Astronaut Matthias Maurer spricht im Interview über die Rolle des neuen Satelliten-Systems IRIS² am Flughafen Köln/Bonn.
Astronaut Matthias Maurer„Ich hoffe auf einen Flug zum Mond“ – Welche Rolle Köln dabei spielt

ESA-Astronaut Matthias Maurer.
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Herr Maurer, Sie waren fast sechs Monate im Weltall, genauer auf der Internationalen Raumstation ISS. Wie viel Privatsphäre hat man da?
Matthias Maurer: Gar nicht so wenig, die ISS ist ziemlich groß. Ich habe im Modul Columbus geschlafen und hatte dort eine eigene Kajüte. Allerdings ist diese so groß wie ein Ikea-Pax-Schrank oder eine Telefonzelle. Dort schlief ich und konnte daraus auch ungestört mit der Familie oder meiner mich betreuenden Ärztin telefonieren. Es gibt darüber hinaus einen Hygienebereich, wo man sich ungestört waschen kann. Eine Dusche haben wir leider nicht. Die ISS ist mittlerweile schon 25 Jahre alt und wird nach derzeitiger Planung gegen 2030 außer Betrieb genommen. Künftige Raumstationen werden sicherlich deutlich kleiner ausfallen.
Es gibt ein Kinderlied über die fiktive Astronautin Erika Klose, in der diese die Frage stellt, wie Astronauten auf die Toilette gehen. Bei Frau Klose geht es wie bei reimenden Kinderliedern erwartbar in die Hose. Wie geht es in echt?
Unsere Toilette hat zwei Anschlüsse für fest und flüssig. Bei fest schwebt man über einer normalen Klobrille über einem Metalleimer, in den das Feste eingesaugt wird. Das Flüssige verschwindet in einem (Pissoir-ähnlichen) Trichter und wird recycled. Auf der ISS gibt es eine kleine Mikrokläranlage, die alle Abwässer wie Urin, Schweiß, Kondenswasser usw. aufbereiten und daraus wieder Trinkwasser machen. Unsere Recyclingrate beträgt 91 Prozent.
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Mit dem GovSatCom wird am Mittwoch in Köln im Beisein von Ministerpräsident Wüst der Startschuss für eine europäische Satellitenkommunikation gegeben. Worum geht es dabei konkret?
GovSatCom mit IRIS² ist die europäische Antwort auf das Starlink-Satelliten-Kommunikationssystem von Elon Musk. Es soll sicherstellen, dass Europas Regierungen im Krisenfall und auch sonst störungsfrei kommunizieren können. Mit diesem System können die europäischen Regierungen unter anderem im Krisenfall etwa die eigenen Streitkräfte mit Internet versorgen, abstimmen und koordinieren, unabhängig von den Systemen aus anderen Staaten.
Matthias Maurer (55) ist ein deutscher Astronaut und Werkstoffkundler. Er war fast sechs Monate auf der Weltraumstation ISS. Dabei führte er einen Außenbordeinsatz durch. Maurer war der zwölfte Deutsche im All. (tb)
Macht ein Satelliten-Internet den Glasfaserausbau an Land für schnelle Verbindungen überflüssig?
Sicherlich nicht, das ist eine Frage der Kosten. Deutschland ist ein an Ballungsräumen reiches Gebiet. Aber es gibt entlegene Ecken, sei es Afrika, Australien oder auch Deutschland, da macht ein satelliten-gestütztes Internet ganz sicher auch wirtschaftlich Sinn. Grundsätzlich ist das neue System aber vorrangig eines für Regierungen, daher der Zusatz „Gov“. Musks Starlink ist ja auch für zivile Endanwender.
Über wie viele Satelliten reden wir denn bei IRIS² konkret?
Die Europäische Union hat mit IRIS² eine Satellitenkonstellation beauftragt, die 290 Satelliten in verschiedenen Orbits umfassen. Einige dieser Satelliten fliegen also sehr niedrig, andere in mittleren Höhen und wiederum andere in großem Abstand zur Erde. Durch diese Kombination ist eine Abdeckung auch mit wesentlich weniger Satelliten möglich. Die Starlink-Konstellation von SpaceX hat bereits über 7000 Satelliten im All und plant weitere 30.000 Satelliten der nächsten Generation hinzuzufügen. Diese Satelliten fliegen in geringerer Höhe, weshalb mehr Satelliten erforderlich sind als bei IRIS², um die gesamte Erde mit einem guten Empfang abzudecken. Die Starlink-Satelliten haben eine geringere Lebensdauer und verglühen, sobald sie wieder in die Erdatmosphäre eintreten.
Wieso wurde als Standort für GovSatCom ausgerechnet Köln ausgewählt?
Das hat verschiedene Gründe. Zum einen ist hier der Flughafen Köln/Bonn, auch mit seinem militärischen Bereich. Daran angrenzend liegt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Beides sind gesicherte Anlagen und Gelände. Das ist zwingend erforderlich für ein sicherheitsrelevantes Kommunikationssystem wie GovSatCom, was darüber hinaus noch einmal zusätzliche Sicherungsanlagen haben wird. Außerdem beherbergt der DLR-Esa-Raumfahrt-Campus am Flughafen viele Raumfahrtexperten, wie zum Beispiel das europäische Astronautenzentrum – der einzige Ort in Europa, an dem Menschen für das Leben und Arbeiten außerhalb der Erde ausgebildet werden. Raumfahrt ist die Zukunft und wird damit auch ein immer bedeutenderer Wirtschaftsfaktor. Die Schaffung eines neuen Ministeriums im neuen Bundeskabinett, das ausdrücklich auch für die Raumfahrt verantwortlich ist, unterstreicht ja die Bedeutung der Raumfahrt auch für die Wirtschaft. Auch auf regionaler Ebene unterstützt die Landesregierung NRW die Raumfahrt schon lange, wie etwa durch Förderung der Forschungsanlagen Envihab und Luna. Nun hoffen wir auf ein weiteres regionales Engagement, um mit einem Ausbau des DLR-Esa-Flughafen-Areals neuen Raumfahrtansiedlungen eine Heimat zu geben.
Welchen wirtschaftlichen Nutzen für die Region sehen Sie?
Die Mittel, die Deutschland der Europäischen Weltraumorganisation Esa gibt, fließen eins zu eins zurück in Wirtschaftsunternehmen in unserem Land. Bislang erhalten Bayern, Baden-Württemberg und Bremen den größten Anteil. Was nach NRW fließt, ist heute noch vergleichsweise wenig. Doch die Voraussetzungen für Raumfahrtunternehmen in NRW sind hervorragend: Hier sind unheimlich viele Unis und Forschungsinstitute, Technologiefirmen, Fachleute und nicht zuletzt die Experten von DLR und Esa. Deshalb ist es gut, dass die NRW-Landesregierung dieses Forum hier nun unterstützt. Vorbild für den neuen Raumfahrt-Campus Süd in Köln kann in dem Fall das bayerische Oberpfaffenhofen sein. Dort haben sich diverse Industrien angesiedelt, in unmittelbarer Nachbarschaft zum deutschen Raumfahrtkontrollzentrum des DLR.
Können Sie sich vorstellen, noch einmal ins Weltall zu fliegen?
Das ist mein erklärtes Ziel. Ich hoffe auf einen Flug zum Mond. Wir sind momentan sechs aktive europäische Astronauten, die diesen Traum verfolgen. Das ist auch altersmäßig kein Problem, solange wir Astronauten medizinisch fit und als raumfahrttauglich zertifiziert sind. Erst kürzlich hat ein Nasa-Astronaut nach knapp acht Monaten Aufenthalt auf der ISS seinen 70. Geburtstag im All gefeiert. Für einen Esa-Astronauten wäre das aber nicht möglich, da wir mit – gegenwärtig noch – 63 in Rente müssen.
Für wann halten Sie denn einen Mondflug für realistisch?
Die Chinesen planen damit für das Jahr 2029, weil da ein berühmtes Jubiläum ansteht. Entsprechend dürfte es das Ziel der Amerikaner oder des Westens sein, es vorher zu schaffen.
Wie realistisch ist das?
Im Moment gibt es noch einige Bereiche, die noch nicht fertig entwickelt sind. Zum Beispiel ist dies das Starship von Elon Musk, was auf dem Mond als Landefähre dienen soll. Aber solange das Starship noch beim Start auf der Erde explodiert, werden dort keine Menschen einsteigen. Erst nach 30 erfolgreichen Tests hintereinander geht es wirklich weiter.
In den 1960er Jahren war der Mensch mit viel einfacherer Technik schon mal da, warum klappt es heute im Digitalzeitalter nicht?
Die einfachere Technik damals war sehr gut getestet und sehr robust. Aber das Ganze ist auch eine Kostenfrage. Damals haben die Amerikaner zehn Jahre lang etwa 2,5 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes in die Raumfahrt gesteckt. Das wäre heute undenkbar. Außerdem ist man damals ein höheres Risiko gefahren. Bei der ersten Mondlande-Mission Apollo 11 wurden damals zwei Präsidenten-Reden vorher aufgezeichnet, eine für Erfolg, eine für Misserfolg der Mission. Quasi eine Vorab-Beileidsbekundung. Heute wollen wir eine Sicherheit von 99 Prozent, dass die Astronauten auch wieder lebend zurückkommen zur Erde.