Thomas WintersteinJunkersdorfs 1000-Tore-Mann

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Torjäger Thomas Winterstein in gewohnter Pose: Jubelnd im Trikot des FC Junkersdorf

Torjäger Thomas Winterstein in gewohnter Pose: Jubelnd im Trikot des FC Junkersdorf

  • 30 Jahre hat Thomas Winterstein beim FC Junkersdorf gespielt und Erfahrungen gemacht, die Bücher füllen würden.
  • Ein Gespräch über reizvolle Angebote, Geld im Fußball, Spieler und ihre Angewohnheiten und ein Leben nach dem Fußball.
  • In unserer Serie „Legenden des Lokalsports“ stellen wir Sportler vor, die in den vergangenen Jahren durch besondere Leistungen weit über die Region hinaus Berühmtheit erlangten.

Thomas Winterstein spielte 30 Jahre lang Fußball beim FC Junkersdorf. Bis auf einen kurzen Ausflug zu BW Königsdorf hielt er dem Verein die Treue und führte die erste Mannschaft von der Kreisliga B in die Oberliga. Dabei steuerte er in jeder Saison unzählige Tore und Vorlagen bei.

Herr Winterstein, Sie haben 30 Jahre für den FC Junkersdorf die Schuhe geschnürt und waren der Top-Torjäger in der Kölner Fußball-Szene. Angebote dürfte es zuhauf gegeben haben. Warum kam nur einmal ein Wechsel zustande?

Thomas Winterstein: Ich habe mich halt sehr wohl gefühlt. Wenn ich ein Angebot bekam, lief es immer gleich ab: Ich habe einige Nächte schlecht geschlafen – und danach habe ich mich doch wieder für Junkersdorf entschieden.

Wurden Sie nie schwach?

Einmal hatte ich eine Anfrage von Fortuna Köln. Ich glaube, Ralf Aussem war dort zu dieser Zeit Trainer. Das war reizvoll. Ich habe wirklich mit mir gerungen. Aber ich habe mich erneut für Junkersdorf entschieden. Ich konnte einfach nicht anders.

Zur Person

Thomas Winterstein wurde am 14. März 1971 in Schwalmstadt (Hessen) geboren. Im Alter von zwei Jahren zog er mit seinen Eltern und seinem älteren Bruder nach Köln. Mit sieben Jahren trat er dem FC Junkersdorf bei, bei dem er 30 Jahre lang aktiv war. Dort führte der Torjäger die erste Mannschaft von der Kreisliga B bis in die Oberliga. Winterstein arbeitet im öffentlichen Dienst als zivil Beschäftigter bei der Flugbereitschaft BMVg am militärischen Flughafen in Porz Wahn. Er ist verheiratet und lebt mittlerweile in Rösrath.

Aus welchen Gründen?

Ich wusste immer zu schätzen, was ich hatte. Ich brauchte das Umfeld und die Wertschätzung meiner Freunde.

Das klingt in der heutigen Zeit beinahe melancholisch...

Auch damals sind schon viele – gerade im Amateurfußball – dem Geld hinterhergelaufen.

Davon soll es in Junkersdorf ja vor allem Dank des damaligen Mäzens Karl Bartel viel gegeben haben...

Auch wenn das blöd klingt, mir war das nicht wichtig. Der „Doc“ (so nannten die Spieler Bartel, d. Red.) war ein fußballbegeisterter und menschlich unglaublich guter Typ. Ich habe aber nie gepokert oder versucht, das Maximum an Geld rauszuholen. Aber es stimmt, wir hatten den Ruf und waren so etwas wie das Bayern München der Amateure.

Wie kam das bei den gegnerischen Teams an?

Ich kann mich an ein Aufstiegsspiel erinnern, vor dem der Gegner sich in T-Shirts mit der Aufschrift „Auch kein Geld schießt Tore“ warmgemacht hat. Das war schon lustig.

Als Bartel beim FC Junkersdorf einstieg, waren einige Spieler mit höherklassiger Erfahrung mit Ihnen in der Kreisliga unterwegs.

Das war tatsächlich eine spannende Zeit. Wir hatten mit Günter Hutwelker, Ralf Schlösser, Peter Schöpgens und Günter Kurek einige alte Haudegen dabei.

Mit der Zeit und den Aufstiegen kamen unzählige vor allem in Köln bekannte Spieler dazu: Jonas Wendt, Dirk Hebel, Jörg Merfeld, Markus Kranz, Klaus Voike, Ferdi Esser, Michael Gsella, Fabio de Souza, Martin Höck, Stephan Glaser, Thomas Euler und viele mehr. Sie alle kamen und gingen, nur einer blieb...

Rückblickend ist das schon verrückt. Es hieß immer: Nächste Saison kommt der so und so, dann wird es schwer für dich. Aber irgendwie habe ich sie alle überlebt und am Ende habe ich immer gespielt.

Sie hatten auch unzählige Trainer wie Viktor Passulko, Wolfgang Jerat, Franz Wunderlich, Jörg Merfeld oder Daniel Zillken. Die ganzen Geschichten müssten Stoff für mehrere Bücher geben.

Jeder hatte seine Eigenheiten. Unter Viktor Passulko zum Beispiel dauerte jedes Training so lange, bis das Team, in dem er spielte, gewonnen hatte. Das konnte mitunter lange dauern. Legendär waren auch sein weißer Sonny-Crockett-Anzug und die Sonnenbrille aus den Siebzigern. So kam er damals noch als Spieler zum Platz. Daniel Zillken haben wir immer „Mr. Tafel“ genannt, weil er viel Theorie mit uns gemacht hat. Bei Wolfgang Jerat erinnere ich mich noch an ein Straftraining nach einem schlechten Spiel: Er kam vor der Einheit zu mir und meinte: „Tommy – auch wenn du nichts dafür kannst – heute wird es schlimm, aber da musst auch du durch.“ Dann hat er uns in Chorweiler über die Aschenbahn gescheucht, bis wir alle nur noch am Japsen waren.

Jerat ist vor ein paar Wochen gestorben.

Ja, leider. Er war einer meiner besten Trainer. Da hat man vom ersten Training an gemerkt, dass er aus dem Profibereich kam.

Welche war die ungewöhnlichste Traineransprache ihrer Karriere?

Schwer zu sagen. Ich erinnere mich aber noch gut an eine Ansprache vor dem Aufstiegsspiel in die Oberliga gegen den MSV Duisburg II. Wir saßen in der Kabine und unser Trainer Jörg Merfeld sagte, wir sähen ängstlich aus und bevor wir uns in die Hose machen, sollen wir erstmal ein Gläschen Sekt trinken.

Vor dem Spiel?

Ja.

Und alle haben getrunken?

Bis auf einen Spieler – dessen Namen ich nicht nenne – alle.

Und das Spiel haben Sie gewonnen?

Wir haben 2:1 gewonnen, ich habe ein Tor erzielt und wir sind aufgestiegen. Anschließend sind wir mit dem Doppeldecker-Bus der Kölner Haie nach Hause in den Birkenhof gefahren und haben es richtig krachen lassen.

Eines fällt auf: Sie haben in der Jugend nie in Auswahlmannschaften oder bei Sichtungslehrgängen gespielt. Warum eigentlich nicht bei ihrer Torquote?

Da hat uns unser damaliger Jugendwart nie angemeldet. Ich bin dann einmal in der D-Jugend mit meinem Kumpel Frank mit dem Fahrrad zum Probetraining beim FC gefahren. Der Trainer meinte damals: „Dein Kumpel darf nochmal wiederkommen – du kannst zu Hause bleiben!“

Was zeichnet einen erfolgreichen Stürmer aus?

Du musst eine gesunde Portion Egoismus haben. Das heißt aber auch, dass du vor dem Tor immer das Auge für den besser postierten Nebenmann haben solltest. Viktor Passulko hat immer gesagt: „Wenn du den Ball vorne behauptest und dann ablegst und dein Mitspieler schießt den Ball ins Tor, dann ist es auch DEIN Tor.“

Wissen Sie überhaupt, wie viele Tore Sie für den FC Junkersdorf geschossen haben?

In meiner gesamten Karriere waren es wohl um die 1000 Treffer. Das habe ich irgendwann mal so grob überschlagen.

Kann man ein Spiel als Höhepunkt herauspicken?

Im Oberligaspiel gegen Mönchengladbach II habe ich beim 4:1 zweimal getroffen. Es war das Abschiedsspiel von Gladbachs Urgestein Peter Wynhoff – das werde ich nie vergessen.

Sie waren aber nicht der typische kölsche Jung, sondern kamen im Alter von zwei Jahren nach Köln. Und dann wurden Sie auch noch Bayern-Fan. Wie konnte das passieren?

Mein Vater war HSV-Fan, mein Bruder Anhänger von Borussia Mönchengladbach. Ich hatte schon immer den Spitzennamen „Bomber“, und Gerd Müller fand ich damals auch gut. Das passte dann irgendwie.

Viele Fußballer legen nach ihrer Karriere ein paar Kilos drauf. Bei Ihnen ist es eher anders rum.

Ich wiege inzwischen in der Tat knapp zehn Kilo weniger als zu meinen Glanzzeiten. Ich achte jetzt auf meine Ernährung (lacht).

Wenn das Ihre ehemaligen Trainer wüssten...

Wolfgang Jerat hat einmal gesagt, dass ich es in die Zweite Liga hätte packen können, wenn ich danach gelebt hätte.

Haben Sie aber nicht...

Nein, mir war das Drumherum – mit Freunden Spaß zu haben und Kölsch zu trinken – einfach wichtiger.

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Kein Bedauern über das verschenkte Talent?

Es war nicht verschenkt. Ich bin absolut zufrieden mit dem, was ich im Fußball erreicht habe.

Leider konnte Ihr Vater das nicht mehr miterleben. Haben Sie ans Aufhören gedacht als er starb?

Nein, ganz im Gegenteil. Fußball war da auch ein Stück Ablenkung. Mein Vater hat mich zuvor zu jedem Fußballspiel begleitet. Fortan war meine Mutter bei wichtigen Spielen dabei. Ohne diese Unterstützung von ihr und meinem älteren Bruder wäre es sehr hart gewesen. Auch meine Freundin und heutige Ehefrau Sandra hat mich anschließend sehr bei meiner Leidenschaft Fußball unterstützt. Dafür bin ich ihr heute noch dankbar.

Sie haben im Jahr 2010 Ihr letztes Meisterschaftsspiel gegeben und noch ein Tor erzielt und eine Vorlage zum Sieg gegeben.

Bei der Verabschiedung vor dem Spiel musste ich ein paar Tränen verdrücken. Die netten Worte vom Doc haben mich sehr berührt.

War das ihr Abschiedsspiel?

Nein, das haben Freunde und der Doc als Überraschung im Juli geplant. Ich habe nichts davon geahnt. Dort sind etliche alte Weggefährten aufgetaucht. Es war ein traumhafter Tag.

Nur ein Jahr später wurde die erste Mannschaft in Junkersdorf aufgelöst und die Spiellizenz wurde an Viktoria Köln verkauft. Wie war das für Sie?

Das tat mir schon etwas weh. Ohne Junkersdorf würde es den jetzigen Drittligisten FC Viktoria Köln gar nicht geben. Das wissen viele aber nicht.

Verfolgen Sie Spiele des FC Viktoria noch?

Das Ergebnis in der Zeitung.

Verfolgen Sie den Kölner Amateurfußball heute noch?

Nur noch ganz selten nebenbei, wenn ich höre, dass der ein oder andere Mitspieler von mir irgendwo Trainer ist..

Was antworten Sie, wenn Sie gefragt werden, was der Fußball für eine Bedeutung in ihrem Leben hatte.

Es war ein wunderbares Hobby und eine tolle Zeit.

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