Clearing-WohnenWo suchtkranke Frauen lernen, gute Mütter zu sein

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Ein kleiner Junge hält sich am Bein seiner Mutter fest.

Das Clearingwohnprogramm hilft Müttern in Krisen, mit ihren Kindern zusammenleben zu können.

Im Kölner Corneliushaus findet das Team des Sozialdiensts katholischer Frauen (SkF) im Rahmen eines Clearings-Wohnprogramms gemeinsam mit suchtkranken Müttern und suchtkranken Schwangeren Perspektiven für ein gemeinsames Leben mit dem Kind heraus. Dort werden sie auf ein selbstständiges, eigenverantwortliches Leben vorbereitet - oder auf die Trennung vom Kind.

Alleinerziehend, suchtkrank, mit dem Muttersein und dem Alltag überfordert – all das war Wanda M.* (Namen geändert) bevor sie vor acht Monaten ins Kölner Corneliushaus des Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) einzog. Mit wenig Hab und Gut aber einem festen Ziel im Gepäck: „So schnell wie möglich meinen Sohn Valentin zurückzubekommen.“

Jugendamt gibt Sohn in Obhut der Großeltern

Den Zweijährigen hatte ihr das Jugendamt abnehmen – und in die Obhut ihrer Eltern geben müssen. Weil, so vermutet Wanda M., Nachbarn sie dort gemeldet hatten. „Ich konsumierte meine Drogen auf dem Balkon, war den ganzen Tag unterwegs, kam auch mal viel zu spät mit Valentin nach Hause, wahrscheinlich hat das jemand beobachtet, und sich Sorgen um mein Kind gemacht“, sagt Wanda M.

Caroline Kron

Caroline Kron

Redakteurin für „wir helfen“, die Aktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“ für Kinder und Jugendliche in Not. Bevor sie über die von „wir helfen“ unterstützen Projekte berichtete, war sie im Einsatz für das...

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Heute kann sie sagen: „Zu Recht“, denn nach einer Entzugskur und acht Monaten strukturiertem Alltag im Clearing-Wohnprogramm des Corneliushauses, sieht sie nicht nur „klarer“, wie sie selbst sagt, sie weiß inzwischen auch, wie gut ihrem Sohn, der seit einiger Zeit wieder bei ihr lebt, Routinen, Rituale und Regelmäßigkeiten tun. „Es macht das Leben viel einfacher, wenn es eine Struktur gibt“, sagt Wanda M. – und ihre grünen Auge strahlen.

Ein Entzug war in ihrem Fall die Voraussetzung für die Rückführung ihres Sohnes – „Drogen und Alkohol sind bei uns tabu“, sagt die Leiterin Heidi Scheuermann, und erklärt das Ziel der Einrichtung: „Für suchtkranke Mütter und suchtkranke Schwangere Perspektiven für ein gemeinsames Leben mit dem Kind herauszufinden und sie auf ein selbstständiges, eigenverantwortliches Leben vorzubereiten.“

Ein Raum für Kinder mit bunten Matten und überdimensonal großen Bauklötzen, einem Schaukelpferd und großen Spiegeln.

Spieleparadies im Kölöner Corneliushaus.

Im Corneliushaus bekommen Wanda M. und drei weitere Bewohnerinnen – künftig wird es Platz für sechs geben, der Umbau ist in vollem Gange – Zeit und die notwendige Hilfe, die sie brauchen, um ihrem Kind eine gute Mutter zu sein. Gemeinsam mit ihm, dem Kindsvater und anderen Menschen, die ihnen wichtig sind, werden dort dafür alle notwendigen Schritte eingeleitet. „Egal, ob es um eine Therapie geht, eine Substitution, die Absicherung einer medizinisch begleiteten Geburt, eine Rückführung des Kindes zur Mutter oder manchmal auch um eine Trennung“, sagt Christine Forthaus, die seit fünf Jahren als Diplom-Pädagogin im Corneliushaus arbeitet.

Gemeinsam einen geregelten Alltag mit dem Kind finden

Christine Forthaus und ihre Kolleginnen und Kollegen, darunter auch eine Hebamme und eine Psychologin, arbeiten am Tag und in der Nacht mit den Bewohnerinnen daran, für sich und das Kind eine gemeinsame Zukunft zu entwickeln. „Wir unterstützen sie dabei, sich hier zu stabilisieren und einen geregelten Alltag mit dem Kind zu finden“, sagt Forthaus.

Konkret bedeutet das zunächst eine engmaschige Kontrolle: In der Anfangszeit begleitet das Team jede Wickel-, Fütter-, Körperpflege-Situation, die Nahrungszubereitung, den Gang zur Kita, zum Spielplatz, den Einkauf. Um die Sicherheit der Kinder zu gewährleisten. Später hilft das SkF-Team sie bei „allem drumherum“ wie Forthaus sagt, also bei Behördengängen, Suchtberatung, Bewerbungen, dabei, Schulden in den Griff zu bekommen, einen Job zu finden, eine Wohnung.

Strenge Vorgaben helfen kindgerechte Zeiten einzuhalten

„Das war anfangs eine harte Umstellung für mich, als erwachsene Frau um 18, 19 Uhr im Wohnheim zu sein, nicht alleine ins Kino gehen zu können, keine Freunde zu treffen“, sagt Wanda M. Inzwischen weiß sie die strengen Vorgaben zu schätzen: „Ich habe hier gelernt, was kindgerechte Zeiten sind, zum Beispiel regelmäßig um 18 Uhr zu Abend zu essen, danach gemeinsame Zeit zu verbringen und eine Geschichte zum Einschlafen vorzulesen. Valentin ist seitdem viel ruhiger und ausgeglichener, und ich bin es auch.“

Ein weißes Kindergitterbett mit einem Tier-Mobilé steht neben einem weißen Kleiderschrank.

Im Corneliushaus können sich Mütter und ihre Kinder zu Hause fühlen.

Bevor Wanda M. ins Corneliushaus kam, verbrachte sie die Tage bis zum Einbruch der Dunkelheit irgendwo draußen, auf dem Spielplatz und auch dort, wo ein Kleinkind nicht zu sein hat. Der Haushalt lag brach, die Wohnung verwahrloste – und streng genommen auch Valentin. Für den Wanda M. trotz ihrer Drogensucht immer eine gute Mutter sein wollte.

Wir erfahren immer wieder, dass auch Frauen mit einer Suchterkrankung verantwortungsvolle Schwangere und Mütter sind, die für ihr Kind nur das Beste wollen.“
Christine Forthaus, Diplom-Pädagogin im Kölner Corneliushaus

„Aufgrund unserer langjährigen Berufserfahrung wissen wir sehr genau, dass auch Frauen mit einer Suchterkrankung besorgte und verantwortungsvolle Schwangere und Mütter sind, die für ihr Kind nur das Beste wollen“, bestätigt Forthaus. Und erzählt von Müttern, die im Clearingwohnen zu der Erkenntnis gelangt sind, dass sie sich nicht in der Lage sehen, ihr Kind so zu erziehen und zu betreuen, wie es gut und richtig wäre. Und sich für das Kind einen anderen Weg wünschen. In diesen Fällen begleiten die Mitarbeiterinnen im Corneliushaus die Trennung von Mutter und Kind, weil auch das eine lebenswichtige Entscheidung ist. „Ich habe großen Respekt vor diesen sehr verantwortungsvollen Entscheidungen und vor den hohen Anforderungen, auf die sich die Frauen im Interesse ihrer Kinder einlassen“, sagt Christine Forthaus.

40 000 Kinder haben in Deutschland drogenabhängige Eltern

Deutschlandweit leben 2650000 Kinder unter 18 Jahren in Familien mit Alkoholproblemen, 40000 Mädchen und Jungen sind mit der Drogensucht der Eltern konfrontiert, 2000000 Kinder und Jugendliche wachsen mit einem schwerwiegend psychisch erkrankten Elternteil auf. All die brauchen Unterstützung, um gesund aufzuwachsen und faire Zukunftschancen zu haben.

Wanda M. hat während ihres Aufenthalts im Corneliushaus einen Job gefunden – und Perspektiven. „Ich habe mich gerade für eine Aufnahme im Haus Adelheid beworben. Dort geht Valentin in die Kita, und dort habe ich noch einmal die Chance, unter Anleitung sicherzugehen, dass ich künftig meinen eigenen Weg mit Valentin gehen werde“, sagt Wanda M. Das Haus Adelheid, das genauso wie das Corneliushaus von „wir helfen“ unterstützt wird, ist eine Eltern-Kind-Einrichtung des SkF, die jungen Eltern die Chance bietet, das Leben mit dem Kind weiter zu erproben.

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