Gründung der European League of FootballNeue Liga sorgt auch in Köln für Unruhe

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Die Crocodiles-Spieler werden in der ELF zunächst nicht antreten.

Köln – Es herrscht Unruhe in der deutschen Football-Szene. Während der American Football Verband Deutschland (AFVD) und die ihm angeschlossenen Vereine aus der German Football League (GFL) auf das Ende der Pandemie und die Rückkehr aus der Zwangspause in den Liga-Alltag im nächsten Jahr hoffen, kündigte die neu gegründete European League of Football (ELF) den Spielbetrieb einer professionellen Liga ab Sommer 2021 an. Acht Teams (sechs Mannschaften aus Deutschland sowie der polnische Vertreter aus Warschau und der spanische Klub aus Barcelona) sollen im Juni an den Start gehen, zukünftig soll die Liga auf bis zu 20 Mannschaften aufgestockt werden.

Schon seit vier Jahren arbeitet Football-Moderator Patrick Esume („ran NFL“/ProSieben) an den Plänen für eine kontinentale Liga, in der sich der 46-jährige Hamburger als Sportdirektor einbringen will. Die Grundidee: Vor dem Saisonstart der US-Profiliga NFL sendet der TV-Sender ProSieben Maxx jeden Sonntag ein Spiel der neuen europäischen Liga sowie die Playoffs und das Finale live, alle restlichen Spiele sollen im Internet zu sehen sein.

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Patrick Esume hat die Gründung der ELF maßgeblich vorangetrieben

Gesellschafter und Investor der ELF ist Zeljko Karajica, der früher die US-Sportbusiness-Einheit „7Sports“ bei ProSieben Sat.1 geleitet hat und den Football zur Münchner Sendergruppe holte. „Wir sind überzeugt davon, dass die Zeit reif ist für eine solche Topliga. Wir bieten den vielen Football-Fans damit in der Spielpause der NFL ein attraktives Produkt“, sagt Karajica, dessen Bruder Tomislav in Hamburg als Großinvestor (Imvest, Elbdome, edel-optics.de Arena) bekannt und Hauptgesellschafter des Basketball-Bundesligisten Hamburg Towers ist.

Der deutsche Verband ist geschockt

Weil sich die neue Liga bereits an einigen Standorten von GFL-Teams erfolgreich nach Interessenten umgeschaut hat, scheint der deutsche Verband noch tiefer geschockt zu sein, als nach der wegen Corona abgesagten Spielzeit 2020. „Es ist offensichtlich, dass bei dem Konzept der ELF das Erzielen von Gewinnen im Vordergrund steht und nicht die Förderung und Entwicklung des Sports, seiner Strukturen sowie seiner aktiven Sportler“, sagt GFL-Ligavorstand Axel Streich. „Die GFL begreift die ELF als einen Mitbewerber um Spieler, Sponsoren, Fans und Spielstätten, der neben dem in Vereinen und Verbänden organisierten Sport agieren möchte.“ Und weiter: „Es ist zu befürchten, dass sich die ELF an den von den deutschen Vereinen ausgebildeten Spielern und geschaffenen Strukturen bedienen will.“

Teilnehmer an der Bundesliga sind ungewiss

Weil im Falle einer Teilnahme an der ELF eine zusätzliche Spielberechtigung für die GFL ausgeschlossen ist, droht dem Verband ein ziemliches Desaster. Wie die Erste und Zweite Liga im Jahr 2021 aussehen könnten, wenn zahlreiche Top-Spieler in neu gegründeten „Franchises“ oder gar komplette Teams aus der GFL künftig in der ELF spielen, steht genauso in den Sternen wie das Ende der Pandemie.

Allen Hiobsbotschaften zum Trotz verkündete der AFVD am 1. Dezember die Verlängerung der Kooperation mit dem Spartensender Sport1. „Sport 1 plant in der kommenden Saison der German Football League (GFL) bis zu 14 Spiele aus der regulären Saison und den Playoffs sowie den German Bowl XLII live im Free-TV zu übertragen“, verkündete der Dachverband in einer Pressemitteilung.

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Der Crocodiles-Vorsitzende Jan Stecker kann sich vorstellen, dass sein Klub mittelfristig ebenfalls teilnimmt

Dem AFVD und vor allem dessen Präsidenten Robert Huber wirft Patrick Esume schon länger vor, die Potenziale des deutschen Footballs brachliegen zu lassen. „Der Status des Amateurfootballs in Deutschland ist erschreckend und wird dem Sport und seiner Fan-Basis einfach nicht gerecht“, klagt Esume, der als Spieler 1996 mit den Hamburg Blue Devils und als Headcoach 2010 mit den Kiel Baltic Hurricanes die Deutsche Meisterschaft gewann und als Nationaltrainer mit Frankreich 2018 den EM-Titel holte. Neben Hamburg, dem Sitz der ELF-Zentrale, gehören Berlin, Frankfurt am Main, Stuttgart, Hannover/Hildesheim, Ingolstadt, Warschau und Barcelona zu den Spielorten.

Crocodiles scheuen das Risiko

Selbstverständlich hat „Coach“ Esume auch bei seinem TV-Kollegen Jan Stecker – seit Kurzem Präsident der Cologne Crocodiles – längst angeklopft und die Frage nach einem Einstieg der Kölner in die ELF gestellt. „Ja, natürlich haben wir darüber schon gesprochen. Als Vorstand der Crocodiles finden wir das Konzept gut, aber wir werden das Risiko nicht eingehen, dass wir beim Ligastart im nächsten Jahr nicht dabei sind“, erklärt Stecker, der nicht nur NFL-Experte ist, sondern als ehemaliger Crocodiles-Quarterback und Nationalspieler die deutsche Football-Szene ebenfalls seit vielen Jahren kennt.

Auch die Spielstätte fehlt

Man wolle als gerade erst neu gewählter Vorstand nicht ins kalte Wasser springen und das riskante Abenteuer ELF wagen, so Stecker. Ein TV-Vertrag alleine sei nicht der Heilsbringer, auch die Zuschauerzahlen müssten laut Stecker stimmen, damit die Liga überlebensfähig ist. Er könne sich aber durchaus vorstellen, dass die Crocodiles mittelfristig zur Liga stoßen.

Nicht nur das finanzielle Risiko scheuen die Kölner noch, auch eine geeignete Spielstätte fehlt dem Deutschen Meister von 2000, weil das Stadion im Sportpark Höhenberg im kommenden Jahr umgebaut wird. Unter welchem Namen das Team in einer dann neu gegründeten GmbH spielen würde, ist ebenso unklar, denn als Cologne Crocodiles darf eine Mannschaft nur in der GFL teilnehmen.

Patrick Köpper

Crocodiles-Headcoach Patrick Köpper kann noch nicht absehen, wie sein Kader in der neuen Saison aussehen wird.

Gegen welche Konkurrenten die Kölner im Fall der Wiederaufnahme des Spielbetriebs in der nächsten GFL-Saison antreten, scheint derzeit völlig offen. Das Beispiel Frankfurt zeigt, dass die Ängste der Verbandsspitze nicht unbegründet sind, dass viele Topspieler zukünftig in der ELF spielen und die Erste Liga an Qualität einbüßt. Alexander Korosek, ehemaliger Geschäftsführer des Bundesligisten Frankfurt Universe, hat jüngst in der Finanzmetropole ein neues Team gegründet, mit dem er in der ELF antreten will. Trainer Thomas Kösling folgte ihm ebenso vom Ex-Verein wie ein Großteil der ehemaligen Spieler, die nach Möglichkeit ebenso in der Farbe Lila spielen sollen wie Universe. Sogar das Maskottchen Franky sowie einige Cheerleader würde man gerne vom Stammverein übernehmen.

Ley sieht Situation kritisch

Markus Ley, der erst im Sommer als Präsident der Crocodiles aus dem Vorstand ausgeschieden ist, sieht die Situation kritisch: „Ich habe immer darum geworben, dass sich ELF-Planer und AFVD an einen Tisch setzen und zusammenarbeiten, aber beide Partien haben nicht zusammengefunden. Die Entwicklung ist meiner Meinung nach dem Wohle des Footballs hierzulande nicht zuträglich.“ Weiterhin meint Ley: „Ich persönlich bin skeptisch, dass die ELF auf Dauer funktioniert. Beispiele aus anderen Sportarten – zum Beispiel Basketball, wo die Kosten für die Teams aufgrund der geringeren Anzahl von Spieler n niedriger sind – haben gezeigt, dass es äußerst schwierig ist, kostendeckend zu wirtschaften oder gar Geld mit einer europäischen Liga zu verdienen.“

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Auch Kölns Headcoach Patrick Köpper sieht noch einige Fragezeichen hinter dem Geschäftsmodell der ELF: „Grundsätzlich finde ich eine Professionalisierung unserer Sportart in Deutschland interessant. Die große Frage ist, ob das funktioniert. Gerade in der jetzigen Situation finde ich das sehr mutig.“ Dass die GFL unter der Konkurrenzsituation leidet, steht für Köpper fest: „Der Verband spielt ja schon gedanklich alle Eventualitäten mit unterschiedlichen Gruppen und einer verkürzten Spielzeit durch.“ Welche Spieler dem Cheftrainer zukünftig zur Verfügung stehen, hängt aber nicht nur vom Ende der Pandemie ab, wegen der die Planungen mit den US-Spielern vorerst vertagt wurden. Zukünftig buhlen schließlich auch die ELF-Teams um Spieler.

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