Spektakuläre Razzia in KuchenheimRentner betreiben große Cannabis-Plantage in der Eifel

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Zivilpolizisten verhaften bei der Razzia in einer ehemaligen Molkerei in Euskirchen-Kuchenheim zwei Frauen, die dort in der Cannabis-Plantage gearbeitet haben. Zwei bewaffnete SEK-Beamte sichern die Rampe der Lagerhalle.

Bei der Razzia in einer alten Molkerei in Euskirchen-Kuchenheim werden zwei Frauen, die in der Cannabis-Plantage gearbeitet haben, verhaftet.

„True Crime Köln“ berichtet von großen Cannabis-Plantagen in der Eifel, die unter anderem von einer Rentnergang betrieben wurden.

Die Aufregung war groß im kleinen Kuchenheim: Mit einem Großaufgebot hatte die Polizei eine ehemalige Molkerei in dem 3400-Einwohner-Ort gestürmt und so den Betrieb einer riesigen Cannabis-Plantage beendet. Die Ermittler fanden Tausende erntereife Marihuana-Pflanzen und 2000 Stecklinge. Arbeiterinnen aus Vietnam, die zwischen den Pflanzen schliefen, waren für Aufzucht und Pflege zuständig. Neben der Plantage wurde ein Lager mit über 1000 Waffen, Waffenteilen und Munition entdeckt. Die Razzia war Teil einer groß angelegten Aktion gegen die Eifeler Unterwelt.

Insgesamt wurden 25 Immobilien durchsucht – darunter auch eine Halle in Titz bei Jülich, wo eine Gang rüstiger Rentner eine Plantage betrieb. Das Alter der Festgenommen, die mit Drogengeld ihre Rente aufbesserten, lag zwischen 64 und 76 Jahren. Den Wert der Pflanzen-Felder in Titz und Kuchenheim bezifferten Experten auf rund zwei Millionen Euro. Allein eine Ernte in Kuchenheim hätte 910.000 „Konsumeinheiten“ entsprochen, rechnete der Staatsanwalt Guido Schreiner vor Gericht vor. „Davon könnte sich fast jeder Einwohner Kölns einen Joint anzünden.“

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Zweieinhalb Jahre sind seit den spektakulären Razzien vergangen. Fast alle im November 2020 Festgenommenen sind mittlerweile bestraft worden – zum Teil mit hohen Gefängnisstrafen. Zwei Rentner aus Titz müssen genau wie drei Hintermänner aus Deutschland und Belgien mehrere Jahre in Haft. Ein 51-jähriger Kölner wurde wegen bandenmäßigen Drogenhandels sowie der Verstöße gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz zu zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Er war der Vermieter der Halle in Kuchenheim.

Glimpflich ging es für die Arbeiterinnen aus, die für die Plantage in der ehemaligen Molkerei zuständig waren. Die beiden Frauen kamen mit Bewährungsstrafen davon. Sie seien nur für untergeordnete Dienste zuständig gewesen. Ihr Chef wurde zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.

Mehrere Waffen stehen an eine Wand gelehnt.

Waffenfund bei der Razzia in Kuchenheim

Die unterschiedlichen Prozesse machten den Aufbau des Drogenrings deutlich: Im Auftrag von Hintermännern wurden Plantagen an unscheinbaren Orten aufgebaut, wie die neue Podcast-Folge von „True Crime Köln“ „Cannabis in Kuchenheim“ berichtet. Für die Pflege der Felder waren Teams vor Ort zuständig. Während die rüstigen Drogen-Rentner von Titz offenbar selbstbestimmt und unter akzeptablen Bedingungen arbeiten konnten, glichen die Arbeitsbedingungen in Kuchenheim „sklavenähnlichen Verhältnissen“ in einem „Rattenloch“. Im Prozess war von menschenunwürdigen Bedingungen die Rede. Die beiden Arbeiterinnen und ein 60-jähriger Vorgesetzter waren gebürtige Vietnamesen, die aus Holland zum Arbeiten in den Erftkreis geschickt worden waren. Sie lebten in der Halle, in der die gewinnbringenden Pflanzen gediehen, und sahen kaum Tageslicht. Den Frauen waren 500 Euro als Wochenlohn in Aussicht gestellt worden.

Die Cannabis-Plantage in der ehemaligen Molkerei in Euskirchen-Kuchenheim

Die Cannabis-Plantage in der ehemaligen Molkerei in Euskirchen-Kuchenheim

Nur ein Unternehmer aus Düren wartet noch auf seinen Prozess. Der ehemalige Sponsor eines Traditionsfußballclubs ist im Raum Düren und Aachen eine lokale Größe, weshalb man dort gespannt auf die Verhandlung wartet. Nach Angaben von Florian Knop, Richter und Sprecher am Landgericht Aachen, ist der Prozess noch nicht terminiert. Der Beschuldigte hat offenbar Atteste vorgelegt. Hinzu kommt die starke Auslastung der zuständigen Kammer. Nach seiner Verhaftung hatte der Unternehmer eingeräumt, Immobilien vermittelt zu haben. Von dem, was darin stattfand, habe er jedoch nichts gewusst. Das sehen die Ankläger offensichtlich anders: Der Mann sei Teil des Drogenrings gewesen und müsse sich wegen des Handels mit verbotenen Betäubungsmitteln „in nicht geringer Menge“ verantworten.

Schwarzmarkt trotz Legalisierung

Wird es illegale Plantagen wie in Titz und Kuchenheim in Zukunft nicht mehr geben? Die Befürworter der neuen gesetzlichen Regeln im Umgang mit Cannabis argumentieren auch damit, dass man so die Drogenkriminalität bekämpfe. Welche Auswirkungen haben die begrenzte Legalisierung von Cannabis und die Erlaubnis, die Drogen unter Kontrolle anzubauen, auf den Schwarzmarkt? Dirk Schuster, Leiter der Kriminalinspektion 2 bei der Kölner Polizei und zuständig für Organisierte Kriminalität, ist skeptisch. Er geht davon aus, dass es weiterhin einen Schwarzmarkt geben wird. Solange man mit der Herstellung und dem Verkauf von Drogen Geld verdienen kann, werde es weiterhin Plantagen geben. Welchen Umfang diese haben, müsse sich zeigen. Im idealen Fall würde die Freigabe zu einer deutlichen Verkleinerung des illegalen Marktes führen, sagt Schuster im Interview bei „True Crime Köln“.

Logo True Crime Köln

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Verschwinden werde er aber nicht, weil es nach wie vor genügend Konsumenten geben werde, die von der Legalisierung nichts haben. „Der Zugang ist ja nicht für alle Altersgruppen offen“, so Schuster. Jugendliche und Heranwachsende würde weiterhin auf dem illegalen Markt kaufen. Ein weiterer Aspekt: Legaler Cannabis wird besteuert werden und so möglicherweise teurer sein als die legalisierte Droge. „Wenn das legale Cannabis teurer und in der Qualität schlechter ist, werden Kunden weiterhin auf illegale Produkte zurückgreifen.“ Da man aber zurzeit zur „Preisgestaltung“ noch nichts Genaues sagen könne, lasse sich die Auswirkung der kommenden gesetzlichen Bestimmungen noch nicht richtig abschätzen.

Die aktuelle Podcast-Folge von „True Crime Köln“ „Cannabis in Kuchenheim“ kann man überall hören, wo es Podcasts gibt, und über die Homepage des Kölner Stadt-Anzeiger.

www.ksta.de/true-crime-koeln


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