„Sollten uns nicht künstlich aufregen“Calmund warnt vor Kritik an Katar – und will eine WM-Kreuzfahrt machen

Lesezeit 3 Minuten
Reiner Calmund sitzt bei einer Benefiz-Gala in der Kölner Flora an einem Tisch und schaut in Richtung Bühne.

Reiner Calmund bei einer Benefiz-Gala in der Kölner Flora. Der ehemalige Bundesligamanager warnt vor zu viel Kritik an WM-Gastgeber Katar. (Archivbild)

Die Weltmeisterschaft will Reiner Calmund vor Ort verfolgen – und eine Kreuzfahrt machen. Homophobe Aussagen des katarischen WM-Botschafters seien aber „nicht tolerierbar“, so Calmund.

Am 20. November beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Die Vergabe des Turniers an den Golfstaat sorgt auch bis kurz vor Beginn der WM für viele Diskussionen. Zuletzt sorgte der WM-Botschafter Katars, Khalid Salman, mit homophoben Aussagen für viel Empörung. Nun hat sich mit Reiner Calmund auch ein ehemaliger Bundesligamanager zum Turnier in Katar geäußert und vor zu viel Kritik am Gastgeberland gewarnt.

Die Fußball-Weltmeisterschaft erfahre einen besonderen „Medienaufschwung“, erklärte Calmund in der Sendung „RTL Direkt“ am Donnerstag. Das sei noch nie der Fall gewesen, obwohl es bereits viele Weltmeisterschaften und Turniere anderer Sportarten in Katar gegeben habe.

Reiner Calmund über WM in Katar: „Wir sollten uns nicht künstlich aufregen“

Die homophoben Äußerungen des WM-Botschafters verurteilte Calmund gleichwohl. Die Aussagen seien „nicht tolerierbar“, so der ehemalige Manager von Bayer 04 Leverkusen. „Da muss die FIFA mit dem katarischen Verband darüber sprechen, wie sie das nun deuten.“

Einen Grund für scharfe Kritik sieht Calmund darin jedoch offenbar nicht. „Wir sollten uns nicht ewig so künstlich aufregen: ‚Hast du das gesehen, die leben ja in einem anderen Jahrtausend‘“, sagte der 73-Jährige im Gespräch mit RTL-Moderator Jan Hofer. Zu seinen Lebzeiten sei Homosexualität hierzulande noch unter Strafe gestanden - „bis 1994, in Deutschland!“

Calmund: Weltmeisterschaft kann Katar zu „mehr Zivilisation“ verhelfen

Die Weltmeisterschaft könne in „Katar wie in allen anderen Ländern zu mehr Zivilisation“ verhelfen. In Deutschland sollte man daher „schön bei uns gucken“. 

Homosexualität ist in Katar illegal und wird mit bis zu drei Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe bestraft, während Muslime nach dem Scharia-Recht auch die Todesstrafe erhalten können. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen diese wegen Homosexualität verhängt wurde. 

In Deutschland wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst die Gesetzgebung der Nationalsozialisten übernommen, die Homosexualität unter Strafe stellte. 1969 kam es zu einer ersten, 1973 zu einer zweiten Reform. Seitdem waren nur noch sexuelle Handlungen mit männlichen Jugendlichen unter 18 Jahren strafbar. Erst 1994 wurde der dementsprechende Paragraf 175 im Strafgesetzbuch ersatzlos für das gesamte Bundesgebiet aufgehoben.

Die Menschenrechtslage in Katar hält Calmund unterdessen nicht davon ab, die WM vor Ort zu verfolgen. Die „ersten drei Spiele“ werde er in Katar anschauen und dabei in Abu Dhabi wohnen, erklärte Calmund. „Bei den Finalspielen mache ich eine Kreuzfahrt, genieße das schön und unterhalte die Leute auf dem Schiff mit den Spielen.“ So habe er es bereits bei der WM 2014 in Brasilien gemacht, es habe „viel Glück gebracht“.

Todesfälle auf WM-Baustellen: Ungenügende Menschenrechtslage in Katar

Die Menschenrechtslage in Katar rückt immer wieder in den Fokus. Vor allem der Umgang mit Tausenden Arbeitsmigranten, die auch zur Errichtung der WM-Spielstätten ins Land gekommen waren, sorgte in den letzten Jahren für viel Empörung. Laut Angaben der Menschenrechtsorganisation „Amnesty International“ sind weiterhin Tausende Todesfälle auf Baustellen aus den letzten zwölf Jahren ungeklärt. „Wahrscheinlich“ seien „Hunderte dieser Fälle auf das Arbeiten in der sengenden Hitze Katars“ zurückzuführen, schreibt die Organisation in einem Bericht.

Auch der Umgang mit Homosexuellen ist immer wieder Bestandteil scharfer Kritik am WM-Gastgeberland. Zuletzt hatte der WM-Botschafter Homosexualität als „geistigen Schaden“ bezeichnet. Die homophoben Aussagen sorgten für internationale Kritik, auch DFB-Kapitän Manuel Neuer meldete sich zu Wort.

Ob der Fußballweltverband diesbezüglich Schritte, wie von Calmund gewünscht, einleitet, bleibt derweil offen. Zuletzt hatte die FIFA der dänischen Nationalmannschaft untersagt, beim Turnier in Katar T-Shirts mit dem Slogan „Menschenrechte für alle“ zu tragen. Zuvor hatte FIFA-Chef Gianni Infantino bereits dazu aufgerufen, den Fokus auf Fußball statt auf politische Themen zu richten.

KStA abonnieren