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Weihnachtsbackstress im SommerLebkuchenproduktion in Aachen läuft auf Hochtouren – die Trends

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Ein Mitarbeiter des Lebkuchenherstellers Schmidt kippt in der Produktion verschiedene Rohstoffe zur Herstellung von Lebkuchenmasse in einen Behälter.

Die Lebkuchen-Herstellung läuft  – Anfang September startet der Verkauf.

Noch ist Eis bei vielen Menschen hoch im Kurs. Doch das Weihnachtsgebäck steht schon fast zum Verkauf bereit. Warum es vier Monate vor Weihnachten in den Handel kommt.

Lebkuchen in der Dubai-Edition, Printen gefüllt mit Pistaziencreme oder Spekulatius mit Matcha-Geschmack? In der Theorie klingt das nach trendigen Varianten für die Gebäck-Saison 2025. Glaubt man Hermann Bühlbecker, Inhaber der Aachener Lambertz-Gruppe, würden Kundinnen und Kunden Food-Trends dieser Art in seiner Branche jedoch eine klare Abfuhr erteilen – die Nachfrage sei konservativ geprägt.

„Die Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten traditionelle Produkte, die original und authentisch sind“, berichtet der Anbieter der Traditionsgebäckgruppen Aachener Printen, Nürnberger Lebkuchen und Dresdner Stollen. „Erhebliche Modifikationen an der Produkt-Charakteristik und gar an den Rezepturen werden deshalb nicht akzeptiert.“

Printen-Experte Bühlbecker von Lambertz: „Verbraucher erwarten traditionelle Produkte, die original und authentisch sind“

Ähnliches hört man beim Konkurrent Lebkuchen Schmidt aus Nürnberg. Zwar gebe es eine größere Nachfrage nach Bio und veganen Produkten, berichtet Betriebsleiter Dirk Kuen. Bei den etablierten Produkten sei man mit Trends aber vorsichtig. „Die Entwicklung eines neuen Lebkuchens kann schon einmal bis zu zwei Jahre dauern.“ Manche Kreationen lehnt der Fachmann von vorneherein ab: Extreme Geschmacksrichtungen wie Chili oder besagte Dubai-Schokolade. „Das würde nicht zu unserem Lebkuchen passen“, sagt Kuen.

Hermann Bühlbecker, Geschäftsführer der Aachener Printen- und Schokoladenfabrik Lambertz

Hermann Bühlbecker, Geschäftsführer der Aachener Printen- und Schokoladenfabrik Lambertz

Wer bereits dem Verkaufsstart von Weihnachtsspezialitäten entgegenfiebert, der sollte sich kulinarisch also nicht auf adventliche Experimente einstellen. Klassiker prägen dem Aachener Bühlbecker zufolge das Angebot – im Trend liegen dieses Jahr vor allem Lebkuchen, die mit weißer Schokolade umhüllt sind. 

Zu kaufen gibt es die Gebäcke der Lambertz-Gruppe, von Schmidt Lebkuchen und mehr als 70 anderen deutschen Herstellern bereits in wenigen Wochen. Traditionell startet das Geschäft mit Lebkuchen und Plätzchen Anfang September – wie jedes Jahr werden sich dann viele über den frühen Verkaufsstart der Weihnachtsleckereien wundern.

Schlechtes Wetter macht Appetit auf Weihnachten

Bühlbecker zufolge handelt es sich dabei zwar um Herbstgebäck – der Verkauf der klassischen, mit Wintermotiven verzierten Weihnachtswaren finde erst in den Monaten November und Dezember statt. Viel entscheidender ist aber, dass die hohe Nachfrage den sommerlichen Saisonbeginn der im Volksmund dann doch als Weihnachtsgebäck bekannten Süßwaren legitimiere. 

Mit dem Ende der Urlaubszeit wachse die Vorfreude auf die ruhigere Winterzeit, bestätigt Philipp Hennerkes, Geschäftsführer des Bundesverbands des Deutschen Lebensmittelhandels. Er sagt: Die Erfahrung zeigt, dass im September und Oktober ähnlich viel verkauft wird wie im November und Dezember.

Die Limitierung scheint den Unterschied zu machen. Nachdem die Sortimente jährlich für etwa neun Monate aus dem Handel gezogen werden, sei der Ansturm insbesondere zum Verkaufsstart und in den darauffolgenden Wochen entsprechend groß, so Bühlbecker. Seine Beobachtung: Kühle Temperaturen und grauer Himmel treiben die Absätze zusätzlich hoch. 

In Deutschland werden jährlich über 80.000 Tonnen Weihnachtsgebäck produziert

Seine Produktionsstätten, etwa am Hauptsitz im Rheinland, in Nürnberg, Neu-Ulm und Dresden laufen dementsprechend auf Hochtouren. 28 Backlinien werden in insgesamt sieben Werken von rund 4000 Mitarbeitenden betrieben. „An Spitzentagen verlassen bis zu 10.000 Paletten die Produktionslager“, sagt der Lambertz-Inhaber. Hauptproduktionszeit sind Juni, Juli und August. „An Wochentagen meist in drei Schichten, um die bundesweite Auslieferung der Mengen zum Start und in den folgenden Wochen pünktlich wie konstant zu gewährleisten“, so Bühlbecker. Auch in den Folgemonaten wird kontinuierlich weiter gearbeitet – bis zum Nikolaustag, da „laufen dann die letzten Produkte vom Band“.

Am Ende der Saison kommt den Angaben zufolge allein die Lambertz-Gruppe auf rund 700 Millionen Dominosteine und 720 Millionen Lebkuchen-Herzen, -Sterne und -Brezeln. Insgesamt haben die 75 deutschen Hersteller im vergangenen Jahr laut Statistischem Bundesamt gut 81.000 Tonnen Lebkuchen, Honigkuchen und ähnliche Gebäcke produziert. Ein Rückgang: 2023 waren es noch 86.800 Tonnen.

700 Millionen Dominosteine - made in Germany

Gut ein Viertel der Weihnachtsspezialitäten geht laut Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie in den Export, auch bei Lambertz sind es 24 Prozent. Der größte Absatzmarkt liegt aber weiterhin in Deutschland, Österreich und in der Schweiz. Das Label „Made in Germany“ ziehe auch in weiteren europäischen Nachbarländern – vor allem in Osteuropa. Dort werde Lebkuchen das ganz Jahr über konsumiert. 

Für das bald startende Saisongeschäft in Deutschland zeigt sich der Lambertz-Chef trotz Zeiten schmaler Geldbeutel nicht „überoptimistisch, aber zuversichtlich“. Eine Kaufzurückhaltung für die Warenbereiche, die seine Firma bediene, „war und ist nicht festzustellen“. Trotz Preiserhöhungen, etwa aufgrund einer Verdreifachung der Kakaopreise, sei die Nachfrage in den vergangenen Jahren stabil geblieben. Ob Kundinnen und Kunden auch in der kommenden Saison noch tiefer in die Tasche werden greifen müssen, darüber könne er noch keine Auskunft geben. Ab Anfang September wird es sich im Süßwarenregal zeigen.