Tennis-ProfiFür den Kölner Oscar Otte geht im Davis Cup ein Traum in Erfüllung

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Ottebild

Oscar Otte

Köln/Rio de Janeiro – Zum Jahreswechsel hat Oscar Otte dem "Kölner Stadt-Anzeiger" ein Interview gegeben, in dem er Einblick gewährte in das Leben eines viele Jahre lang kaum beachteten Tennis-Profis, der als Lebenskünstler durch die obskure Welt der zweitklassigen internationalen Szene zog. Der Kölner („Ich habe alles auf eine Karte gesetzt“) hat erzählt, wie gut ihm das Leben gefiel, trotz der überschaubaren Preisgelder und der dazu nötigen Bescheidenheit, die im Alter von 28 Jahre aber ein Ende finden sollte.

Sein erstes Ziel, fester Teil der besten 100 Spieler der Welt zu werden, hat Otte mit dem Einzug in die zweite Runde der Australian Open erreicht. Als Nummer 82 ist er hinter Alexander Zverev (3), Dominik Koepfer (54/aktuell verletzt) und Jan Lennart Struff (56) der viertbeste deutsche Tennis-Profi – und deshalb mit dem deutschen Davis-Cup-Team zum Erstrundenspiel gegen Brasilien nach Rio de Janeiro geflogen. „Für mich geht damit ein Traum in Erfüllung“, sagt Otte, der so lange weit weg war von allen Eliten des deutschen Tennis-Sports, dass er den Gedanken erst einmal fassen muss.

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Zunächst hatte es tatsächlich so ausgesehen, als hätte Oscar Otte eine Chance auf einen Einsatz in einem der Einzel gegen die international derzeit zweitklassigen Gastgeber. Dann aber hat Bundestrainer Michael Kohlmann Starspieler Alexander Zverev nachnominiert, der seit seinem tätlichen Angriff auf einen Schiedsrichter beim Turnier in Acapulco unter strengster Beobachtung der ATP-Tour steht.

Die Nummer drei der Welt hatte die Teilnahme am Davis Cup aus Termingründen lange Zeit kategorisch abgelehnt. Nun erscheint die Einladung für ihn wie eine Umarmung der deutschen Tennis-Familie, die ihren schwer zu kontrollierenden Hochbegabten nicht fallen lassen will. „Wir möchten ihm jetzt als Team helfen, die schwierige Phase zu überstehen“, sagte Davis-Cup-Kapitän Michael Kohlmann. Mit entsprechender Motivation trat der 24 Jahre alte Hamburger, der nach dem Triumph von Tokio und bei den ATP Finals in Turin zu einem dauerhaften Höhenflug anzusetzen schien, die Reise an den Zuckerhut an. „Ich habe zusammen mit dem Team das große Ziel, den Davis Cup einmal zu gewinnen. Immer wenn sich eine Chance ergibt, bin ich froh, meinen Teil dazu beizutragen“, sagte Zverev.

Zu anderen, brisanteren Themen sagte Zverev nichts: den Folgen seines Ausrasters in Mexiko; den Vorwürfen häuslicher Gewalt seiner Ex-Freundin Olga Sharypova, denen die Spielerorganisation ATP offenbar noch intensiver nachgehen will. Und auch nicht zum Überfall Russlands auf die Ukraine. Alexander Zverevs Eltern stammen aus der früheren Sowjetunion. Der Spieler selbst hat seine russischen Wurzeln als gebürtiger Hamburger nie verleugnet.

Am Freitag (ab 20 Uhr/jeweils Sportdeutschland TV) stehen die ersten beiden Einzel an, in denen die Favoriten schon die Weichen auf einen Auswärtssieg stellen wollen. Zverev wird als deutsche Nummer eins, Struff als Nummer zwei an den Start gehen. Am Samstag (18 Uhr) fällt die Entscheidung im Doppel mit Kevin Krawietz/Tim Pütz und in den verbliebenen zwei Einzeln. Sollte das Duell mit Brasilien nach dem Doppel schon entschieden sein, stiegen die Chancen für einen Einsatz von Oscar Otte. Daran will der Kölner allerdings nicht denken: „Alleine hier dabei zu sein, das ist etwas, was ich mir vor kurzem noch gar nicht vorstellen konnte. Es ist aufregend und anstrengend, alles durchgetaktet. Ich genieße jeden Moment.“

Sollte sich das deutsche Team durchsetzen, hätte es die Teilnahme an der Gruppenphase der besten 16 Mannschaften im September sicher. Die Entscheidung in dem traditionsreichen Wettbewerb, der zuletzt unter deutlichem Murren der Spitzenspieler immer wieder verändert wurde, fällt in einer K.o.-Runde ab dem Viertelfinale Ende November.

Titelverteidiger Russland um den Weltranglistenersten Daniil Medwedew darf wegen der Sanktionen des internationalen Tennisverbandes ITF nicht teilnehmen. Das erhöht die Chancen auch für die Deutschen. „Wir müssen uns vor niemandem verstecken und können in Bestaufstellung und mit unserem Teamspirit mit allen mithalten“, sagt Alexander Zverev. (mit sid)

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