Soziales Zentrum Lino Club e.V.Kommt der Campus für Lindweiler?

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So würde das neue generationenübergreifende Bürgerhaus auf dem Gelände des Sozialen Zentrums Lino Club e.V. aussehen: Offen für Jung und Alt – zu allen Seiten.

So würde das neue generationenübergreifende Bürgerhaus auf dem Gelände des Sozialen Zentrums Lino Club e.V. aussehen: Offen für Jung und Alt – zu allen Seiten.

Lindweiler  – Michael Endes Jugendroman „Die unendliche Geschichte“ spielt in einer  Parallelwelt, Phantásien genannt, die durch das Nichts droht, zerstört zu werden  – peu à peu verschwinden  immer größere Teile des Reiches. In der  Geschichte des Sozialen Zentrums Lino-Club geht es um genau das Gegenteil: Darum, dass eine  Parallelwelt verhindert und eine neue, integrierende entstehen soll, in Form eines Campus’ für ganz Lindweiler – eines generationenüber-greifenden Bürgerhauses.

Eine ganz andere Geschichte, und doch gibt es Gemeinsamkeiten. Denn auch sie ist, besser: schien unendlich. Auch in ihr spielt der Zahn der Zeit eine  Hauptrolle. Und auch hier hofft man auf ein gutes Ende, das endlich greifbar erscheint: Der Neubau des in die Jahre gekommenen, teils maroden Jugendzentrums aus den 60er-Jahren im Unnauer Weg 96a.

Ein Stadtteil, benachteiligt und belastet

Zurück zu den Anfängen der Geschichte – ins Jahr 2011. Da beschließt der  Kölner Rat, ein Entwicklungskonzept für Lindweiler. Der kleine Stadtteil im Kölner Norden, zehn Kilometer vom Zentrum entfernt,  bereitet den Stadtplanern Sorgen: Im Gegensatz zum Rest des Stadtgebietes geht   die Bevölkerungszahl  seit Ende der 80er Jahre stetig  zurück – um 21 Prozent auf 3500 Einwohner. 

Neben vielen anderen Gründen machen auch die fehlenden Nahversorgungsangebote und die isolierte Insellage des Stadtteils, der von allen Seiten durch Autobahnen und Bahnlinien begrenzt ist, seiner Beliebtheit zu schaffen. Und setzt denjenigen Grenzen, die in ihrer Mobilität oder finanziell eingeschränkt sind.

Hinzu kommt eine hohe soziale Belastung des Stadtteils durch   Jugendarbeitslosigkeit,  einen erhöhten Anteil an Bewohnern, die auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind  und  verhältnismäßig vielen Belegrechtswohnungen, die die Stadt Haushalten ohne gesichertem Einkommen zur Verfügung stellt, Migrantenfamilien, Alleinerziehenden mit mehreren Kindern oder Menschen mit Behinderung. Fünf Prozent aller Kölner Belegrechtswohnungen liegen in Lindweiler, wo nur  0,35 Prozent der Kölner Bevölkerung lebt.

Lindweilers Bevölkerung schwindet

Um dem Bevölkerungsschwund entgegenzuwirken, beschließt der Stadtrat  2014 ein integriertes Handlungskonzept (IHK) – samt Maßnahmenkatalog für mehr  Wohnzufriedenheit bei  und Attraktivität für Lindweilers Bewohner. Darin enthalten ist auch die  dringende Empfehlung, das Bildungs- und Kulturangebot für Jung und Alt zu verbessern und dafür die Jugendeinrichtung „Lino Club“ zu sanieren und auszubauen. Schließlich gibt es bis heute in ganz Lindweiler keinen anderen Raum für   bürgerschaftliches Engagement, für Kommunionen, Kindergeburtstage  und andere Familienfeste. Keinen anderen Raum, wo die Jugend hingehen kann, wenn das Wetter schlecht oder die Langweile groß ist.

An den Grenzen der Kapazität

„Seit Jahren versuchen wir Jung und Alt einen räumlich und sozial  leicht zugänglichen Raum der Begegnung und Bildung zu bieten, haben aber  die Grenzen unserer Kapazitäten erreicht“, sagt Hans-Josef Saxler, Geschäftsführer des Sozialen Zentrums Lino-Club e. V.

Müsste man, exemplarisch für die rund 250 Besucher, die täglich das Gelände am Unnauer Weg besuchen,  Hauptfiguren für diese Geschichte erfinden, wären es – statt Bastian Balthasar Bux, Atréju und die kindliche Kaiserin aus „Die unendliche Geschichte“  – Anna, 6,  ihr Bruder Axel, 17, und deren Oma Katharina, 68. Annas und Axels alleinerziehende Mutter ist Vollzeit berufstätig,  Oma Katharina zog erst vor wenigen Jahren aus dem Süden der Republik in eine der GAG-Wohnungen in Lindweiler und sucht dringend Kontakt. Da sie nebenbei in anderen Haushalten aushilft, müssen Anna und Axel  an zwei Tagen die Woche  für sich alleine sorgen  –  zum Essen gehen sie dann in den „Lino Club“.

Der Jugend fehlt der Rückzugsraum

Axel  ist auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz, braucht dabei beratende Hilfe – die er im „Lino Club“ findet, wo er sich nachmittags häufig mit seinen Freunden trifft. Weil es Zuhause zu beengt zugeht, um Besuch zu empfangen. Manchmal nervt es den Teenager  nur, dass sich der Jugendtreff mitten im Eingangsbereich des „Lino Clubs“ befindet und Axel immer dann, wenn er unter Seinesgleichen sein möchte,  seiner Oma begegnet, wenn die   an einer der sechs Seniorensportgruppen teilnimmt – oder seiner Schwester Anna,  die regelmäßig das auch von „wir helfen“ geförderte, zirkuspädagogische Angebot „Linoluckynelli“ besucht.

Vorerst wird Axel allerdings nicht auf seine Oma treffen,  da sie nach einem Sturz leider auf einen Rollator angewiesen ist und die steile Eingangstreppe nicht überwinden kann. Zu gerne  würde sie statt beim Sport zumindest bei einem Tässchen  Kaffee mit anderen Senioren zusammenkommen.

Dann ist da noch die große Circushalle im Hof des Geländes, in der Anna regelmäßig trainiert. Gibt es Anfragen aus dem Ort, den Raum für eine große Veranstaltung zu buchen, müssen Anna und  die 30 bis 100  jungen Artisten, die die Halle pro Tag besuchen, ausweichen – oder auf das Angebot verzichten. Keine Rückzugsmöglichkeiten für die Jugend, keine barrierefreien  Zugänge, ein maroder Veranstaltungssaal, ein Außenbereich, der eher einem Betriebshof ähnelt als einem Spiel- und Freizeitbereich – allesamt Ärgernisse, die weder eines Jugendzentrums noch eines Mehrgenerationenhauses, zu dem der Lino Club 2012  ernannt wurde, würdig sind. Und Gründe genug, das sanierungsbedürftige  Anwesen einer längst überfälligen baulichen Verjüngungskur zu unterziehen.  

Verschlunge Pfade des Bürokratie-Dschungels

Das wäre vielleicht auch schon geschehen,  wenn das Bauvorhaben nicht die verschlungenen  Pfade des Behördendschungels hätte passieren müssen: Regelungen der   Städtebauförderung und  die Vergaberichtlinien der Stadt Köln sehen europaweite Ausschreibungen vor, im Verlauf derer kein  Architekturbüro gefunden werden konnte, das das Vorhaben für die geschätzte aber unrealistische Summe von drei Millionen Euro umgesetzt hätte. Eine neue Ausschreibung musste her, wieder verging ein Jahr...

Lindweilers neues Wohnzimmer

Bis im August  2018 mit „Kastner und Pichler Architekten“ ein renommiertes Kölner Büro gefunden wurde, das das Raumkonzept – ein Neubau samt Neugestaltung der Außenflächen für rund acht Millionen Euro – seitdem gemeinsam mit dem „Lino Club“, dem Jugendamt und der Stadtentwicklung  nach vorne treibt. Nun wird das  Planungsergebnis den politischen Gremien zur Beschlussfassung vorgelegt, damit die Stadt Ende des Monats den Antrag auf Städtebaufördermittel beim Land einreichen kann.  80 Prozent der Kosten würde das Land übernehmen, 20 Prozent die Stadt Köln. „Wir sind sehr optimistisch und rechnen mit einer Bewilligung  im erstes Halbjahr 2020“, sagt Saxler. Dann könnten die Bagger in der  zweiten Jahreshälfte am Unnauer Weg 96 a loslegen – und Lindweiler Ende 2022 sein lang ersehntes „Wohnzimmer“ beziehen. Der sonst oft benachteiligte Stadtteil hätte das  Ende einer unendlichen Geschichte  verdient.

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