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Therapeutin über Frühförderung„Die Eltern sind für uns entscheidend“

Lesezeit 3 Minuten

Zum Angebot des Zentrums gehört auch Ergotherapie.

Köln – Das Zentrum für Frühbehandlung und Frühförderung (ZFF) gehört zu den ersten Mietern, die die ehemalige Industriehalle 18 auf dem Nippeser Clouth-Gelände beziehen durften. Seit September werden hier Kinder vom Säuglingsalter bis zur Einschulung von einem Team aus Therapeuten und Psychologen behandelt.

Die offizielle Eröffnung steht noch aus, ein Besuch der Räume, deren Ausbau für den Therapiebetrieb von „wir helfen“ mitfinanziert wurde, musste aufgrund des Coronavirus abgesagt werden. Elke Büchter leitet die neue Behandlungsstelle. Im Interview spricht sie über ihre Erfahrungen aus 27 Jahren in der Frühförderung.

Frau Büchter, im ZFF werden Kinder mit körperlicher und geistiger Behinderung und Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten behandelt. Welche Auffälligkeiten sind das?

Das können zum Beispiel Probleme in der Interaktion mit Gleichaltrigen oder den Eltern sein. Kinder, die nicht oder kaum sprechen. Kinder mit Verdacht auf Autismus. Manche Entwicklungsauffälligkeiten stellen ein so großes Risiko dar, dass die Kinder in ihrer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gefährdet sind. Deswegen ist eine frühzeitige Behandlung so wichtig.

Manche Experten sprechen davon, dass Kinder aus sozial benachteiligten Familien immer größere Defizite in der kognitiven Entwicklung haben. Beobachten Sie das auch?

So pauschal würde ich das nie sagen. Auf A folgt nicht B. Im Gegenteil: Ich bin oft erstaunt, wie viel Kinder trotz schwieriger Bedingungen kompensieren können. Unsere Haltung ist: Jede Familie ist individuell. Wir bekommen unsere Fälle vom Kinderarzt überwiesen und betrachten dann die Familie und ihre Situation.

Es gibt Familien, die unter sehr belastenden Bedingungen leben, beispielsweise unter beengten Wohnverhältnissen oder Arbeitslosigkeit. All das berücksichtigen wir.

Ohne die Eltern geht es also nicht?

Genau, die Eltern sind für uns entscheidend. Unser Förderansatz bezieht die ganze Familie mit ein. Es ist wichtig, dass die Eltern regelmäßig mitarbeiten und das Gelernte zu Hause anwenden. Wir filmen zum Beispiel Situationen im Therapiezentrum, wie sie mit ihrem Kind spielen oder es füttern. Gemeinsam mit den Eltern analysieren wir dann die Videos, suchen zum Beispiel Anknüpfungspunkte und geben Tipps.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Wenn ein Kind beim Spielen sehr unruhig und unkonzentriert ist, kann es helfen, wenn die Eltern sprachlich begleiten, was das Kind tut. Also konkret benennen, wie das Kind den einen Bauklotz auf den anderen stapelt. Dann merkt das Kind: Mama oder Papa sind da.

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Oft geben Eltern auf, das Kind anzusprechen, wenn sie merken, dass es sowieso nicht aufmerksam ist. Das ist ganz falsch. Mit Sprache bringt man Entwicklung in Gang.

Stimmt das Klischee der „armen“ Kinder, die schon in jungen Jahren schwarze Zähne haben und den ganzen Tag vor dem Fernseher sitzen?

Nein, das würde ich so nicht sagen. Jede Familie ist anders. Manche Eltern achten sehr auf Zahnhygiene – andere nicht. Natürlich ist auch das Freizeitverhalten und der Medienkonsum in unseren Beratungsgesprächen ein Thema.