DFBSo soll Kinderfußball ab 2024 aussehen – Widerstand „teilweise brutal“

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FC Jugendspieler Symbol

Jugendspieler beim 1. FC Köln auf dem Weg zum Training.

Frankfurt – Immer wenn Ronny Zimmermann sich versichern will, wie es an der Basis im deutschen Fußball aussieht, schaut der für Kinder- und Jugendfußball zuständige Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) bei seinem Heimatverein VfB Wiesloch vorbei. Dort wo der 60-Jährige früher selbst spielte und auf Vorstandsebene mitarbeitete, haben sie auch mit den neuen Spielformen für die Jüngsten experimentiert, die traditionell geprägten Fußballfreunden wie eine Revolution vorkommen: Spielenachmittage und Festivals ersetzen die Punktspiele. Gespielt wird im Zwei-gegen-Zwei, Drei-gegen-Drei oder Vier-gegen-Vier auf Mini-Tore.

Zimmermann hat bei den neuen Spielformen nach eigenem Bekunden nicht in die Gesichter der Trainer oder Eltern geschaut, sondern die Kinder beobachtet: „Die hatten Spaß. Und darum geht’s!“

Beschluss gilt von der G-, F- bis zur E-Jugend

Nach einem einstimmigen Beschluss beim DFB-Bundesjugendtag vom vergangenen Wochenende soll auf dem DFB-Bundestag am 11. März der offizielle Beschluss für die Reform gefasst werden. Im Kern spielen von der G-, F- bis zur E-Jugend dann kleinere Mannschaften auf kleinere Spielfelder. Das soll mehr Ballkontakte und mehr Erfolgserlebnisse bringen. Der herkömmliche Wettbewerb mit Tabellen entfällt komplett. Deutschland will endlich jenen Status quo schaffen, der in der der Schweiz, Niederlanden oder Dänemark schon längst üblich ist, um die Bolzplatzmentalität zu fördern. Betroffen sind bundesweit deutlich mehr als 500.000 registrierte Spieler und Spielerinnen.

Das Vorhaben verfolgt der DFB bereits seit mehreren Jahren, hat dazu eine zweijährige Pilotphase mit Beteiligung aller 21 Landesverbände durchlaufen – und macht nun ab der Saison 2024/2025 ernst. Kritiker, die vor zwei Jahren noch pauschal dem DFB vorwarfen, den Fußball kaputtzumachen, würden heute bereits deutlich differenzierter argumentieren, heißt es. Dass dennoch viel Überzeugungsarbeit zu leisten ist, negiert Florian Weißmann, Experte aus dem DFB-Jugendausschuss, gar nicht.

Widerstand in den Landesverbänden „teilweise brutal“

Der Widerstand in den 21 Landesverbänden seit „teilweise brutal“ gewesen. Immer noch seien an der Basis dicke Bretter zu bohren, etliche Fußball-Kreise würden sich weiter sperren, „die gilt es zu überzeugen.“ Und dann natürlich „jeder Verein, jeder Trainer – da steht noch ein anspruchsvoller Weg vor uns.“ Weißmann findet: „Der Deutsche hat Schwierigkeiten, sich gegenüber Veränderungen aufgeschlossen zu zeigen.“ Deshalb wird es die zweijährige Übergangsphase geben, doch auf Sicht gibt es für Zimmermann keine Alternative, um auch die schwächeren Nachwuchskicker mitzunehmen. „Unser Ziel ist es, ab der D-Jugend perspektivisch keine Spieler mehr zu verlieren.“ Die Corona-Pandemie hat schließlich auch den Fußball nicht verschont. Im Vergleich zu 2019 hat der DFB in 2021 knapp fünf Prozent seiner 1,6 Millionen Mitglieder unter 18 Jahren verloren. Das ist prozentual ungefähr die Größenordnung anderer Sportarten wie Turnen, Tennis, Leichtathletik oder Handball. Der größte Schwund (7,3 Prozent) zeigte sich für den Fußball bei den 15- bis 18-Jährigen. Erklärung: Hier griff der zweite Lockdown am stärksten, fanden weder Training, geschweige denn Spiele statt.

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Zimmermann bedauert im Rückblick, dass auch der deutsche Fußball gebetsmühlenartig betont habe, der Sport sei ein Teil der Lösung, aber das Argument sei unter der „großen Walze“ verschwunden. Noch heute sei es „anstrengend“, mit der Politik über die Bedeutung von Sport und Bewegung ins Gespräch zu kommen. Der DFB-Funktionär bedauert, „welche geringe Bedeutung der Breitensport an entscheidenden Stellen genießt“ und fordert: „Das muss sich ändern. Grundlegend.“ Unbedingt solle das Sportangebot an den Schulen ausgebaut werden.

Fußball noch vergleichsweise gut durch die Corona-Krise gekommen

Gemessen daran, dass in 2020/2021 nur knapp 175.000 der eigentlich jährlich angesetzten 780.000 Jugendspiele stattfanden, ist der Fußball noch vergleichsweise gut durch die Corona-Krise gekommen. Gleichwohl müssen die knapp 25.000 Vereine mehr denn je um jeden Kicker hart kämpfen, wie Weißmann plakativ formuliert: „Fußball und Feuerwehr sind mehr das einzige Angebot im Dorf.“ Ein Lichtblick: Im Kinderbereich (sechs bis elf Jahren) geht die Zahl der Aktiven seit dieser Saison wieder nach oben. Die mediale Dauerberieselung trägt sicher dazu bei, dass das Interesse bei den Heranwachsenden nicht abnimmt.

Und gerade für die Jungs aus Familien mit Migrationshintergrund bleibt Fußball die mit Abstand interessanteste Sportart, die auch am leichtesten die Integration fördert. Der DFB-Bundesjugendtag fordert von der Politik: Kinderrechte müssen ins Grundgesetz aufgenommen, die Vereinsjugendarbeit entbürokratisiert, und es dürften keine Sportverbote für Kinder und Jugendliche mehr ausgesprochen werden. Trotz der Rekordinzidenzen sollte der Ball im Freien unbedingt weiterrollen, weil sonst noch mehr Jugendliche in virtuelle Welten versinken oder an Einsamkeit und Bewegungsmangel leiden würden.

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