Englischer ZweitligistWarum FC-Fans Nottingham Forest die Daumen drücken

Keinan Davis (.) und Brennan Johnson jubeln nach einem Treffer für Nottingham Forest.
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Köln/Nottingham – Kurz nach dem Schlusspfiff durch Schiedsrichter Ralf Hilmes sammeln sich hinter der Südkurve des Müngersdorfer Stadions knapp 120 Fans des 1. FC Köln. Ihre Stimmung ist gut, der FC hat das Tabellenschlusslicht KFC Uerdingen mit 4:0 geschlagen. Anlass zur Euphorie besteht an diesem 30. April 1999 allerdings nicht. In der Premieren-Saison in der 2. Bundesliga wird es mit dem angepeilten Wiederaufstieg nichts mehr werden. Am 28. Spieltag hat der FC nur acht Zähler Vorsprung auf die Abstiegsränge – auf Platz Drei sind es zwölf, auf Tabellenführer Unterhaching gar 19 Punkte.
Nach und nach besteigt die große Gruppe die beiden wartenden Busse. Ziel sind die englischen East Midlands. Organisiert vom Fan-Projekt ist ein Besuch beim ehemaligen Europapokal-Gegner Nottingham Forest geplant. Zwar hatten die Engländer Mitte der 1990er ein kleines sportliches Zwischenhoch, doch nach nur einer Saison in der Premier League steht der sofortige Wiederabstieg zum Saisonende 1998/99 bereits längere Zeit fest.
In den frühen Morgenstunden des 1. Mai 1999 erreicht die Kölner Abordnung den „City Ground“, das Stadion von Nottingham Forest. Die Südkurve heißt hier „Trent End“ und ist nur wenige Schritte vom namensgebenden Fluss entfernt. Am anderen Ufer, Luftlinie keine 300 Meter entfernt, erheben sich die Flutlichtmasten des „Meadow Lane Stadium“. Hier trägt der Lokalrivale Notts County seine Heimspiele aus.
Es ist heute nur schwer vorstellbar, dass beide Vereine einmal zu den besten in Europa gehört haben. Die Briten haben gar das Kunststück vollbracht, den Europapokal der Landesmeister – wie die Champions League damals noch hieß – öfter zu gewinnen als die englische Meisterschaft. Ein kurioser Rekord, der sich im Selbstverständnis des Vereins bis heute widerspiegelt. So zieren zwei Sterne als Erinnerung an einstige Größe das Vereinslogo.

Der „City Ground“ am Trent-Ufer in Nottingham.
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Europapokalsieger
Unter Trainerlegende Brian Clough gewann Forest 1978 als Aufsteiger erstmals – und zum bislang letzten Mal – die englische Meisterschaft. Es folgten zwei sagenhafte Spielzeiten im Europapokal. Im Halbfinale des Landesmeister-Pokals 1978/79 kreuzten sich die Wege des 1. FC Köln und der „Reds“. In beiden Fanlagern gilt vor allem das 3:3 im City Ground als legendäre Fußball-Schlacht. Im Rückspiel unterlag der FC unglücklich und vor allem nach Meinung vieler Zeitzeugen unnötig mit 0:1. So fuhren die Engländer zum Finale ins Münchener Olympiastadion, wo sie den schwedischen Meister Malmö FF mit 1:0 besiegen konnten.
In der Folgesaison zog der Titelverteidiger erneut ins Endspiel des wichtigsten europäischen Vereinswettbewerbs ein. Diesmal war der deutsche Meister die letzte Hürde. Ausgerechnet in der Heimstätte des Rekord-Pokalsiegers Real Madrid, dem „Santiago Bernabéu“, gewann Nottingham gegen den Hamburger SV erneut durch ein 1:0 den „Pokal mit den großen Ohren“, wie die Trophäe scherzhaft genannt wird.
Doch nach und nach verblasste der Ruhm. Der Verein aus Mittelengland konnte an die großen Erfolge, zu denen unter anderem zwei Titel im englischen Vereinspokal („FA Cup“) in den Jahren 1898 und 1959 gehören, nicht anknüpfen. Nach 26 Jahren Erstklassigkeit stieg die Mannschaft aus der Heimatstadt der Legende um Robin Hood in die zweite Liga ab. Es folgten Auf- und Wiederabstiege, die zwischen 2005 und 2008 sogar bis in die drittklassige „Football League One“ führten.
Durch eine Reihe von Besitzerwechseln blieb es unruhig im Verein, es konnte keine sportliche Kontinuität aufgebaut werden. So folgte auf den im Februar 2012 überraschend verstorbenen Eigentümer Nigel Doughty eine kuwaitische Familie. Deren Geduld mit den sportlich Verantwortlichen war ausgesprochen kurz. Selbst Vereinslegende Stuart Pearce musste nach nur sieben Monaten als Cheftrainer seinen Hut nehmen. Dazu kam ein Transfer-Embargo wegen Verstößen gegen das so genannte „Financal Fairplay“.
Seit Mai 2017 gehört Nottingham Forest dem griechischen Reeder Evangelos Marinakis. Zu dessen Portfolio gehört unter anderem der griechische Verein Olympiakos Piräus. Marinakis wird mit Korruption und Spielmanipulation in Verbindung gebracht. Eigentlich wieder keine guten Vorzeichen.
Doch ist bei Nottingham Forest trotz des dubiosen Eigentümers in der laufenden Spielzeit Ruhe und Erfolg eingekehrt. Zumindest in sportlicher Hinsicht eine Parallele zum 1. FC Köln, wenn auch mit anderen Zielsetzungen. Am vergangenen Dienstag gewannen die Reds bei Tabellenführer Fulham und haben sich damit eine hervorragende Ausgangsposition für die letzten drei Spieltage erarbeitet. Einen Sieg im direkten Duell beim Tabellenzweiten Bournemouth vorausgesetzt kann Nottingham den zum direkten Aufstieg in die Premier League berechtigenden zweiten Platz noch aus eigener Kraft erobern.

FC-Fan beim Spiel am 1. Mai 1999 im „City Ground“.
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Zurück in den Mai 1999. Kaum ist „Mull Of Kintyre“, die Hymne von Nottingham Forest, verklungen, legt die Heimmannschaft los wie die Feuerwehr. Hugo Porfirio (14.) und Alan Rogers (16.) gelingen zwei schnelle Tore gegen Sheffield Wednesday, das selbst noch jeden Punkt zum Klassenerhalt benötigt. Die gut 120 Kölner unter den 20.480 Zuschauern im City Ground sind von der versöhnlichen Atmosphäre überrascht. Trotz des bereits feststehenden Abstiegs unterstützen die Engländer ihre Mannschaft und feiern nach Abpfiff den Sieg, einen von nur sieben aus 38 Partien, mit ihren deutschen Gästen. Der Kontakt zwischen Anhängern beider Vereine besteht bis heute, weit über die Teilnehmer dieser Fan-Projekt-Fahrt hinaus.