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„Boah, das wär' ein cooler Job"Wie Tedesco an den Job als belgischer Nationaltrainer kam

Lesezeit 4 Minuten
Domenico Tedesco (r), neuer Trainer der belgischen Fußball-Nationalmannschaft.

Domenico Tedesco (r) ist neuer Trainer der belgischen Fußball-Nationalmannschaft.

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft trifft am Dienstag in Köln auf Belgien - und auf einen alten Bekannten aus der Bundesliga: Domenico Tedesco.

Es ist fast genau fünf Jahre her, da kam Domenico Tedesco das erste Mal als Trainer ins Stadion in Köln-Müngersdorf. Sein Arbeitgeber hieß FC Schalke 04. Die Knappen und der FC trennten sich 2:2, und Tedesco feierte am Ende der Saison mit den Königsblauen den Vizemeistertitel.

Mittlerweile hat Schalke mit der Bundesligaspitze rein gar nichts mehr zu tun - und Tedesco hat Königsblau längst abgelegt und mittlerweile gegen Rot eingetauscht. Er ist nun ein „Roter Teufel“ und als Coach der belgischen Nationalmannschaft trifft er am Dienstag (28. März 2023, 20.45 Uhr, RTL) in Köln auch nicht mehr auf den FC, sondern auf die deutsche Nationalmannschaft.

Tedesco denkt beim Zahnarzt über Job nach

Wie kam es dazu? Anfang Dezember saß Domenico Tedesco im Wartezimmer seines Zahnarztes und vertrieb sich die Zeit damit, sich über die Geschehnisse in der Fußball-Welt zu informieren. Als er vom Rücktritt von Roberto Martínez bei der belgischen Nationalmannschaft las, hatte er eine Eingebung. „Ich habe einem Freund direkt einen Screenshot geschickt und geschrieben: „Boah, das wär' ein cooler Job. Gute Mannschaft, gute Spieler““, erzählt er im Interview der DPA: „Dass es letztlich so kommen würde, habe ich in dem Moment aber nicht gedacht.“

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Er habe es auch selbst nicht vorangetrieben, versichert der 37-Jährige. Ein Berater kam auf ihn zu, er durchlief ein Bewerbungsverfahren und wurde am 8. Februar als Coach des WM-Dritten von 2018 vorgestellt. Und damit zum aktuell jüngsten Nationaltrainer eines Top-Teams. Aber das kennt er ja. Bei Erzgebirge Aue war er mit 31 jüngster Zweitliga-Trainer, auf Schalke wenige Monate später der jüngste der Vereinsgeschichte. „So gesehen ist es nichts Neues“, sagt er lachend: „Aber grundsätzlich klingt das nicht so schlecht.“

Was auch nicht schlecht klingt: Die EM 2024 findet in Deutschland statt. Die EURO als Aussicht habe bei seiner Entscheidung aber „eher sekundär“ eine Rolle gespielt. „Es ist nicht so, dass ich gesagt habe: Da steht eine EM in Deutschland an, da muss ich zusehen, dass ich irgendwo Nationaltrainer werde“, sagt er: „Ganz und gar nicht. Es ist eine schöne Geschichte, aber bis dahin ist es auch noch ein langer Weg.“ Österreich mit Trainer Ralf Rangnick, Schweden, Estland und Aserbaidschan sind die Gegner in der Qualifikation, der Start war mit dem 3:0 in Schweden am Freitag verheißungsvoll.

Überhaupt sei es nicht Teil einer grundsätzlichen Lebensplanung gewesen, Nationaltrainer zu werden, erklärt Tedesco. Und er schiele auch nicht darauf, irgendwann Nationaltrainer in Deutschland oder seinem Geburtsland Italien zu werden: „Es geht immer nur darum, das zu tun, was sich vom aktuellen Standpunkt her richtig anfühlt.“

Dieses Gefühl fehlte ihm offenbar bei der einen oder anderen Vereinsanfrage, die ihn seit dem Aus in Leipzig im September erreichte. In Hoffenheim oder Nizza war sein Name gefallen. Erst bei Belgien griff er zu. Es habe „einfach von der ersten Sekunde an gepasst“, sagt er. Es sei „reizvoll, bei einer solchen Fußball-Nation nach einer WM, die nicht wie gewünscht lief, den Reset-Knopf zu drücken und dabei auch einige Dinge verändern zu können“.

Die Voraussetzungen hält er für gut. Es sei auch nicht undankbar, nach sechs Jahren dem beliebten Martínez zu folgen. „Ich sehe es eher positiv“, sagt er: „Es wurde hervorragende Arbeit geleistet und die Grundlagen sind sehr gut. Im Vereinsfußball hat man oft den anderen Fall, dass im Jahr davor vielleicht schon zwei Trainer da waren. Glauben Sie mir: Das ist auch nicht einfacher.“

Das Thema „Goldene Generation“ sei aber „ein schwieriges“ gibt er zu. Jahrelang schwärmten alle von diesem Team. Nach dem Vorrunden-Aus bei der WM in Katar unkten viele, das sei auf Jahre die letzte Titelchance gewesen. Weil die „Goldene Generation“ schlicht zu alt sei. „Die Spieler haben versichert, dass es sie nicht tangiert. Aber das ist wie so oft bei solchen Themen wohl eine Dreiviertel-Wahrheit“, sagt Tedesco: „Wenn man es immer wieder hört, glaubt man es irgendwann. Aber Sie werden innerhalb der Mannschaft keinen finden, der sagt: Das alles ist nun vorbei. Ganz im Gegenteil. Alle sind hochmotiviert.“

Kevin de Bruyne ist Tedescos Kapitän

Zurückgetreten sind nur Eden Hazard (32), Abwehrchef Toby Alderweireld (34) und Ersatz-Torhüter Simon Mignolet (35). Kapitän war in Schweden Kevin De Bruyne (31). Verzichtet hat Tedesco bei seiner ersten Nominierung auf den Ex-Dortmunder Axel Witsel (34). Grundsätzlich spiele das Alter aber keine Rolle, auch nicht mit Blick auf die EM. „In einer Nationalmannschaft zählt immer der Ist-Zustand“, sagt er.

Grundsätzlich gebe es aber auch viele talentierte junge Spieler in Belgien, unterstreicht Tedesco, der aus der Bundesliga Koen Casteels (30), den Ex-Kölner Sebastiaan Bornauw (24/beide VfL Wolfsburg), Thomas Meunier (31/Borussia Dortmund) und Dodi Lukebakio (25/Hertha BSC) nominierte. Lukebakio glänzte in Schweden beim Dreierpack von Romelu Lukaku zweimal als Vorbereiter und lobte danach seinen Nationaltrainer: „Er hat mir sein Vertrauen gegeben und mir gesagt, ich soll rausgehen und Spaß haben.“ Den hatten Tedesco und die Belgier. Und den wollen sie auch am Dienstagabend in Köln-Müngersdorf wieder haben. (dpa/ps)

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