Handball-EMWie Julian Köster in die Weltklasse aufstieg

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Julian Köster klatscht sich mit dem roten Plüsch-Dom, der Auszeichnung für den Spieler des Spiels mit seinen Kollegen ab.

Julian Köster klatscht sich mit dem roten Plüsch-Dom, der Auszeichnung für den Spieler des Spiels mit seinen Kollegen ab.

Der in Köln lebende Star des VfL Gummersbach spielte beim 35:28-Sieg der Deutschen gegen Ungarn überragend.

Der Name „Julian Köster“ wird ausgerufen, das Spiel ist ein paar Momente vorbei, die Euphorie kocht allerdings noch weiter, bei der nun hibbelig dastehenden deutschen Mannschaft und erst recht inmitten des weiterhin lautstark feiernden, jubelnden und klatschenden Publikums in der Kölner Arena. Julian Köster also muss nun zu einer Zeremonie schreiten, dorthin geschubst von Linksaußen Rune Dahmke, das bedeutet: Alleine zurück über die blaue Platte zu einer Ehrung gehen, bei der er einen roten Plüsch-Dom erhält, die knuffige Auszeichnung für den Spieler des Spiels.

Selten war eine Wahl gerechtfertigter als in diesem Augenblick für ihn, den zwei Meter großen Mann, der am Montagabend in allen Bereichen, die von ihm gefordert waren, so sehr geglänzt hat, dass er seine Mannschaft zum Sieg über die Rückraumkolosse aus Ungarn geführt hat. 35:28 stand es nach 60 Minuten für die Deutschen, Köster hatte zuvor Bälle abgewehrt, geblockt, geklaut und vor allem auch noch ins Tor geworfen, acht Treffer bei neun Versuchen, macht eine Quote von 89 Prozent. „Julian war super. Das war eine großartige Leistung von ihm in Abwehr und Angriff. Ich bin extrem stolz auf ihn“, sagte dazu der sehr erleichterte Bundestrainer Alfred Gislason. Köster wiederum schritt lautstark lachend mit seiner Dom-Attrappe aus Stoff an seinen Mitspielern vorbei und klatsche jeden einzeln ab.

Wolff setzt gegen Kroatien auf Köster

Das DHB-Team kann in ihrer EM-Hauptrundengruppe nach Österreichs Niederlage gegen Frankreich nun wieder aus eigener Kraft das Halbfinale am Freitag erreichen, Gegner wäre dann Weltmeister Dänemark. Voraussetzung ist am Mittwoch ein Sieg über Kroatien, das bereits völlig abgeschlagen in der Hauptrunden-Tabelle und damit ausgeschieden ist. Doch leicht wird diese Aufgabe im vierten und letzten Match der zweiten Runde nicht, alle deutschen Spieler inklusive Trainer Gislason warnten vor der Spielstärke der Kroaten und dem Stolz, den sie mitbringen, wenn sie für ihr Land auflaufen. Torhüter Andreas Wolff freute sich daher über Kösters Leistung und sagte mit Blick auf das Kroatien-Spiel: „Ich hoffe, dass Julian diese Form noch weiter ausbaut und dass er sich im nächsten Spiel noch unersetzlicher macht.“

Julian Köster erlebte einen überragenden Auftritt in Köln, der Stadt, in der er im Belgischen Viertel wohnt und in der er BWL studiert. In der er hin und wieder im Teamhotel Besuch von seiner Freundin erhält, und in der die Zuschauer in der Halle am Montag vor allem auch wegen ihm „das Dach wegfliegen ließen, so laut war es machmal“, wie Köster hinterher berichtete. Noch immer ist dieser faszinierende Spieler erst 23 Jahre jung. Und weiterhin Angestellter, Kapitän und Kapazität des VfL Gummersbach. Angebote von derzeit größeren Klubs, bei denen er in der Champions League und um Titel mitspielen könnte, hatte er bereits vorliegen, lehnte sie bisher allerdings alle ab. Gummersbach passt gerade am besten in seine Lebensplanung. Zumal er dort auf dem Weg ist, eine neue und über die Region hinausstrahlende Identifikationsfigur zu werden.

In der Abwehr ist Julian Köster bereits Weltklasse, da ist er einer der weltbesten Spieler
Alfred Gislason

Gegen die Ungarn entwickelte sich Köster auf gleich zwei Königspositionen zu einer herausragenden Figur auf dem Spielfeld: In der Abwehr, in der er Schulter an Schulter mit Kapitän Johannes Golla aufmerksam verteidigte, Bälle antizipierte und hin und wieder nach vorne durchhüpfte, um Pässe abzufangen. Und im Angriff, wo er von halblinks mit rechts abschloss, dabei war er fünf Mal aus einer Distanz von neun Metern erfolgreich. Gislason ist der Meinung, dass Köster „in der Abwehr bereits Weltklasse ist, da ist er einer der weltbesten Spieler“. Hinzu komme, „dass er nun auch gefährlich in seinen Aktionen nach vorne ist“. Am Montag stand Köster 49 Minuten auf der Platte, das mutet ihm Gislason nicht oft zu. In der Abwehr benötigt der Coach seinen Experten immer, im Angriff jedoch gönnt er ihm bisweilen lange Pausen. Gislason will auf diese Weise Kösters Kräfte für die Defensive schonen.

Juri Knorr, ein weiterer Hochbegabter aus dem Kreis von Gislasons Nationalspielern, begnete Köster zufällig in der Mixed-Zone nach dem Spiel, die beiden standen plötzlich nebeneinander. Knorr unterbrach seine Gedanken zum Spiel, um sehr laut in Kösters Richtung zu rufen: „Er ist für mich einer der besten Bundesliga-Spieler. Und das hat er heute gezeigt.“ Köster hat das gehört, er lächelt, zu viel der Ehre, findet er in einer für ihn typischen Mischung aus Zurückhaltung und verbaler Defensive. Zu dem Lob sagt er: „Ach, das müssen andere beurteilen“, wobei das ja gerade geschehen ist. Auf jeden Fall sei dieses Spiel, dieser klare Sieg gegen die Ungarn, das Angriffsfestival, das dieser Mannschaft beim 22:22 gegen Österreich am Samstag nicht im Ansatz gelungen war, „ein Highlight für mich, das ich so schnell nicht vergessen werde.“ Und seine acht Tore? „Waren es acht? Ich habe gar nicht mitgezählt. Es freut mich, dass ich dem Team so helfen konnte.“

Wolff setzt fortan auf Julian Köster

Das setzte   dabei vor allem das um, was Gislason der Mannschaft in drei Videositzungen am Sonntag mit auf den Weg gegeben hatte, begonnen hatte die erste dieser Vorlesungen schon gleich nach dem Frühstück: Fehlerbilder aus dem Österreich-Spiel wurden angesprochen und diskutiert, Schuldzuweisungen habe es aber nicht gegeben, sagt Gislason.   Dessen Ansprache am Sonntag hat offenbar eine Wirkung erzielt, das gilt auch für eine emotionale Rede vor dem Spiel gegen die Ungarn. „Das hat uns berührt“, sagt Knorr – und die Mannschaft offensichtlich besonders motiviert gegen bisher in diesem Turnier überzeugende Ungarn.

Andreas Wolff, der eigentlich so zuverlässige deutsche Torhüter, fand erst in der zweiten Hälfte zu gewohnter Form, in der ersten Halbzeit hatte er keinen einzigen Ball zu fangen bekommen – „nur Eigentore habe ich mir reingekegelt“, sagte er hinterher. Am Ende standen allerdings neun Paraden, was für die mentale Stärke dieses Hünen im deutschen Tor spricht. Diesmal habe er sich einen derart schwachen Start leisten können, weil es eben vorne richtig gut geklappt habe. Und da war er auch schon bei Julian Köster, auch wenn neben dem Gummersbacher auch Sebastian Heymann ein starkes Spiel gelungen ist: vier Tore bei vier Versuchen. Aber Köster habe „fantastisch“ gespielt, „an ihm werden wir in der Nationalmannschaft noch sehr viel Freude haben.“

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