Hass und Hetze im NetzHier wird Jugendlichen geholfen

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Ein kleiner Junge mit dunkelblauem Anzug sitzt wütend vor dem Computer.

Hate Speech im Netz macht nicht nur wütend und krank, sie kann eine Straftat sein und sollte angezeigt werden!

Die neue Jim-Studie zeigt: Ein Drittel der Jugendlichen sind von Hate Speech im Netz betroffen. Wo sie Hilfe erhalten und wie sie sich wehren können.

 „Schlampe“, „Sondermüll“ und ähnlich Schlimmes: Nicht nur Politikerinnen, Politiker und andere Prominente sind regelmäßig Anfeindungen im Netz ausgesetzt. Auch unter jungen Menschen wird der Ton in den sozialen Medien rauer. Hass, Hetze und Diskriminierung sind zu steten Begleitern ihres digitalen Alltags geworden.

Beleidigende Kommentare unter Artikeln, Aufrufe zu Gewalt in Sozialen Medien, abwertende Bemerkungen als Privatnachricht: Das Internet steckt voller hasserfüllter Sätze — die in Form von Sprache, Bildern oder Videos daherkommen. Mit teils gravierende Folgen etwa für die Psyche gerade junger Betroffener. Studien zeigen: Viele von ihnen sind weniger leistungsfähig, leiden unter Ess-, Schlafstörungen, gar unter Depressionen — und im Extremfall unter Selbstmordgedanken.

Die Grenzen der Meinungsfreiheit

Für das Phänomen der Verbreitung von Hassbotschaften im Netz hat sich auch hierzulande der englische Begriff Hate Speech („Hassrede“) durchgesetzt. Er beschreibt abwertende, menschenverachtende und volksverhetzende Sprache und Inhalte, mit denen die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten werden. Denn, so steht es in Artikel 1 des Grundgesetzes, „die Würde des Menschen ist unantastbar“. Und das gilt auch im Internet.

Inhaltlich richtet sich Hate Speech vorwiegend gegen Personen, die — aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer (vermeintlichen) Herkunft, ihrer Religion, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Körpers — einer bestimmten Gruppe zugeordnet werden. Sie kann aber auch diejenigen treffen, die für deren Rechte und gegen Menschenfeindlichkeit eintreten.

Jeder dritte Jugendliche von Hate Speech betroffen

Die Jim-Studie 2022 des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest (mpfs),der seit 1998 die Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen unter die Lupe nimmt, hat gezeigt: Im vergangenen Jahr war gut ein Drittel der Userinnen und User zwischen zwölf und 19 Jahren Hassbotschaften ausgesetzt und 16 Prozent persönlichen Beleidigungen — vor allem auf den Plattformen Instagram, TikTok, YouTube und WhatsApp.

Die Landesanstalt für Medien NRW beobachtet mithilfe regelmäßiger Erhebungen von „Forsa“-Daten die Entwicklung von Hassreden im Netz. Ihr Fazit: Hate Speech wird von jungen Menschen Jahr für Jahr problematischer wahrgenommen. Was sicher auch dazu führt, dass vor allem Jugendliche zwischen 14 und 24 Jahren Hasskommentare inzwischen überdurchschnittlich oft melden.

Schutz der Jugend verletzt

Zwar ist Hate Speech kein juristisch definierter Begriff. Grundsätzlich darf jede und jeder sagen, was sie oder er meint. Aber das Recht zur freien Meinungsäußerung gilt nicht uneingeschränkt: Wenn Hate Speech die Menschenwürde tangiert, Persönlichkeitsrechte oder den Schutz der Jugend verletzt — wird sie zur Straftat. Dann können und sollten Betroffene rechtlich gegen strafbare Inhalte wie Verleumdungen, Beleidigungen, Volksverhetzung, üble Nachrede oder öffentliche Aufforderung zu Straftaten vorgehen.

Daran erkenne ich Hate Speech

  • Grundannahmen und Verallgemeinerungen, die beleidigend sind und durch die etwa „Deutschen“ eine Eigenschaft zugeschrieben und „dem Rest“ aberkannt wird 
  • Bewusste Verbreitung uninformierter oder falscher Aussagen (Fake News), um Gruppen zu diskreditieren („Die Flüchtlinge haben alle teure Handys“*)
  • Tarnung als Humor oder Ironie („Ich will auch ein neues Smartphone. Werd‘ ich im nächsten Leben halt Asylant“)
  • Herabwürdigende und verunglimpfende Begriffe; sexistische und rassistische Beleidigungen („Schlampe")
  • Bedienen von Stereotypen und Vorurteilen durch bestimmte Begriffe und Sprachmuster („Homo-Lobby“, „Asylantenflut“, „Das Boot ist voll“, „Drohende Islamisierung“)
  • Wir/Die-Rhetorik („Die bedrohen ‚unsere‘ Frauen")
  • Verschwörungstheorien („Die Politik unterstützt die Islamisierung Deutschlands“)
  • Plakative Bildsprache Rassistische Darstellung etwa von schwarzen Menschen mit Baströckchen. Bilder, die Stereotype reproduzieren)
  • Gleichsetzung (Juden = Israel, Homosexualität =pädosexuelle Kriminalität)
  • Befürwortung oder Androhung sexualisierter Gewalt  (Ein Beispiel dafür ist das sogenannte #Gamer Gate. Unter diesem Hashtag organisierte sich 2014 in den Sozialen Medien so viel Hass in Form von Mord- und Vergewaltigungsdrohungen gegen die sexismuskritische Videobloggerin Anita Sarkeesian, dass sie zeitweise untertauchen musste)
  • Befürwortung von oder Aufruf zu Gewalttaten („Die sollte man alle abknallen")
  • Quelle: Medienanstalt NRW: Hate Speech. Hass im Netz (*Die genannten Beispiele/Zitate sind allesamt Kommentare, die im Netz gefunden wurden)  

Gegen Hate Speech vorgehen

So machen beispielsweise Expertinnen und Experten der gemeinnützigen Organisation „Hate Aid“ jungen Menschen Mut, gegen Hasskommentare aktiv zu werden. In einem ersten Schritt sollten — möglichst zeitnah — sämtliche Inhalte gesichert werden. Wichtig ist dabei, den Bildschirm abzufotografieren, Inhalt, Datum und Uhrzeit sollten in dem Screenshot gut zu erkennen sein.

Beweise sichern

Außerdem müssen Profilname, URL und der Kontext — via Screenshots — festgehalten werden, also die vorangegangene Debatte und der Ausgangspost. Hassbotschaften speichern kann man auch, indem man sich die Chatverläufe per E-Mail schickt oder herunterlädt.

Portalbetreiber informieren

Zusätzlich sollte der zuständige Portalbetreiber informiert werden. Soziale Netzwerke wie Facebook haben dafür entsprechende Melde-Funktionen. Dort kann man in der Regel angeben, worum es geht, und den Anbieter dazu auffordern, den Kommentar zu löschen.

Anzeige erstatten

Richtet sich der Hasskommentar gegen einen selbst, sollte dringend Anzeige erstattet werden. Auch Dritte können Hate Speech bei der Plattform melden und sie zur Anzeige bringen. Handelt es sich um ein so genanntes Antragsdelikt wie Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung, sollte die betroffene Person zusätzlich einen Strafantrag stellen — zum Beispiel über die Online-Wache der jeweiligen Landespolizeien. Zur Online-Wache NRW geht es hier. 

Viele Hasskommentare werden mit realem Namen und Wohnort veröffentlicht. Mit diesen Informationen kann man sich auch an die Staatsanwaltschaft wenden. Doch selbst die Anonymität durch Nicknamen schützt nicht vor Rechtsverfolgung. Fast immer hinterlassen die Verfasser oder Verfasserinnen Spuren im Netz — wie die IP-Adresse oder Fotos in Sozialen Netzwerken, die eine Identifizierung im Nachhinein möglich machen.


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