Kommentar zum Leichtathletik-FiaskoSchaut doch mal nach Holland

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Der Kölner Sprinter Joshua Hartmann fasst sich vor Entsetzen ans Gesicht. Soeben hat er den Staffelstab fallengelassen.

Der Kölner Joshua Hartmann nach dem deutschen Sprint-Staffel aus: Er ließ den Stab fallen.

Das deutsche Team bleibt bei der WM erstmals medaillenlos. Sportvergessenheit, falsche Strukturen und fehlendes finanzielles Engagement befördern die Krise - nicht nur in der Leichtathletik.

In der Disziplin des weiten Wegwerfens von schweren Gegenständen, wenigstens da, gab es seit der Wende lange Zeit verlässliche Lieferantinnen und Lieferanten von Medaillen für die deutsche Leichtathletik. Doch selbst im Ring klappte es diesmal bei den Welttitelkämpfen von Budapest nur mit dem Diskus ein bisschen, was Funktionäre gleichwohl feierten: Jawoll, Endkampf. Was für ein Selbstbetrug.

Es fehlt an allem, was Leistung fördert

An den Anblick des fehlenden deutschen Trikots bei Laufwettbewerben nahezu aller Art in den Finals mussten sich die deutschen Anhänger dieser Sportart auf Weltniveau ohnehin schon länger gewöhnen. Zu weit enteilt sei die Spitze aus anderen Ländern, hieß es als Begründung von Verbands- und Athletenseite. Diese oberflächliche Analyse der ersten medaillenfreien WM für den DLV trifft zwar zu.

Aber für die Tatsache, dass andere enteilt sind, gibt es eben auch tieferliegende Gründe. Sie haben mit einer spezifisch-deutschen Problematik zu tun, die bei einer schulischen Sportvergessenheit beginnt, sich über skurrile Modelle der Verhinderung von Leistungsvergleichen bei Bundesjugendspielen fortsetzt und schließlich in einem föderalen System des gegenseitigen Neids sowie der schwachen finanziellen Trainer- und Athletenunterstützung endet. Was auch verhindert, dass die Besten einer Sportart am selben Stützpunkt trainieren, zum Zwecke des Vergleichs und der Steigerung der Leistungen.

Daraus ergibt sich eine Leistungskrise, die in Deutschland bei weitem nicht nur die Leichathletik betrifft. Wer trotz allem durchhält, wie etwa der Hochspringer Tobias Potye, immerhin Fünfter seines Wettkampfs, muss sich unter amateurhaften Bedingungen selbst durchschlagen. In diesem Fall als Informatikstudent mit um die 600 Euro Sporthilfe. Hier sollte dieser Verband der deutschen Schönredner von Budapest dringend ansetzen und grundsätzlich alles in Erwägung ziehen, was ihm gerade als Tipps entgegengeworfen wird.

Letztlich wird dieser konservativ geführte Leistungssportsektor niemals die paradiesischen, bestens alimentierten Trainingsbedingungen schaffen können, wie sie etwa die an US-Colleges auswandernden Athleten aller Länder genießen, darunter auch der deutsche Zehnkämpfer Leo Neugebauer, noch ein Fünftplatzierter von Budapest.

Am besten Mal nach Papendal fahren

Möglich jedoch sollte es sein, das Wirken der Niederlande (17,8 Millionen Einwohner) zu studieren, die im Sportzentrum Papendal ein Trainingszentrum mit 550 Topathleten installiert hat, das viele Endkampf-Teilnehmer geschaffen hat, dazu mehrere Hochbegabte und zwei Goldmedaillen-Gewinner in den Laufwettbewerben. Papendal lässt sich von der Zentrale des DLV in Darmstadt in vier Autostunden erreichen.

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