1981 traten in Taiwan die besten Fußball-Frauenteams der Welt zum Turnier an. In Ermangelung einer Nationalmannschaft spielte ein Bergisch Gladbacher Verein für Deutschland.
Frauen-FußballDas unbekannte Sommermärchen – Als Bergisch Gladbach für Deutschland siegte

Die Frauen der SSG 09 Bergisch Gladbach in Taiwan 1981
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„Fußball ist nichts für Mädchen.“ Mit diesem Satz sprach Jupp Derwall, Trainer der deutschen Männer-Nationalmannschaft von 1978 bis 1984, Anfang der Achtzigerjahre vermutlich vielen Männern aus der Seele. Man hätte gerne gewusst, was Derwall, der 2007 im Alter von 80 Jahren starb, über die gerade fulminant zu Ende gegangene Frauen-Fußball-EM in der Schweiz gesagt hätte.
Aber vielleicht sollte man im Zusammenhang mit dieser Erfolgs-EM lieber gar nicht so viel über Männer und berühmte falsche Sätze sprechen. Sondern über Frauen, die Fußball lieben und dafür von ihren Ländern in den vergangenen Wochen mehr zurückgeliebt worden sind als vielleicht jemals zuvor. Und man kann über das reden, was 1981 in Taiwan geschah – als Frauen für Deutschland einen historischen Fußball-Sieg errangen, ohne dass ihr Land das überhaupt mitbekam. Doch dazu gleich mehr.
Die ersten Fußball-Weltmeisterinnen kamen aus Köln und Bergisch Gladbach
Das am Sonntagabend mit einem packenden Finale beendete Fußball-Frauenturnier war in vielerlei Hinsicht eine Rekord-EM: Mehr als 500 Millionen Zuschauer vor den TV-Geräten, 657.291 Fans in den Stadien vor Ort, mehr als doppelt so viele aus anderen Ländern wie noch 2022. Von Deutschland über Großbritannien bis Island wurden die Frauen-Teams gefeiert. Diese Entwicklung ist mehr als nur beachtlich, sie ist auch mehr als verdient. Den Boden dafür bereitet haben auch Frauen aus Köln und Bergisch Gladbach, die 1981 die ersten Fußball-Weltmeisterinnen auf diesem Planeten wurden.

Ehemalige Spielerinnen der SSG 09 Bergisch Gladbach bei der Preisverleihung des Macherinnen-Awards 2025 im Senftöpfchen.
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Weltmeisterinnen für Deutschland! Die Geschichte der Spielerinnen aus Bergisch Gladbach ist fast zu unglaublich, zu schön, um wahr zu sein. Sie erzählt von einem Team, das ohne jede Unterstützung des damaligen Ober-Machovereins Deutscher Fußballbund, aber dafür mit viel Humor und Widerstandskraft nach Taiwan zur Frauen-Weltmeisterschaft reiste, um für Deutschland anzutreten. Die Deutschen kickten gegen eine ganze Reihe offizieller Frauen-Nationalmannschaften – und siegten.
Zur Erinnerung: Eine Fußball-Weltmeisterschaft für Männer gab es bereits seit 1930. „Das Wunder von Bern“mit dem ersten Titel für Deutschland folgte 1954. Dagegen verbot der DFB zwischen 1955 und 1970 Frauen-Mannschaften in den ihm angeschlossenen Vereinen, was einem Komplettverbot gleichkam. Ab 1974 gab es immerhin eine Deutsche Fußballmeisterschaft für Frauen. Aber der DFB duldete Frauen-Mannschaften eher, als dass er sie förderte. Frauen, die Fußball spielen, waren in den 80ern noch eine Seltenheit. Wurden Vereinsspielerinnen von Reportern befragt, ging es auch schonmal um Fragen wie die, ob es nicht wehtue, den Ball mit der Brust anzunehmen. Erst 1984 gab es die erste offizielle Frauen-EM, weitere sieben Jahre später folgte 1991 die erste offizielle Frauen-Weltmeisterschaft.
Achtmal deutscher Meister, Frauenpokal, wir haben eigentlich alles geholt in der Zeit
Wie aber kam dann zehn Jahre vorher es zur Frauen-WM in Taiwan? 1981 flatterte beim DFB ein Schreiben ein. Das um offizielle Anerkennung als Staat ringende Land lud zu einem inoffiziellen WM-Fußball-Turnier für Frauen. Die USA kündigten sich an, Indien und China, die Niederlande und viele mehr. Die Antwort des DFB: Eine Frauen-Nationalmannschaft haben wir nicht. Also fragten die Vertreter Taiwans nach dem besten deutschen Frauen-Fußballverein.

Jubel nach dem Sieg der SSG 09 Bergisch Gladbach
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Der DFB leitete die Einladung an die deutschen Rekordmeisterinnen der SSG 09 Bergisch Gladbach weiter. Die Spielerinnen, die zum Teil noch in einer illegalen Thekenmannschaft auf einem Aschenplatz in Köln-Dellbrück begonnen hatten, waren damals amtierende deutsche Meisterinnen und DFB-Pokalsiegerinnen, sammelten in diesen Jahren Titel um Titel, angeleitet von der extrem ehrgeizigen, hochtalentierten Spielertrainerin Anne Trabant (heute Trabant-Haarbach), die als Stürmerin mitspielte. „Achtmal deutscher Meister, Frauenpokal, wir haben eigentlich alles geholt in der Zeit“, erinnert sich die damalige Mittelfeldspielerin Petra Landers (lesen Sie hier ein Interview mit ihr).
Die Bergisch Gladbacherinnen waren letztlich eine Notlösung, um sich international nicht zu blamieren. Dabei hatte selbst die Schweiz zu dieser Zeit eine Frauen-Nationalmannschaft, die selbstverständlich in Taiwan dabei war. Obwohl sie für Deutschland antraten, fragten die Frauen beim DFB vergebens nach finanzieller Unterstützung. So mussten die Spielerinnen das Geld für die Reise unter anderem mit Waffeln backen und Autogrammstunden sammeln.
Ohne Team-Arzt flogen die Fußballerinnen zur WM nach Taiwan
Die Mannschaft flog ohne Team-Arzt nach Taiwan, den konnte sie sich nicht leisten. Dabei standen neun Spiele gegen die besten Mannschaften, die es damals weltweit gab, in nur elf Tagen an – und das bei großer Hitze und in hoher Luftfeuchtigkeit. Eine Zumutung, ein heute unvorstellbarer Kraftakt, ob bei den Männern oder Frauen. „Das war halt damals so. Irgendwie haben wir das durchgezogen“, erinnerte sich Bettina Krug, damals Kapitänin, 2023 im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Die deutschen Frauen spielten in Taiwan vor Zehntausenden begeisterten Zuschauern in ausverkauften Stadien und live im taiwanesischen Fernsehen das Turnier ihres Lebens. Im Finale gewann Bergisch Gladbach 4:0 gegen die Niederlande – in strömendem Regen. „Für mich war das wie eine Erlösung nach den ganzen Strapazen und Anstrengungen, dass wir das geschafft haben, Weltmeisterinnen zu werden, als Vereinsmannschaft gegen so viele Nationalmannschaften zu bestehen: Das war irre unter den Bedingungen. Dafür habe ich Fußball gespielt, um das zu erleben“, sagt Petra Landers.

So sehen Heldinnen aus: die Weltmeisterinnen von 1981.
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Und der DFB? Gratulierte er den Frauen zu dieser Leistung? Von wegen! „Auch danach kam vom DFB nichts. Der Erfolg wurde praktisch totgeschwiegen“, sagte Krug. Ob sich im DFB leise die Angst einschlich? „Ihr könnt machen, was ihr wollt, wir setzen uns doch durch. Das ist die Botschaft, die aus solchen Ereignissen kommt“, so wertete der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger in dem Dokumentarfilm „Das Wunder von Taipeh“ den Erfolg der Bergisch Gladbacherinnen. Der Sieg in Taiwan wurde dann tatsächlich zu dem Schritt, nach dem es kein Zurück mehr gab. Der DFB berief Sichtungslehrgänge ein, gründete 1982 die erste deutsche Frauen-Nationalmannschaft. Natürlich unter der Oberaufsicht eines Mannes: Gero Bisanz wurde Bundestrainer von 1982 bis 1996. Für Weltmeister-Trainerin Anne Trabant-Haarbach, die den Posten gerne gehabt hätte, blieb nur der Posten als Co-Trainerin.
Spielzeit von 80 Minuten – mehr traute man Frauen noch nicht zu
Da der Weltverband Fifa den Frauenfußball genauso wenig akzeptierte, wie es der DFB lange getan hatte, mussten bis zur ersten offiziellen Weltmeisterschaft 1991 noch zwei weitere inoffizielle Turniere in Taiwan stattfinden. 1984 traten die Bergisch Gladbacherinnen als Titelverteidigerinnen erneut bei der inoffiziellen Weltmeisterschaft an. Und gewannen sie zum zweiten Mal. 1991 war es schließlich so weit: Die Fifa veranstaltete in China die erste gültige, hochoffizielle, anerkannte Weltmeisterschaft der Frauen. Das Reglement spiegelte jedoch noch immer die Voreingenommenheit wider: Die Spielzeit betrug nur 80 Minuten. Mehr traute der Weltverband den Frauen noch nicht zu. Das Teilnehmerfeld war auf zwölf Mannschaften begrenzt, die in drei Gruppen aufgeteilt wurden. Die deutsche Mannschaft ging 1991 als amtierender Europameister in das Turnier, die Aufregung im Team von Bundestrainer Bisanz war groß.
„Vorher haben wir nur in Europa gespielt, endlich konnten wir uns auch mit den besten der Welt messen“, sagt die ehemalige Rekordnationalspielerin Martina Voss-Tecklenburg. Deutschland landetet auf Platz 3. 1999 in den USA ging der Vormarsch des Frauen-Fußballs weiter. Zum ersten Mal setzte die Fifa bei einer Weltmeisterschaft ausschließlich Schiedsrichterinnen ein. Die Zahl der Endrundenteilnehmer stieg auf 16, die Golden-Goal-Regel wurde eingeführt. Für den DFB war im Viertelfinale Schluss. Erneut musste das deutsche Team sich den USA geschlagen geben, die ihren Siegeszug bis ins Finale fortsetzten. Vor der Rekordkulisse von mehr als 90.000 Zuschauern im Rose Bowl von Pasadena gewannen die Gastgeberinnen ihren zweiten WM-Titel mit 5:4 im Elfmeterschießen gegen China.
2003 sollte die vierte Ausgabe des Turniers wieder in China stattfinden. Das in Asien grassierende Lungen-Virus Sars veranlasste die Veranstalter jedoch, das Turnier erneut in den USA auszutragen. Sehr zur Freude der Amerikanerinnen, die in der Gruppenphase so stark auftraten wie 1999. Doch die von Tina Theune trainierte deutsche Mannschaft hatte die Aufholjagd endgültig abgeschlossen. Im Halbfinale bezwang Deutschland die USA mit einem klaren 3:0 und ebnete sich den Weg zum ersten großen Triumph, den Nia Künzer durch ein Golden Goal im Finale gegen Schweden perfekt machte. 2007 machte Deutschland in China einfach so weiter. Die Elf von Nationaltrainerin Silvia Neid marschierte ohne einen einzigen Gegentreffer ins Finale. Mit einem 2:0-Sieg gegen die spektakulären Brasilianerinnen gelang den Deutschen zum ersten Mal die Titelverteidigung.
Diese Rechnung gilt freilich nur, wenn man die Leistung der unglaublichen Frauen aus Bergisch Gladbach ausblendet.
„Frauenfußball unter professionellen Bedingungen wird sich in Deutschland nicht durchsetzen. Dafür ist der Männerfußball hier viel zu dominant“, erklärte der langjährige Frauen-Nationaltrainer Gero Bisanz noch 2007 in einem Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“. Berühmt geworden ist dieser Satz nicht, falsch ist er trotzdem.
Die Passage über die Entwicklung des Frauen-Fußballs ab 1991 ist einem Archiv-Beitrag im „Kölner Stadt-Anzeiger“ von Victoria Schneider entnommen.