Gegen alle Widerstände kämpfen sich Deutschlands Fußballerinnen ins EM-Halbfinale. Der Auftritt gegen Frankreich ist aus mehreren Gründen ein Ausdruck von Stärke.
Drama gegen FrankreichDFB-Frauen erobern Herzen einer Nation

Geschafft! Ann-Katrin Berger und Linda Dallmann herzen sich nach dem Einzug ins EM-Halbfinale.
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Wer öfter aufsteht, als er hinfällt, wird zum Erfolg kommen. Was wie das unkreative Motto eines 0815-Motivationstrainers klingt, hat sich am Samstagabend, kurz vor Mitternacht, im St. Jakob-Park in Basel eindrücklich bewahrheitet.

Sarai Linder spielte trotz Verletzung weiter und kämpfte sich durch.
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Die Lage des deutschen Fußball-Nationalteams der Frauen schien zuvor schon beinahe aussichtslos. Im Viertelfinale der Europameisterschaft galt das Team von Bundestrainer Christian Wück als Außenseiter gegen die talentierte französische Auswahl. Als sich nach zehn Minuten Sarai Linder verletzte und drei Minuten später Kathrin Hendrich die Rote Karte sah, war selbst die letzte Resthoffnung verloren.
Alle Widerstände überwunden
Eigentlich. Denn Deutschland überwand jeden Widerstand, wehrte sich leidenschaftlich und erreichte in einem Drama das Halbfinale.
Der Platzverweis, gefolgt vom verwandelten Elfmeter zur Führung der Französinnen, setzte ungeahnte Kräfte frei. Die DFB-Frauen kämpften heroisch, nahmen ihre Herzen in die Hand – und gewannen jene einer ganzen Nation.

Franziska Kett (am Boden) musste völlig entkräftet wegen Krämpfen ausgewechselt werden.
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Jeder Fan im Stadion – zumindest, wer es mit Deutschland hielt – und viele Millionen vor den Bildschirmen fieberten mit einem Team, das holprig in die EM gestartet war. Doch je größer die Widerstände bisher wurden, desto stärker wuchs der Glaube an die eigene Stärke.
Zu beweisen gilt im Vergleich zur schillernden Männerbranche, dass Emotionen und Leidenschaft das kühle Millionenbusiness schlagen. Das ist gelungen.
Spiel gegen Schweden als beste Vorbereitung
Alles kumulierte sich in diesem Viertelfinale. Schon im letzten Gruppenspiel gegen Schweden, einem 1:4, das Untergangsstimmung auslöste, war Wücks Elf lange Zeit eine Zehn, musste beinahe eine Stunde mit einer Frau weniger spielen.
Was in der vergangenen Woche bitter endete, wirkt im Nachhinein wie die beste Vorbereitung auf die noch größere Hürde. Denn im Duell mit Schweden war das Weiterkommen schon sicher, gegen Frankreich hätte eine Niederlage das EM-Aus bedeutet. Bestens gerüstet stemmte sich das Team, Nachspielzeiten nicht eingerechnet, 107 Minuten lang gegen den K.o. – und tat das so leidenschaftlich, wie es eine leidgeprüfte Auswahl eben tun muss.
Alles lief seit Turnierbeginn gegen die deutschen Fußballerinnen. Direkt im Auftaktspiel verletzte sich Giulia Gwinn – die Kapitänin, das Gesicht der neuen Generation. Es kamen selbst verschuldete Diskussionen hinzu, wie die Kritik des Bundestrainers an Torhüterin Ann-Katrin Berger nach vielen riskanten Aktionen beim Sieg gegen Dänemark nach Rückstand und mehreren Entscheidungen des Videobeweises.
Was wirft dieses Team überhaupt um?
Weiter folgten Rot für Gwinns Vertreterin Carlotta Wamser gegen Schweden sowie die erwähnten frühen Rückschläge im Viertelfinale. Dort glich die dezimierte DFB-Auswahl dann erst den Rückstand aus, überstand zwei vermeintliche Gegentore schadlos, weil sie aberkannt wurden, und ließ dann noch die Chance aus, die Partie per Strafstoß in der regulären Spielzeit zu entscheiden.
Die Frage, was sie überhaupt umwerfe, konnten nach dem historischen Kampf weder Coach Wück noch die Spielerinnen beantworten.
Die größte Heldin von Basel heißt dabei Ann-Katrin Berger, die einmal in der laufenden Partie sensationell parierte, so den Rückstand verhinderte, im Elfmeterschießen zwei französische Versuche vereitelte und schließlich selbst einen Strafstoß verwandelte.
Dieser Auftritt der deutschen Fußballerinnen war ein Sinnbild für Kampfgeist, Willen und die Stärke einer Einheit auf dem Rasen, in der eine alles für die andere gibt. Sie kann Kräfte freisetzen, die das Team bei dieser EM – trotz des Weltmeisters Spanien als kommenden Gegner – weit führt. Kräfte, mit denen es den DFB-Frauen auf dem Weg zum ersehnten Titelerfolg gelingen kann, immer wieder aufzustehen.