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Kommentar

Der FC Bayern und Jérôme Boateng
Problem? Welches Problem?

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3 min
Das Bild zeigt eines der Spruchbänder, die, den Fall Boateng kommentiert haben, beim Spiel des FC Bayern gegen Borussia Dortmund im Oktober 2025. Foto: IMAGO/Michael Weber

Spruchband gegen Jérôme Boateng Südkurve des FC Bayern München beim Spiel gegen Borussia Dortmund am 18.10.2025.

Der FC Bayern ist eine der größten Marken im Unterhaltungsbetrieb Profifußball – im Fall der möglichen Hospitanz von Ex-Profi Jérome Boateng sieht der Klub schlecht aus.

Die Fans in der Südkurve des FC Bayern sind dafür bekannt, bei gesellschaftlichen Fragen eine klare Haltung zu vertreten. Es war deshalb keine Überraschung, dass sie sich beim 2:1-Sieg gegen Borussia Dortmund pointiert zu einer Personalie äußerten, die seit einigen Tagen durch den Bayern-Kosmos wabert: „Kein Platz für Charakterschweine in unserem Verein. Kein Platz mehr für Boateng!“, stand auf einem Banner. „Keine Bühne für Täter! Verpiss Dich, Boateng!“, auf einem anderen.

Wegen vorsätzlicher Körperverletzung schuldig gesprochen – aber nicht vorbestraft

Jérome Boateng gewann mit der deutschen Nationalmannschaft 2014 den WM-Titel und mit dem FC Bayern unter anderem zweimal die Champions League. Gerade hat er seine Karriere beendet. Er will Trainer werden – und soll zu diesem Zweck bei den Münchnern hospitieren. Solche Hospitanzen sind keine Seltenheit, doch der Fall Boateng ist speziell.

Die Ablehnung von Teilen der Fans erklärt sich dadurch, dass der einstige Abwehrspieler im vergangenen Jahr vom Münchner Landgericht wegen vorsätzlicher Körperverletzung an einer Ex-Freundin schuldig gesprochen und verwarnt worden war. Als vorbestraft gilt er nicht. Die Richterin erklärte, vom Vorwurf eines „notorischen Frauenschlägers“ sei nichts geblieben. In einem anderen Fall, der nicht vor Gericht gelandet war, nahm sich eine ehemalige Partnerin von Boateng das Leben. Der Ex-Fußballer bestreitet, jemals eine Frau geschlagen zu haben.

Ex-Fußballer inszeniert sich mit Till Lindemann als Opfer

Der Fall Boateng und damit die Frage, ob er beim FC Bayern hospitieren darf oder nicht, ist kompliziert, wie Münchens Vorstandschef Jan-Christian Dreesen zu Recht sagt. Umso wichtiger ist ein Problembewusstsein auf beiden Seiten. Dass sich der Ex-Fußballer mit Rammstein-Sänger Till Lindemann in den Sozialen Medien als Opfer medialer Berichterstattung inszenierte und der FC Bayern dem Fan-Protest mit Unverständnis und Beschwichtigungen begegnet (Sportchef Max Eberl: „Das Thema ist gerade aus dem Nichts sehr groß“), spricht nicht dafür, dass die Protagonisten erkannt haben, wie sensibel die Angelegenheit ist.

Das Bild zeigt Jérôme Boateng beim Spiel des FC Bayern gegen Werder Bremen im September 2025. Foto: HMB-Media/MichaelxNibel

Jérôme Boateng beim Spiel des FC Bayern gegen Werder Bremen im September 2025.

Den FC Bayern lässt das schlecht aussehen – denn er hatte schon vor zwei Jahren zu spüren bekommen, dass Boateng dem eigenen Publikum nicht zu vermitteln ist. Damals scheiterte eine Rückkehr des seinerzeit vereinslosen Profis zu den Münchnern auch am öffentlichen Widerstand.

Jedem Mensch stehe Recht auf Resozialisierung zu

Vorstandschef Dreesen argumentiert, dass jedem Menschen das Recht auf Resozialisierung zustehen würde – auch damit liegt er natürlich richtig. Nur sind die Münchner keine wohltätige Einrichtung, sondern eine der größten Marken im weltweiten Unterhaltungsbetrieb Profifußball. Daraus ergibt sich eine enorme Signal- und Vorbild-Funktion.

Dieser sind sich die Münchner durchaus bewusst: Zum Internationalen Tag gegen Gewalt gegenüber Frauen im vergangenen Jahr ließen sie ihre Arena in Orange leuchten, aus Solidarität mit Betroffenen. Aus dem gleichen Antrieb muss der FC Bayern jetzt einen offenen, ehrlichen und emphatischen Umgang mit der komplizierten Personalie Boateng finden.