Klubs wieder angegriffen. Dann weiß ich nicht, ob Chelsea ihn noch bekommen hätte. Es war klar: jetzt oder nie.

Was machen Sie denn jetzt mit dem vielen Geld?

Die Planungen beginnen in einem solchen Fall ja nicht erst, wenn das Geld da ist. Weil wir gut gewirtschaftet hatten, konnten wir schon im Winter mit Exequiel Palacios und Edmond Tapsoba zwei Einkäufe im Vorgriff auf die jetzige Saison machen. Jetzt ist der Transfer von Patrik Schick vollzogen, den wir vom AS Rom verpflichtet haben. (Anmerkung der Redaktion: Vertrag bis 2025, geschätzte Ablöse 25 bis 30 Millionen Euro.) Das ist ein Stürmer, den wir seit mehreren Jahren verfolgen, auch im letzten Jahr waren wir schon an ihm dran. Wir glauben, dass er großes Potenzial hat und natürlich auch einen gewissen Marktwert. Es war uns wichtig, dass wir hier eine schnelle Entscheidung haben. Aber es ist selbstverständlich, dass wir die Summe, die wir für Kai bekommen, nicht wieder komplett investieren. Wir müssen in schwierigen Zeiten mit Augenmaß und wirtschaftlich vertretbar handeln. Wir werden sicherlich darüber hinaus auf der einen oder anderen Position etwas tun, aber nicht in den Größenordnungen, wie vielleicht viele glauben.

Zuletzt ist der Name Julian Draxler gefallen.

Es ist klar, wie so etwas zustande kommt. Er hat gerade zwei Länderspiele gemacht, hat in Paris noch ein Jahr Vertrag, spielt nicht so oft, wie er gern würde, und der Bundestrainer rät ihm, den Verein zu wechseln. Er ist ein Klasse-Spieler, der eine ähnliche Position spielen kann wie Kai Havertz. Da ist es nachvollziehbar, dass jetzt diese Spekulationen kommen. Das wird auch in den nächsten Wochen sicherlich so weitergehen. Außerdem ist Kevin Volland nach Monaco gewechselt. Es war zu erwarten, dass es nun viele Gerüchte gibt.

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Kevin Volland war kein Spieler, von dem man erwartet hatte, dass er Bayer 04 verlässt. Was ist geschehen?

Im Grunde ist die Situation einfach gewesen. Kevin war vier Jahre hier. Im Großen und Ganzen waren es richtig gute vier Jahre. Wir hätten gern mit ihm verlängert. Aber man hatte unterschiedlichen Meinungen über Vertragsdauer und Vertragshöhe gehabt. Wir haben unsere Vorstellungen gehabt, und er mit seinem neuen Berater hat es etwas höher eingeschätzt. In der Größenordnung, wie sie es jetzt wahrscheinlich in Monaco bekommen. Und das ging bei uns nicht. Um in solch eine Kategorie reinzukommen, musst du auch in dieser Kategorie abliefern. Ich habe noch einmal mit Kevin telefoniert. Dass er am Ende vielleicht enttäuscht war über unser Angebot, das sehe ich bei aller Sympathie für Kevin ganz nüchtern. Für mich ist es keine Frage, dass wir einen solch verdienten Spieler wie ihn hier in Leverkusen im Rahmen eines Heimspiels noch vernünftig verabschieden werden.

Wichtige Spieler sind weg, und wenn neue Spieler kommen, wird die Integration erfahrungsgemäß dauern. Die Saison in der Bundesliga beginnt mit Spielen in Wolfsburg und gegen Leipzig anspruchsvoll. Ist das nicht ein Szenario für einen Fehlstart?

Wir dürfen nicht jammern. Im Sturm haben wir mit Patrik Schick nachgelegt, so haben wir noch genügend Zeit. Aber das ist eben so, wenn sich eine Personalie wie Kai Havertz erst so spät entscheidet. Es hätte auch kippen können, und er wäre noch ein Jahr geblieben. Kai kann man nicht eins zu eins ersetzen. Aber wir haben eine konkurrenzfähige Mannschaft, und wenn wir dann noch auf ein, zwei Positionen nachlegen, können wir wieder um unsere Ziele spielen. Klubchef Fernando Carro benennt sie deutlich: Champions-League-Platz und in den Pokalwettbewerben weit kommen, am liebsten auch ein Titel.

Es hat sich ja nichts geändert. Du hast in der Liga zwei Klubs, die normalerweise schon mal vor uns stehen werden: Bayern und Dortmund. Und dann gibt es vier, vielleicht fünf Klubs, die um diese beiden restlichen Champions-League-Plätze kämpfen. Einer davon sind wir. Wir haben es dieses Jahr knapp verpasst, obwohl wir fünf Punkte mehr geholt haben als im Jahr davor, als wir es gepackt haben. In dem Bereich wollen wir wieder landen.

Das Gespräch führte Frank Nägele 

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