Nach tödlichen UnfällenDiese Maßnahmen sollen den Geländeritt sicherer machen

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Chloé Raty im Juni 2018 mit Axel Z in Luhmühlen.

Aachen – Im Juni 2018 wagt sich die belgische Nachwuchsreiterin Chloé Raty beim internationalen Vielseitigkeitsturnier in Luhmühlen zum ersten Mal auf den Parcours der Weltprofis. Den ersten Teil schaffen die damals 24-Jährige und ihr Wallach Axel Z problemlos. Doch als Axel beim Hindernis 18b, einem stabilen Oxer aus Holzbalken, zum Sprung ansetzt, bleibt er mit dem Vorderhuf am Hindernis hängen. Das Pferd überschlägt sich und begräbt die junge Reiterin unter sich. Raty hat Glück: Sie trägt eine Weste mit Airbag und bleibt unverletzt.

Axel Z jedoch wird durch den Sturz querschnittsgelähmt und muss noch am selben Tag eingeschläfert werden. Er war das 26. Pferd, das bei internationalen Vielseitigkeitsturnieren seit 2015 starb. Unfälle wie diese befeuern eine Sicherheitsdebatte im Vielseitigkeitsreiten, die schon seit Jahrzehnten anhält.

Vielseitigkeitsreiten gilt als Königsdisziplin des Reitsports, als Ironman zu Pferd. Die Reiter müssen eine Dressurprüfung, einen Springparcours und einen Geländeritt meistern – eine Leistung, die nur ein Bruchteil der Reiter schafft. Die Entwicklung der Sicherheitsmaßnahmen hat Rüdiger Schwarz über lange Zeit miterlebt: Als er Ende der 1960er Jahre an Vielseitigkeitsturnieren teilnahm, hieß der Geländeritt noch Military. Nach seiner aktiven Karriere trainierte er 39 Jahre lang die deutsche Nationalmannschaft, heute baut er Parcours’ für internationale Wettbewerbe wie den Aachener CHIO.

Rennbahn wurde 2002 aus Geländeritt entfernt

Dass die Sicherheit im Vielseitigkeitssport immer weiter verbessert wird, begrüßt der 70-Jährige. „Es kann ja nur das Interesse aller Reiter sein, den Sport in ein gutes Licht zu stellen“, sagt er. Beim Geländeritt hat sich in den letzten Jahren mehr verändert als nur der Name. Früher, erzählt Schwarz, sei man noch durch unübersichtliches Gelände, durch Feldwiesen und Waldstücke geritten. Damals war die Quote an Reitern, die vor der Ziellinie ausschieden, noch deutlich höher.

Die Prüfungen beinhalteten noch eine Rennbahn, die die Pferde stark beanspruchten. 2002 wurde die Rennbahn aus dem Vielseitigkeitsreiten entfernt – eine gute Entscheidung, findet der ehemalige Bundestrainer. Das Pferd dürfe niemals zum Sportgerät werden. „Ich persönlich finde den Sport interessant genug“, sagt er. „Wichtig ist, dass man die Pferde nicht überbeansprucht.“

Immer mehr Hindernisse wurden in den vergangenen Jahren mit Sicherheitsmechanismen ausgestattet. Bei festen Aufprällen knicken so scheinbar stabile Hindernisse um. Das gilt vor allem für Hindernisse, die für Pferd und Reiter schwer zu taxieren sind. Etwa 60 Prozent der Sprünge, so Schwarz, seien bei großen Turnieren mit solchen Sicherheitsmechanismen ausgestattet.

Damit sollen vor allem Rotationsstürze vermieden werden. Bei dieser Art von Unfall überschlägt sich das Tier und begräbt dabei häufig den Reiter unter sich – wie es bei Axel und Raty passiert ist.

Verantwortung beim Reiter

Zum Schutz der Teilnehmer tragen auch sogenannte „Forgiving-Sprünge“ bei: Diese Art von Hindernissen bestehen im oberen Drittel aus Hecken. Verfehlen Pferd und Reiter den richtigen Absprung, streifen die Hufe statt eines stabilen Hindernisses nur durch Zweige. So, sagt Schwarz, könne das Pferd „20, 30 Zentimeter tiefer springen.“ Trotzdem werde es immer Hindernisse auf der Strecke geben, die nicht reißbar sind. Einen dicken Baumstamm beispielsweise kann man nicht mit einem Fall-Mechanismus ausstatten. Hier, sagt Schwarz, muss das Hindernis besonders gut anzureiten sein. Der Standpunkt des Sprunges sei ebenfalls ein wesentlicher Sicherheitsaspekt.

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Seiner Meinung nach hängt die Verantwortung der Sicherheit nicht alleine am Parcours: Der Reiter selbst muss sein Pferd sorgfältig trainieren, das Tier auf jede Hindernisart vorbereiten und im Parcours konzentriert reiten. „Wieso passieren auf der Straße Unfälle? Weil wir ein paar Raser haben. Solche gibt es leider auch unter den Reitern“, sagt Schwarz. Wenn man diese erkenne, müsse man sie aus dem Verkehr ziehen. Sehen die Richter und Delegierten bei größeren Turnieren über die Videokameras, dass ein Reiter den Aufgaben schlicht nicht gewachsen ist, wird er aus dem Parcours herausgenommen. Hier, findet Schwarz, müsse man sehr konsequent sein. „Für mich ist das fahrlässig. Solche Reiter brauchen wir nicht.“

Auch der Oxer, über den Chloé Raty und Axel stürzten, war mit einem Sicherheitsmechanismus ausgerüstet, der unglücklicherweise nicht auslöste. Eine hundertprozentige Sicherheit geben auch die aktuellen Maßnahmen nicht. Ein Restrisiko bleibt.   

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