Bundestrainer Otto Becker„Den Pferden wird es langweilig, das merkt man“

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Otto Becker

  • Die Corona-Krise beutelt auch den Reitsport.
  • „Die Kosten laufen weiter, der Sport und die Unterhaltung der Ställe sind sehr teuer“, erklärt Otto Becker.
  • Nach der Vollbremsung in der Olympia-Vorbereitung äußert sich der Bundestrainer der Springreiter zum neuen Alltag, die CHIO-Absage und die Olympia-Planungen.

Herr Becker, wie sieht der Alltag des Bundestrainers der Springreiter in der Zeit der Corona-Krise aus, also ohne Turniere?

Deutlich ruhiger. Einen Großteil meiner Zeit nimmt sonst die Startgenehmigung für die Turniere in Anspruch, den Kontakt zu den Reitern zu halten. Das fällt komplett weg, genauso wie die Wochenendreisen zu den Turnieren. Ich habe außerdem einen Reit- und Ausbildungsstall in Albersloh bei Münster, wir haben im Moment keine Kunden oder Schüler. Das heißt, wir sind unter uns. So können wir hier normal weiterarbeiten und auch einmal ein paar Dinge erledigen, zu denen man sonst nicht unbedingt kommt. Natürlich halten wir dabei alle Regeln ein. Die jüngeren Pferde profitieren sicher davon, dass wir uns noch mehr Zeit für sie nehmen können. Dass alles ein bisschen heruntergefahren worden ist, war eine Zeit lang gar nicht so schlecht. Es wäre aber schön, wenn es bald wieder losgehen könnte.

Weil die Einnahmen fehlen?

Die Kosten laufen weiter, der Sport und die Unterhaltung der Ställe sind sehr teuer, die Pferde müssen gepflegt und bewegt, die Mitarbeiter bezahlt werden. Vom Gewinngeld allein können die Reiter nicht leben. Geld kommt rein, wenn man Kunden hat, wenn man Pensionspferde hat, wenn man Unterricht gibt – oder wenn man Pferde verkauft, das ist die Haupteinnahmequelle. Und das liegt im Moment alles brach. Ich denke, ein paar Wochen ist es auszuhalten. Aber langsam wird es, wie gesagt Zeit, dass es weitergeht, alle stehen in den Startlöchern. Wir hoffen, dass es erst einmal mit kleineren Turnieren losgeht. Man muss wieder losfahren und die Pferde zeigen können. Den Pferden wird es auch langweilig, das merkt man. Ein gutes Pferd will zum Turnier und sucht den Wettkampf.

In Luhmühlen gab es am vergangenen Wochenende immerhin ein kleines Turnier ohne Zuschauer.

Genau, einen sogenannten Montagsclub, der vom Landwirtschaftsministerium in Niedersachsen genehmigt worden ist – als Pilotprojekt. Und was ich gehört und gesehen habe, hat das sehr gut funktioniert, sehr diszipliniert. Es ist ein Anfang. Kleinere Turniere können schneller wieder stattfinden als größere, die Zuschauer haben wollen, weil sie finanziell darauf angewiesen sind. Es kann trotzdem meiner Meinung nach in diesem Jahr auch Topturniere geben. Vorausgesetzt, der Veranstalter kann es finanziell stemmen, dass weniger Leute kommen, damit die Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden können. Ich weiß, dass einige Veranstalter willens sind, es so durchzuführen. Zum Beispiel die deutsche Meisterschaft in Balve.

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Der CHIO 2020 in Aachen gehört nicht dazu, er wurde bereits abgesagt.

Bei der Masse an Zuschauern, die nach Aachen kommen, kann ich das gut verstehen. Die Kosten für den Veranstalter fangen erst richtig an, wenn es in die enge Vorbereitung des Turniers geht, und Aachen ist eine sehr große Veranstaltung. Sie haben es versucht, sehen aber keine Chance, es unter aktuellen Bedingungen durchzuführen. Ich denke, es ist vernünftig, sich aufs nächste Jahr zu konzentrieren. Denn wir wollen auch den CHIO in Aachen erleben, wie wir ihn kennen. Aachen lebt von dem unglaublichen Publikum, von der Begeisterung und den Gänsehautmomenten beim Nationenpreis und beim Großen Preis im vollen Reitstadion.

Der internationale Markt für Springpferde ist in den vergangenen zehn Jahren explodiert. Werden nun die Preise fallen?

Wahrscheinlich ja. Ich vergleiche es mit dem Fußball, wo die Ablösesummen in den vergangenen Jahren stark gestiegen sind. Ich denke, dass der Markt für Top-Pferde weiterhin da sein wird, wenn sich alles reguliert hat und es wieder Turniere gibt. Ob es auf demselben Niveau sein wird wie vorher, ist nicht vorhersehbar.

2020 wäre eigentlich ein olympisches Jahr für die Springreiter gewesen, doch die Sommerspiele in Tokio sind auf nächstes Jahr verschoben worden. Ein Problem für Ihre Planungen?

Olympia ist immer unser Hauptziel, auf das wir über Jahre hinarbeiten. Wir Bundestrainer in den olympischen Reitsport-Disziplinen haben deshalb Vierjahres-Verträge, die sind jetzt erst einmal bis 2021 verlängert worden. Wir hätten in diesem Jahr ein richtig gutes Team gehabt – mit mehreren Leuten auf absolutem Weltklasse-Niveau. Jetzt müssen wir neu planen. Ob es für uns von Vor- oder Nachteil sein wird, weiß ich im Moment noch nicht. Das wird man erst nächstes Jahr sehen. Es ist auch immer ein bisschen Glücksache. Alle müssen zum richtigen Zeitpunkt fit und gesund sein. Um eine Medaille zu gewinnen, muss alles passen.

Das Gespräch führte Christiane Mitatselis

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