LeseförderungLesen als Brücke in die Zukunft

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Hedwig Neven DuMont liest den Vingster Kindern aus dem Buch "Die Olchis und der karierte Tigerhai" vor.

Hedwig Neven DuMont liest den Vingster Kindern aus dem Buch "Die Olchis und der karierte Tigerhai" vor.

Vingst – Ein Buch, eine Stimme und eine kleine Sitzecke - mehr braucht es gar nicht für eine gemütliche Lesestunde. Robert ist damit zumindest zufrieden, wenn er in seinem Lieblingsbuch "Irik der Wikinger" schmökert. Die Augen des Neunjährigen wandern schnell über die Buchstaben und bleiben erst an der Stelle hängen, als der Normanne einen Stockfisch verspeisen soll. "Eklig", findet das Robert, der vor drei Jahren aus Bulgarien nach Köln kam. Konrektorin Melanie Müller beobachtet die Szene und sagt stolz: "Vor drei Jahren konnte er noch kein Wort Deutsch sprechen, geschweige denn lesen. Jetzt verschlingt er ganze Bücher."

Im Leseclub der Katholischen Grundschule Heßhofstraße werden Kinder zu kleinen Leseratten ausgebildet. Dahinter steckt ein einfaches wie effektives Konzept: Mit zusätzlichen Lesemöglichkeiten will die Schule die Lesekompetenz ihrer Schüler verbessern. Einmal in der Woche sperrt dazu Leseclub-Leiterin Joanna Schramm die Schulbibliothek auf. Mittwochs von 14 bis 15.30 Uhr können die Kinder nach Herzenslust in den Regalen zwischen Hunderten von Büchern stöbern. "Die Chroniken von Narnia" finden sich da genauso wie türkische Kinderbücher. Die Schüler können anschließend ihr Wissen per Computer testen und die Bücher mit nach Hause nehmen.

Unterstützt wird die Vingster Schule von der Stiftung Ride For Reading des Unternehmers Oliver Gritz. Der Europa-Chef von Southern Air und Vater macht sich mit Unterstützung des Höhner-Frontmanns Henning Krautmacher engagiert seit 2007 für die Lernförderung benachteiligter Kinder stark.

Sie veranstaltet jährlich den Kölner Leselauf sowie eine Wohltätigkeitsfahrradtour für diesen Zweck. Mit der Stiftung Lesen hat die Organisation bundesweit 16 Leseclubs gegründet, sechs davon in Köln. Außer an der Heßhofstraße gibt es sie in den Grundschulen Nürnberger Straße, Riphahnstraße, der Elly-Heuss-Realschule, der Hauptschule Baadenberger Straße sowie in der Real- und Aufbaurealschule Konrad Adenauer. Die Vorteile der zusätzlichen Leseeinheiten in den Clubs liegen auf der Hand, so Konrektorin Melanie Müller. Die Kinder trainierten ihre Lesefähigkeit, den Wortschatz und auch die Fantasie. "Wir zeigen ihnen, dass es noch mehr gibt außer Fernsehen und Playstation", so Müller.

Besuch im Vingster Leseclub

Einer Studie der Stiftung Lesen zufolge finden nur noch 42 Prozent der Eltern genügend Zeit, ihren Kindern daheim vorzulesen. Kein Wunder also, dass die Mehrheit der Mädchen und Jungen (56 Prozent) gar nicht oder nur wenig liest und sich die Lesekompetenz der 15-Jährigen im internationalen Vergleich nur auf durchschnittlichem Niveau befindet. 18,5 Prozent der deutschen Kinder haben Probleme beim Lesen und Schreiben, so die Studie. Das ist auch in Vingst nicht anders. Unter den 250 Kindern in der Katholischen Grundschule sind viele Seiteneinsteiger: Kinder wie Robert, die aus anderen Ländern stammen - und ganz neu die deutsche Sprache lernen müssen.

"Wir helfen"-Vorsitzende Hedwig Neven DuMont besuchte den Vingster Leseclub und las den Kindern vor. Sie will mit Ride For Reading noch mehr Leseclubs an Kölner Schulen gründen. Dafür müssen aber noch zahlreiche Spenden gesammelt werden. Pro Leseclub werden als Budget für Bücher und Personal 10 000 Euro veranschlagt. Dieses Geld reicht dann aber auch für drei Jahre. Und die Kinder lernen schneller und besser. "Das wirkt sich schnell in den Schulnoten aus", berichtet Konrektorin Müller. Und so haben die Kinder eine bessere Chance, später eine Ausbildung und einen Job zu finden. "Lesen ist damit wirklich eine Brücke in die Zukunft."

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