DFB-TeamWie Lothar Matthäus sein Rekord-Länderspiel in Köln erlebte

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Lothar Matthäus mit Winterjacke bei einem Einsatz als TV-Experte.

Hat seine Rolle gefunden: Lothar Matthäus ist ein angesehener TV-Experte.

Vor 30 Jahren machte Lothar Matthäus in Köln sein 104. Länderspiel und löste damit Franz Beckenbauer als Rekord-Nationalspieler ab.

Anhänger floristischer Erzeugnisse trieb an jenem eiskalten Novemberabend vor 30 Jahren gewiss eine satte Furcht um den Bestand des bunten Bouquets um, das der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker, selbst dick eingepackt, dem Jubilar damals überreichte. Denn schon am Vortag meldete der „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Schnee und Glatteis stoppten den Verkehr“, im Hochsauerlandkreis lag eine dichte weiße Decke über der Landschaft.

Und für den Abend des 17. November 1993 sagte der deutsche Wetterdienst minus fünf Grad für Köln-Müngersdorf voraus, also den Ort, an dem die deutsche Nationalmannschaft ab 18.30 Uhr ein Flutlicht-Länderspiel gegen Brasilien zu spielen hatte. In diesem eisigen Umfeld nun wurde Lothar Matthäus kurz vor dem Anpfiff hervorgehoben und mit frierenden Blümchen ausgestattet, weil er hier, in Köln, sein 104. Länderspiel bestreiten würde, damals eine unerhörte Zahl und eine Bestleistung: Matthäus, in jener Zeit Libero des FC Bayern, überbot damit Franz Beckenbauer, dessen DFB-Karriere bei 103 Partien stoppte.

Top-Gegner für ein Rekordspiel

Lothar Matthäus, geboren im fränkischen Erlangen, war nun Rekordnationalspieler. Und ist es heute noch, mit nunmehr 150 Länderspielen. Im eisigen Wind des Stadions war die Temperatur an jenem Frierabend gefühlt wesentlich kälter als die gemeldeten minus fünf Grad, doch Matthäus empfing seinen Ehrenstrauß in kurzen Hosen, die auch alle 21 anderen Spieler gewählt hatten. „Ich durfte sogar einen freundlichen Applaus aus Köln entgegennehmen“, sagt Matthäus im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Lothar Matthäus (Mitte) mit fröstelndem Blumenstrauß eingerahmt von DFB-Präsident Egidius Braun (l.) und Bundespräsident Richard von Weizsäcker am 17. November 1993.

Lothar Matthäus (Mitte) mit fröstelndem Blumenstrauß eingerahmt von DFB-Präsident Egidius Braun (l.) und Bundespräsident Richard von Weizsäcker am 17. November 1993.

An das Spiel erinnert sich Matthäus auch wegen der tiefen Temperaturen des Abends noch sehr gut: „Das Wetter hat nicht so gepasst, alles andere passte aber schon. Das Stadion war ausverkauft. Herrliche Stimmung. Brasilien noch dazu. Das alles hat sich sehr gut angefühlt. Die Ehrung von Richard von Weizsäcker, das war ein tolles Gefühl.“

Wenigstens der Gegner habe ob seiner Stärke und Herkunft etwas Wärme ausgestrahlt, „zudem war es eine elektrisierende Mannschaft“, eine, die für so einem Anlass passend ausgesucht wirkte. „Tatsächlich war das ein feierlicher Moment für mich“, sagt Matthäus. Und: „Ich war natürlich stolz darauf, so eine Länderspiel-Zahl zu erreichen. Es waren ja andere Zeiten, da gab es nicht so viele Länderspiele im Jahr wie heute.“

Nach den 90 Minuten, die Matthäus als Libero durchspielte, stand ein 2:1-Erfolg gegen Brasilien. Ein Tor hat der Geehrte nicht erzielt, er spielte seine Rolle solide durch, leitete das zweite deutsche Tor allerdings brasilianisch mit einem Außenristpass ein. Guido Buchwald erzielte das 1:0 für den aktuellen Weltmeister (38.), Evair konnte für den künftigen Champion ausgleichen (40.), doch Andreas Möller traf noch vor der Pause zum letztlich entscheidenden 2:1 (41.). Der damalige Bundestrainer Berti Vogts hatte neun Weltmeister von 1990 in die Startelf berufen, ergänzt wurde sein Team von Thomas Helmer und Stefan Effenberg. Und Matthäus? „Ist mein verlängerter Arm auf dem Platz. Er hat viele Freiheiten bei mir. Lothar ist wieder so stark wie 1990 und seit Wochen der Beste beim FC Bayern“, sagte Vogts vor dem Spiel.

Nach dem Spiel in Köln war Matthäus noch bei zwei Weltmeisterschaften dabei (1994 und 1998), er war zudem Teil der DFB-Elf, die bei der EM 2000 im dritten Gruppenspiel in Rotterdam mit 0:3 gegen eine portugiesische B-Elf verlor. Es war sein letztes Länderspiel, da war Matthäus bereits 39 Jahre alt.

8. Juli 1990: Lothar Matthäus mit dem WM-Pokal.

8. Juli 1990: Lothar Matthäus mit dem WM-Pokal.

Im selben Jahr beendete er auch seine Klub-Karriere. Zuletzt spielte er nach Stationen in Mönchengladbach, bei Bayern München, Inter Mailand und erneut dem FC Bayern bei den New York/New Jersey Metro Stars. Von 1995 bis vor der WM 1998 ignorierte Vogts Matthäus allerdings, was den Spieler um eine zweistellige Anzahl an zusätzlichen Einsätzen im Adler-Dress brachte. „Da hatte der Berti offenbar meine Telefonnummer verlegt“, sagt Matthäus über die Phase der unfreiwilligen DFB-Pause.

Doch das trübt die persönliche Zufriedenheit über seine DFB-Karriere nicht: „Was mich insgesamt sehr stolz macht ist neben der Zahl von 150 Länderspielen natürlich die Tatsache, dass ich 20 Jahre, von 1980 bis 2000, Nationalspieler war. Dass ich mich nach meinem Kreuzbandriss 1992 und nach meiner Ausbootung wieder zurückgekämpft habe, das war schon was Tolles für mich, denn wir hatten ja auch riesige Konkurrenz in Deutschland.“

Ich war natürlich stolz darauf, so eine Länderspiel-Zahl zu erreichen. Es waren ja andere Zeiten, da gab es nicht so viele Länderspiele im Jahr wie heute.
Lothar Matthäus

Matthäus, seit 2001 Ehren-Spielführer der Nationalmannschaft, hält noch einen weiteren Rekord: Er führte eine DFB-Elf 75 Mal als Kapitän auf den Platz. Und erst im vergangenen Jahr hat Lionel Messi bei der WM in Saudi-Arabien einen Weltrekord des Spielers Matthäus überboten: 26 WM-Partien. Matthäus kommt auf 25 bei fünf Endrunden-Teilnahmen zwischen 1982 und 1998. Zwischen 1982 und 1990 erreichte die DFB-Elf jeweils das Finale, zweimal 1986 und 1990 mit Matthäus auf dem Spielfeld. 1982 verlor das DFB-Team in Madrid gegen Italien und 1986 in Mexiko gegen Argentinien, ehe es 1990 in Rom die Revanche gegen denselben Gegner gab: 1:0 durch Andreas Brehmes Elfmeter, nachdem der vorgesehene Schütze Matthäus zurückgezogen hatte.

Die erhoffte große Trainerkarriere gelang Matthäus nicht. Allerdings hat er sich in der jüngeren Vergangenheit als geschätzter und akzeptierter TV-Experte für allerlei Yellow-Press-Schlagzeilen, die er mit seinem Privatleben provozierte, rehabilitiert.

Beim Sender Sky kommentiert er fachkundig und mit analytischer Tiefe das 18.30-Uhr-Topspiel der Bundesliga, bei RTL bewertet er die Leistungen der Nationalmannschaft. Es ist in diesem Zusammenhang gewiss eine Auszeichnung, dass sich ein Trainer wie Thomas Tuchel von den Bayern über eine Matthäus-Expertise aufregte. Denn das zeigt durchaus, dass der einstige Bayern-Spieler ganz schön richtig gelegen hat mit seiner professionellen Stichelei.

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