BahnverkehrNRW gewährt Abellio Galgenfrist bis Freitag – Auswirkungen für Pendler?

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Bei Abellio ist die Lage besonders schwierig. Das Unternehmen fährt auch Linien des Rhein-Ruhr-Express.

Bei Abellio ist die Lage besonders schwierig. Das Unternehmen fährt auch Linien des Rhein-Ruhr-Express.

Düsseldorf – Bei den Verhandlungen der NRW-Verkehrsverbünde über eine Rettung von Abellio Rail NRW konnte auch in der sechsten Verhandlungsrunde am Mittwoch keine Einigung erzielt werden.

Bis Freitag muss das in Finanznot geratene Bahnunternehmen, eine Tochter der niederländischen Staatsbahnen, nun einen zweistelligen Millionenbetrag nachschießen. Sonst droht das Aus zum 31. Januar 2022. Ein Angebot gibt es bisher nicht. Das Insolvenzverfahren gegen Abellio NRW war schon am 1. Oktober eröffnet worden.

Die Chancen, dass es noch zu einer Einigung kommt, stehen nicht gut. „Wir haben bei den Verhandlungen Nachbesserungen eingefordert, aber es gibt keinen signifikanten Hinweise des niederländischen Gesellschafters, dass darauf eingegangen wird", sagte Joachim Künzel, Geschäftsführer des Nahverkehrs Westfalen-Lippe (NWL), im Verkehrsausschuss des Landtags. „Wir stehen in dieser Frage bei null Euro."

1000 Mitarbeiter in NRW

Abellio ist eine Tochter der niederländischen Staatsbahnen und beschäftigt in NRW rund 1000 Mitarbeiter. Ihr Marktanteil liegt bei 17,5 Prozent. Die Linien, die Abellio derzeit fährt, müssten dann ab 1. Februar von anderen übernommen werden. Insgesamt geht es um Fahrleistungen von 21 Millionen Kilometern pro Jahr.

Dass Abellio-Züge überhaupt noch unterwegs sind, ist einer Notvereinbarung mit den Aufgabenträgern und dem Land NRW zu verdanken. Mit einer einmaligen Finanzspritze des Landes von acht Millionen Euro ist der Betrieb bis zum 31. Januar 2022 sichergestellt.

Die Verkehrsverbünde Rhein-Ruhr, Nahverkehr Rheinland und Nahverkehr Westfalen-Lippe arbeiten mit Hochdruck daran, durch Notvergaben an andere Bahnunternehmen den Betrieb aller dann ehemaligen Abellio-Linien ab 1. Februar 2022 zu sichern. Die Notvergaben sollen zwischen dem 19. und 26. November beschlossen werden. Angebote sollen DB Regio NRW, National Express und Vias Rurtalbahn abgegeben haben.

DB Regio und National Express wollen übernehmen

Das betrifft zwei Linien des Rhein-Ruhr-Express (Hamm-Aachen und Kassel-Aachen), die S-Bahn Rhein-Ruhr, die S 7 (Solingen-Remscheid-Wuppertal), das Niederrhein-Netz mit den Linien RE 19 und RB 35, das Ruhr-Sieg-Netz (Linien RE 16, RB 40, 46 und 91) und das Emscher-Ruhrtal-Netz (RB 40 und 46).

Dem Vernehmen nach sollen die RRX-Linien von National Express übernommen werden, DB Regio will die S-Bahn Rhein-Ruhr betreiben, Vias Rurtalbahn die S 7 übernehmen.

Pendler sollen von der Pleite möglichst wenig spüren

„Wir müssen sicherstellen, dass der Bahnbetrieb in NRW ab 1. Februar möglichst reibungslos weiterläuft, auch wenn es an der ein oder anderen Stelle etwas ruckeln wird“, sagte NWL-Geschäftsführer Joachim Künzel.

Durch die Notvergaben sei der Betrieb aller Linien für zwei Jahre bis Ende 2023 gesichert. Parallel dazu werden Neuausschreibungen vorbereitet.

Land erhöht Zuschüsse bis 2032 um 70 Millionen Euro pro Jahr

Um die finanziellen Probleme der Eisenbahnverkehrsunternehmen in NRW abzufedern, hatten das Land und die sogenannten Aufgabenträger, das sind die Verkehrsverbünde, Nachbesserungen bei den Verkehrsverträgen vereinbart.

Das bedeutet: Die Zuschüsse für den Nahverkehr in NRW von derzeit 1,12 Milliarden Euro pro Jahr werden ab Januar 2022 für elf Jahre um 70 Millionen Euro erhöht.

Der Verkehrsausschuss des Landtags hat diesem Finanzpaket, das einschließlich einer jährlichen Steigerung um 1,8 Prozent rund 930 Millionen Euro umfasst, am 28. Oktober zugestimmt. Durch diesen Vertrag werden die Verluste aber nur zu einem Drittel ausgeglichen. Den überwiegenden Anteil müssen die Unternehmen selbst tragen.

Personalkosten und Strafzahlungen führen zur Schieflage

Die zusätzlichen Mittel sollen einen Teil der stark gestiegenen Personalkosten ausgleichen, aber auch für mehr Sicherheitspersonal und bessere Kundeninformationen bei Baustellen im Schienennetz ausgegeben werden.

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Darüber hinaus sollen die Bahnunternehmen künftig nur noch dann bei Verspätungen und Zugausfällen Strafen zahlen, wenn sie diese selbst verschuldet haben, weil beispielsweise nicht genügend Personal zur Verfügung stand.

Bisher müssen sie auch für alle anderen Verspätungen Entschädigungen leisten, selbst wenn sie durch Baustellen oder andere Störungen verursacht wurden, die sie nicht zu verantworten haben.

Auch Westfalenbahn ist in Schieflage geraten

Die Zahl der Baustellen auf den Bahnstrecken in NRW hat sich laut Verkehrsministerium seit 2016 von rund 700 auf 1000 erhöht. Damals lagen die Investitionen der DB Netz AG in das NRW-Schienennetz bei rund 600 Millionen Euro. 2021 sind es erstmals mehr als zwei Milliarden.

Die Verhandlungen zwischen Abellio und den Aufgabenträgern gestalteten sich äußerst schwierig. Die niederländische Bahntochter habe weitaus mehr als den Anteil verlangt, der ihr aus dem 70 Millionen-Paket zusteht, das bis Ende 2032 mit allen Bahnunternehmen geschnürt worden war.

Bis zu 75 Prozent ihrer Schulden wollte Abellio NRW dem Vernehmen nach auf die Verkehrsverbünde abwälzen. Der Finanzvorstand des Mutterkonzerns hatte schon im Herbst das defizitäre Deutschlandgeschäft kritisiert. Bei einem Umsatz von 500 Millionen Euro habe man 2019, also noch vor der Corona-Pandemie, rund 32,7 Millionen Euro Verlust eingefahren.

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